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# taz.de -- Krise in Österreichs Sozialdemokratie: Spindoktors Traum
> Die österreichische Sozialdemokratie ist in der Krise. Für ihre
> Erneuerung kämpft der Parteilinke Andreas Babler, Bürgermeister und Held
> der Basis.
Bild: Wien am 24. April: Andreas Babler präsentiert seinen Plan zur SPÖ-Einig…
Die österreichische Sozialdemokratie steckt seit Jahren in einer Krise, die
sich als Machtkampf zwischen zwei rivalisierenden Fraktionen äußert. Wobei
„äußert“ etwas irreführend ist. Denn der Konflikt gärte meist
unterschwellig, drang gelegentlich an die mediale Oberfläche, bis er vor
Kurzem mit Getöse auf die offene Bühne trat.
Per Mitgliederbefragung soll nun der neue Parteivorsitz gewählt werden.
Unerwartet trat ein dritter Kandidat auf den Plan, der die Karten neu
mischte: der linke Bürgermeister Andreas Babler von Traiskirchen.
Babler präsentiert nicht nur sein Programm, er inszeniert sich als neuen
Typus – ein Gegenmodell zum gängigen Politikertypus. Hier geht es nicht um
eine Bewertung: Weder um die Schwärmerei seiner Fans – noch um die
naserümpfende oder (schlimmer) wohlwollende Verachtung der Kritik. Es geht
hier nur darum zu verstehen, worin die Eigentümlichkeit dieses Typs
besteht.
Babler betont stets, er möchte j[1][ene Wähler zurückholen, die
„angefressen sind“ von der Politik], vom Establishment und von der
Sozialdemokratie. Damit hat er den Ton vorgegeben: das Anti-Elitäre.
## Enttäuscht und wütend
Das Anti-Elitäre ist aber nicht nur das Thema der enttäuschten und wütenden
Bürger – in einem Schulterschluss macht Babler es zum Leitmotiv des
gesamten Prozesses der aus den Fugen geratenen SPÖ auf der Suche nach ihrer
Rettung. Die Vorsitzendenwahl wird damit umcodiert: von einer
Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Fraktionen zu einer
Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern und Funktionären, zwischen
Parteibasis und Establishment. In diesem Gefecht ist Babler nun der
Kandidat der Anti-Elite. In doppelter Hinsicht.
Erstens gehört er nicht zur Parteielite. Er gehöre vielmehr zum „Herzen“
der Sozialdemokratie, wie er betont. Und das sei die Basis. Die
Basisorganisationen. [2][Das „Herz“ der Sozialdemokratie] ist für Babler
sowohl Metapher für die zentrale Funktion als auch für Gefühle. Von daher
rühre seine Leidenschaft. Dafür brenne er. Und dieses Feuer will er auch
bei den Wählern erzeugen: Eine Politik, die ihre Lebensrealität verbessert,
soll die Menschen begeistern. Dafür und dadurch will er die zerstrittene
österreichische Sozialdemokratie einen.
## Arbeiterkind als umgekehrter Adelsbeweis
Zweitens aber präsentiert sich Babler nicht nur als jener Kandidat, der das
Anti-Elitäre vertritt – sondern als jener, der es auch verkörpert.
Beglaubigt durch seine andere Herkunft – nicht nur aus der Basis der
Partei, sondern auch aus der Basis der Gesellschaft: ein echtes
Arbeiterkind. Ein umgekehrter Adelsbeweis gewissermaßen: Beglaubigung durch
Herkunft.
Das soll nicht nur bezeugen, dass er Sorgen der gewöhnlichen Menschen
kennt. Diese Herkunft prägt auch seine Haltung. Sie bestimmt seine Politik
und Sprache: Sowohl was er sagt – als auch wie er es sagt. Die Frage seines
Dialekts ist keine Frage der Form, die getrennt von den Inhalten wäre.
Hier wird die Form zum politischen Programm – und das gibt die Form des
Auftretens vor. Links ist dabei nicht nur eine Frage der Positionierung,
sondern eine Existenzweise. Genau darin gründet sein Gegenmodell. Er
verbürgt seine Politik mit seiner Person. Gegner nennen es Sozialromantik,
Fans nennen das authentisch.
## Gipfel von Coaching ist Glaubwürdigkeit
Paradoxerweise wäre dies der Traum jedes Spindoktors. Deren Ideal besteht
darin, Politiker so aussehen zu lassen, als ob sie ihrer nicht bedarf. Der
Gipfel von Coaching ist Glaubwürdigkeit – die immer auch Inszenierung von
Glaubwürdigkeit ist. Und diesem Widerspruch entgeht auch Babler – ohne
Spindoktor und Medientraining – nicht.
Bablers Rezept gegen den Verfall der Sozialdemokratie ist ein „back to the
roots“ – eine Rückbesinnung auf die Quellen, als diese noch sprudelnde
politische Energie bedeuteten. Wo [3][Leidenschaft, Kampfgeist,
Glaubwürdigkeit] noch unmittelbar und selbstverständlich waren. All das ist
heute nur mehr vermittelt zu haben – vermittelt durch ein zeitgenössisches
Element: die Identität. Genau das zeigen Bablers Auftritte: Er bürgt fürs
Gegenmodell mit seiner Identität.
26 Apr 2023
## LINKS
[1] /Landtagswahl-in-Salzburg/!5929675
[2] /Rennen-um-SPOe-Vorsitz/!5924800
[3] /Grazer-Buergermeisterin-uebers-Regieren/!5902395
## AUTOREN
Isolde Charim
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