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# taz.de -- Fahrraddemo gegen Schwarz-Rot: Macht die Straße wieder Druck?
> Auf der Fahrraddemo von Changig Cities am Samstag wird sich zeigen, wie
> sehr der drohende Verkehrswende-Backlash mobilisieren kann.
Bild: Dein Fahrradweg, das gefährdete Wesen
Berlin taz | Wenn der Wind kälter bläst, zieht man sich wärmer an, und wenn
die Politik in die falsche Richtung driftet, geht man auf die Straße. Oder?
Seit der Wiederholungswahl am 12. Februar und dem sich abzeichnenden
schwarz-roten Senat, aber auch nach dem [1][gescheiterten
Klima-Volksentscheid] vor zwei Wochen ist bei vielen AktivistInnen gefühlt
die Luft raus. Ob der bevorstehende konservative Backlash mittlerweile
wieder mobilisiert, zeigt sich an diesem Samstag: [2][auf einer
Fahrraddemonstration] gegen die geplante Verkehrspolitik des neuen Duos aus
CDU und SPD.
Angemeldet hat das Protestradeln, das um 14 Uhr am Potsdamer Platz startet
und [3][nach einer Schleife bis Mariendorf am Willy-Brandt-Haus in der
Wilhelmstraße endet], der Verein Changing Cities. Das Motto lautet
saisongerecht: „Keine faulen Eier ins Mobilitätsgesetz“. Angemeldet sind
500 TeilnehmerInnen, eine eher vorsichtige Prognose. Allerdings hatte es
nicht einmal [4][die Bewegung Fridays for Future eine Woche] zuvor
geschafft, wie geplant 1.000 Personen zu mobilisieren: Nur ein paar hundert
kamen zum Bundesverkehrsministerium, freilich bei teils strömendem Regen.
Bei voraussichtlich trockenem Wetter geht es am Samstag laut Changing
Cities „zu den wenigen Radinfrastruktur-Vorzeigeobjekten Berlins und durch
viele gefährliche Straßen, die laut Radverkehrsplan sichere Radwege
bekommen müssten“. Der Verein, der seit Jahren gegen die Privilegierung des
Autoverkehrs kämpft, sieht aktuell die aus seiner Sicht bescheidenen
Erfolge der vergangenen sechseinhalb Jahre stark gefährdet. Sprecherin
Ragnhild Sørensen sprach gegenüber der taz von einem [5][„Angriff auf das
Mobilitätsgesetz“].
Die AktivistInnen können sich auf den [6][Anfang der Woche vorgelegten
Koalitionsvertrag von CDU und SPD] berufen, dessen Mobilitätskapitel das
Fahrrad kaum erwähnt und den Pkw überhaupt nicht. Liest man genauer, wird
deutlich, dass Letzteres eher taktische Gründe zu haben scheint: Die
Betonung eines neuen „Miteinanders“ und die Ankündigung, das
Mobilitätsgesetz anzupassen, deuten nämlich darauf hin, dass der Vorrang
von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, wie er in dem Gesetz von 2018
festgeschrieben ist, bald wieder Geschichte sein könnte.
Changing Cities kritisiert den designierten Regierenden Bürgermeister Kai
Wegner (CDU) unter anderem für seine Aussage, man könne breite Radwege in
den Außenbezirken „nicht gegen den Willen vieler Anwohner herstellen“.
Damit, so der Verein in einer Mitteilung, offenbare Wegner „überdeutlich,
dass er das Prinzip der Verkehrswende nicht verstanden hat: Damit Menschen
vom Auto umsteigen, bedarf es guter Infrastruktur für Fuß-, Rad- und
öffentlichen Nahverkehr.“
„Herb enttäuscht“ ist Changing Cities von der SPD-Spitze: Führende
PolitikerInnen der Partei, die das Mobilitätsgesetz mit verabschiedet
haben, verabschiedeten sich von der Verkehrswende und „bekennen sich wieder
zur autogerechten Stadt des letzten Jahrtausends“. Man unterstütze die
kritischen Stimmen in der SPD, die das Mobilitätsgesetz verteidigen
wollten.
[7][Bis zum 21. April läuft das Mitgliedervotum], von dessen Ergebnis der
Eintritt in die Koalition abhängt. Der Unmut mit dem aktuellen Kurs ist in
Teilen der Sozialdemokratie groß.
## Bald noch zäheres Ringen
[8][Auf seinem Weg durch Schöneberg, Tempelhof und Mariendorf] passiert der
Fahrradkorso am Samstag unter anderem die mit „Leitboys“ geschützten
Radspuren auf dem Tempelhofer Damm. Sie wurden erst vor einem halben Jahr
eingeweiht, obwohl AnwohnerInnen seit einem tödlichen Unfall im Jahr 2008
die Umgestaltung der Verkehrsachse gefordert hatten. Auch unter dem
rot-rot-grünen Senat musste um die Abschaffung der Straßenparkplätze hart
gerungen werden. Solche Projekte dürften künftig noch – bzw. wieder –
komplizierter werden. Gleichzeitig will Schwarz-Rot Tempo 30 auf
Hauptstraßen aufheben, wenn Luftreinhaltung als Grund nicht mehr infrage
kommt. Auch das droht auf dem T-Damm.
Jenseits der Hauptverkehrsstraßen kommt es allerdings bei der
Mobilitätswende weiterhin auf das Engagement der Bezirksämter an. Zumindest
dort, wo Grüne weiterhin die entsprechenden Ämter innehaben, kann es im
Prinzip weitergehen mit Kiezblock und Co. – sagt etwa der grüne
Verkehrsstadtrat von Neukölln, Jochen Biedermann. „Das Tempo wird
sicherlich ein anderes werden, als wir es uns versprochen haben“, sagt
Biedermann zur taz. Er befürchtet, dass die finanzielle Unterstützung durch
die Landesebene abnehmen wird. „Ich habe aber die Hoffnung, dass vieles,
was schon angeschoben wurde, nicht mehr zurückgedreht werden kann.“
7 Apr 2023
## LINKS
[1] /Berlin-Klimaneutral-2030/!5923766
[2] https://changing-cities.org/keine-faulen-eier-ins-mobilitaetsgesetz/
[3] https://changing-cities.org/keine-faulen-eier-ins-mobilitaetsgesetz/
[4] /Klimaproteste-von-Fridays-for-Future/!5925530
[5] /Schwarz-Rot-und-das-Auto/!5925723
[6] /Schwarz-rote-Koalition-in-Berlin/!5925649
[7] /Mitgliederentscheid-der-Berliner-SPD/!5923442
[8] https://brouter.m11n.de/#map=11/52.4412/13.3700/standard&lonlats=13.376…
## AUTOREN
Claudius Prößer
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