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# taz.de -- Zurücklehnen oder Mitmischen: Wut auf passive Mitmenschen
> Theresa Hannig fühlt sich von Status-Quo-Verteidigern umzingelt. Sie
> fordert dazu auf, sich einzumischen.
Bild: Aufgewacht, denn die Zukunft wird von denen gestaltet, die nicht wegsehen…
Schon wieder bin ich wütend, und es wächst sich langsam zu einem
Dauerzustand aus. Ich bin wütend, wenn im Familienchat [1][Propaganda gegen
Muslime] geteilt wird und außer mir niemand dagegen protestiert; ich bin
wütend, wenn der Nachbar sagt, jetzt reiche es aber mit den Flüchtlingen;
ich bin wütend, wenn Männer Frauen [2][wegen ihres Körpers shamen] und alle
außer mir lachen; und wenn ich den entsprechenden Personen dann in
Erinnerung rufe, dass der 1. Artikel unseres Grundgesetzes für alle
Menschen gilt, wird mir empfohlen, weniger radikal zu sein.
Was ist da los? Bin ich so weit nach links gerutscht, dass die deutschen
Otto und Emma Normalverbraucher*innen mir schon rechts erscheinen?
Bin ich so sehr in der Theorie verhaftet, dass ich die Realität verkenne?
Ich glaube nicht! Ich bemühe mich, offen durch die Welt zu gehen. Ich
versuche, Vorurteile zu vermeiden und alle Menschen mit Respekt zu
behandeln. Ich bin überzeugt, dass die meisten von uns eigentlich nur ein
ruhiges Leben führen wollen mit einem okayen Job, Familie, Freunden,
Freizeit und nicht zu viel Verantwortung oder Stress.
Weltpolitik oder [3][globale Verantwortung] schreiben sich die wenigsten
auf die Fahnen. In gewisser Weise verstehe ich das Bedürfnis, im Privaten
zu bleiben und sich nicht um die Probleme da draußen zu kümmern. Aber in
einer Zeit, in der sich eine Pandemie innerhalb von einem Monat auf den
ganzen Globus ausbreitet, ist es naiv zu glauben, das eigene Leben,
Arbeiten, Konsumieren und Kommunizieren sei völlig unabhängig vom Rest der
Welt.
## Sie verschanzen sich hinter mentalen Gartenzäunen
Klimakrise, [4][KI], Krieg, Pandemie, Flüchtlingsbewegungen, Artensterben,
Trans- und Frauenrechte sind Themen, die uns alle etwas angehen, die alle
interessieren müssten und zu denen jede*r etwas beitragen könnte. Aber
nein, die meisten schauen weg, interessieren sich nicht, bleiben bei sich.
Oder sie positionieren sich aus Angst dort, wo keine Disruption zu erwarten
ist: Im Status quo. „Wenn alles so bliebe, wie es gestern war, wäre
zumindest ICH noch genauso sicher und zufrieden wie gestern.“ Aber darauf
zu beharren, dass alles so bleibt wie es war, ist eine Position, die man
sich auch erst mal leisten muss – und es bedeutet stillschweigend zu
akzeptieren, dass es denjenigen, die immer noch für ihre Rechte kämpfen
müssen, nach wie vor schlechter geht als einem selbst.
Und während sich die Ängstlichen hinter ihren mentalen Gartenzäunen
verschanzen, peinlich darauf bedacht, jedes zarte Pflänzchen Veränderung,
das von der anderen Seite herüberwächst, rigoros abzuschneiden, werden die
Gesetze, die Entscheidungen, die Kriege, die Urteile, die Morde von den
Leuten begangen und gefällt, die genau wissen, dass sie von der Mehrheit
hinter den Zäunen nichts zu befürchten haben.
Und das macht mich wütend! Denn aus [5][Angst vor Veränderungen]
stillzustehen führt nicht dazu, dass die Welt bleibt, wie sie ist, sondern
dass andere entscheiden, wie sie sich verändert. Politisch betrachtet
entspricht das einem ewigen Hinterherlaufen und Reagieren auf die
Ereignisse, anstatt die Zukunft proaktiv zu gestalten. Schon vor 2.500
Jahren sagte Heraklit: „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“
Wer diesen Wandel gestalten und nicht nur erleiden will, hat in einer
Demokratie das Privileg, sich zu beteiligen: Schreibt euren Abgeordneten,
diskutiert, übernehmt ein politisches Amt, geht wählen, demonstrieren und
streiken. So wird aus unserer Wut eine bessere Zukunft für uns alle.
16 Apr 2023
## LINKS
[1] /Zahlen-zu-antimuslimischen-Rassismus/!5678769
[2] /Interview-mit-Daniela-Droescher/!5873043
[3] /Klimakrise-bedroht-Lebensraeume/!5921355
[4] /Risiken-von-KI/!5923244
[5] /Gruene-Umweltsenatorin-zum-Entscheid/!5921840
## AUTOREN
Theresa Hannig
## TAGS
Kolumne Über Morgen
Zukunft
Transformation
wochentaz
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Verkehrswende
Schwerpunkt Rassismus
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