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# taz.de -- Rechtsextreme nehmen Gegner ins Visier: Neonazis horten Feindeslist…
> Immer wieder finden Ermittler Feindeslisten bei Rechtsextremen – und
> Sicherheitsbediensteten. Die Linke sieht eine „echte Gefahr“.
Bild: Zeigte sich über die Funde von Feindeslisten alarmiert: Martina Renner, …
Berlin taz | Als im Dezember die Bundesanwaltschaft deutschlandweit
[1][terrorverdächtige Reichsbürger:innen durchsuchen und festnehmen
ließ], stießen die Ermittler:innen auch auf drei Feindeslisten. 50
Namen politischer Gegner:innen waren dort insgesamt aufgeführt. Eine
Aufzählung des Bundesjustizministeriums macht nun klar: Solche Listen sind
in rechtsextremen Kreisen inzwischen keine Seltenheit – und sie finden sich
immer wieder auch bei früheren oder aktiven Sicherheitskräften.
Laut einer Antwort des Ministeriums auf eine Linken-Anfrage sind dem
Bundeskriminalamt aktuell 16 Feindeslisten in der rechtsextremen Szene
sowie im Bereich „Sonstiges“ bekannt, wo Coronaleugner:innen oder
Reichsbürger:innen einsortiert werden. Heikel: Etliche davon wurden bei
Razzien von Terrorverdächtigen gefunden – so wie zuletzt bei den
Reichsbürger:innen um Heinrich Prinz Reuß und mehrere frühere und
aktive Soldaten und Polizist:innen.
Auf einer der dortigen Listen waren [2][18 Spitzenpolitiker:innen
wie Annalena Baerbock oder Saskia Esken] aufgeführt. Die zweite Liste
führte ebenso Politiker:innen und ihre Wahlkreisbüros sowie
Anschriften von Ärzt:innen. Auf einer dritten Liste standen laut
Ministerium die Daten von Personen aus dem näheren Umkreis eines
Beschuldigten – die in „Gefährlichkeitsstufen“ eingeteilt waren.
Aber auch im Fall [3][des früheren Soldaten Franco A.], der wegen
Anschlagsplänen verurteilt wurde, sowie bei den unter Rechtsterrorverdacht
stehenden Gruppen [4][Nordkreuz], [5][Atomwaffendivision], [6][Nordadler],
[7][Knockout51] und der [8][Gruppe S.] fanden Ermittler solche
Feindeslisten. Im Fall von Franco A. waren es gleich 4 Listen mit 32 Namen,
denen jeweilige Berufe, die vermeintliche Gesinnung, persönliche
Verhältnisse und teils Anschriften zugeordnet waren – darunter der frühere
Außenminister Heiko Maas oder die Ex-Vorsitzende der Amadeu Antonio
Stiftung Anetta Kahane.
## Anschriften und Pkw-Kennzeichen notiert
Brisant wird die Sache, weil nicht nur hier die Feindeslisten in den Händen
von Uniformierten lagen. Auch bei der Gruppe Nordkreuz, in der auch
Reservisten und Polizisten aktiv waren, fanden sich gleich sieben Listen –
auch hier teils mit Anschriften, Geburtsdaten oder Telefonnummern. Die
größte, mit gut 24.000 Namen, geistert seit Jahren durchs Internet und
beruht auf einem Hack des „Impact Mailorder“ im Jahr 2015, einem linken
Punkversand.
Auch bei der „Gruppe S.“, die momentan in Stuttgart vor Gericht steht,
unter ihnen [9][auch ein Polizeiangestellter], fanden Ermittler die „Impact
Mailorder“-Liste – dazu noch eine selbst zusammengetragene. Die Großliste
fand sich auch bei der Atomwaffendivision, hier bei einem früheren
Bundeswehrangehörigen, sowie bei Knockout51 und Nordadler. Knockout führte
dazu noch zwei weitere Listen – eine mit Anschriften und
Fahrzeugkennzeichen und eine weitere zu Beschuldigten aus einem
Strafverfahren. Mutmaßlich handelt es sich bei dem Strafverfahren um das
gegen [10][die Leipzigerin Lina E.], der vorgeworfen wird, mit anderen
Autonomen den Knockout-Anführer Leon R. überfallen zu haben.
Bei Nordadler führte ein Beschuldigter wiederum noch eine Liste mit
Bilddateien von rund 4.000 Personen des öffentlichen Lebens. Daneben fand
sich eine Textdatei mit 72 Personen und eine mit 31 deutschen Mitgliedern
des Europäischen Parlaments.
Die Linken-Innenexpertin Martina Renner, die die Anfrage stellte, zeigte
sich über die vielen Funde alarmiert. „Wenn in so vielen
rechtsterroristischen Komplexen solche Listen entdeckt werden, ist das eine
echte Gefahr. Dass dabei auch noch Polizisten und Soldaten an zentralen
Stellen waren, weist auf ein Demokratiedefizit in diesen Apparaten hin.“
Das Justizministerium dagegen betont, dass bei den Listen immer eine
Prüfung im Einzelfall nötig sei. Eine konkrete Gefährdung der dort
Genannten sei nicht automatisch gegeben.
## Feindeslisten wurden 2021 als strafbar eingestuft
Renner kritisiert auch, dass die Funde zeigten, wie wirkungslos [11][die
2021 eingeführte Strafbarkeit solcher Feindeslisten] sei: „Dieser
öffentlichkeitswirksam eingeführte Paragraf macht erwartungsgemäß genau das
nicht, was er angeblich soll, nämlich rechte Feindeslisten bekämpfen“, so
Renner. „Dass die größte Bedrohung der Demokratie der Rechtsextremismus
ist, scheint ein den Behörden abgerungenes Lippenbekenntnis zu sein, dem
die Praxis bislang nicht folgt.“
Auch Opferverbände hatten bei der Einführung des Paragrafen beklagt, dass
beim Schutz von Betroffenen weiter „gravierende Lücken“ blieben. Das Gesetz
ziele allein auf die Bestrafung der Täter. Die Behörden seien weiter nicht
verpflichtet, Betroffene zu informieren, wenn sie auf solchen Listen
auftauchten. Sinnvoll wäre für diese auch eine automatische Auskunftssperre
im Melderegister. Bisher aber bleiben die Betroffenen „schutzlos zurück“,
so die Verbände.
5 Apr 2023
## LINKS
[1] /Razzia-bei-Reichsbuergern/!5901865
[2] /taz-Recherche-zu-Reichsbuerger-Razzia/!5902188
[3] /Prozess-gegen-Franco-A/!5863112
[4] /Prozess-gegen-Franco-A/!5863112
[5] /Terrorverdacht-gegen-Rechtsextreme/!5847946
[6] /Obskure-rechtsextreme-Organisation/!5696770
[7] /Terrorverdacht-gegen-Rechtsextreme/!5847946
[8] /Prozess-gegen-Gruppe-S-in-Stuttgart/!5769820
[9] /Prozess-gegen-Gruppe-S/!5762869
[10] /Prozess-gegen-Lina-E/!5921475
[11] /Gesetz-gegen-Feindeslisten/!5757405
## AUTOREN
Konrad Litschko
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