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# taz.de -- Rechtsmotivierte Straftaten in Thüringen: Höchststand bei rechter…
> Die Zahl rechter Angriffe in Thüringen ist 2022 um 45 Prozent gestiegen.
> Zu den Opfern zählen mehr als hundert Kinder und Jugendliche.
Bild: Erfurt, Aufkleber, gesehen am 26. Januar
Leipzig taz | Die Zahlen sind alarmierend. Noch nie hat die
Opferberatungsstelle ezra in Thüringen so viele rechtsmotivierte Angriffe
gezählt wie 2022. Mit 180 Fällen verzeichnete sie 45 Prozent mehr rechte
Gewalttaten als im Vorjahr. Das geht aus der [1][Jahresstatistik] hervor,
die der Verband am Mittwoch in Erfurt vorgestellt hat.
Demnach gab es 2022 in Thüringen im Schnitt drei rechte Angriffe pro Woche.
Insgesamt wurden 374 Menschen Opfer der Gewalttaten – darunter 103 Kinder
und Jugendliche. Im Vergleich zu 2021 hat sich die Zahl rechter Angriffe
gegen Minderjährige damit mehr als verdoppelt.
Die Fälle sind erschreckend. Unter anderem hat ein 71-Jähriger einen acht
Jahre alten Jungen im Februar 2022 in der Umkleide eines Schwimmbades in
Mühlhausen an den Schultern gepackt, ihn mit dem Knie in die Magengegend
getreten und dabei rassistisch beleidigt. Im August 2022 sollen zwei Männer
spielende Kinder und deren Familien im Erfurter Nordpark rassistisch
beschimpft haben. Daraufhin soll einer der Männer eine Glasflasche in
Richtung eines sieben Jahre alten Kindes geworfen. Dieses wurde dadurch
schwer verletzt.
Neben 68 einfachen und 50 schweren Körperverletzungen registrierte ezra
auch 53 Nötigungen und Bedrohungen sowie drei versuchte Tötungen. Mit 88
rasstischen Gewalttaten bleibe Rassismus weiterhin das häufigste Tatmotiv,
heißt es in dem Bericht. 38 Angriffe hätten sich gegen politische
Gegner:innen gerichtet, 27 gegen Journalist:innen.
## Kritik an Thüringens Innenminister
Damit habe sich die Zahl der Gewalttaten gegen politische Gegner:innen
verdoppelt und die gegen Journalist:innen mehr als verdreifacht. Bei
einer rechten Montagsdemo im Oktober 2022 in Weimar wurde eine:r
Journalist:in zum Beispiel die Maske heruntergerissen und in den Mund
gespuckt.
Franz Zobel, Projektleiter von ezra, führt den enormen Anstieg der
Gewalttaten in Thüringen vor allem auf die regelmäßigen Demonstrationen der
extremen Rechten zurück. „Diese waren fast jeden Montag Ausgangspunkt für
rechte Hetze, Beschimpfungen, Bedrohungen und Gewalt“, sagte Zobel.
Fast ein Viertel aller Angriffe habe ezra bei Demonstrationen registriert,
„hinter denen extrem rechte Einzelpersonen und Netzwerke aus sogenannten
Querdenkern, AfD, Neonazis und Reichsbürgern standen“. Die zahlreichen
Angriffe gegen Journalist:innen und politische Gegner:innen
bezeichnete Zobel als „alarmierend“.
Im Hinblick auf die 88 rassistischen Gewalttaten sagte Franziska
Schestak-Haase von ezra, dass sich die Situation für Menschen mit
Migrationsgeschichte in Thüringen weiter verschärft habe. „In der Beratung
haben uns Eltern erzählt, dass ihre Kinder nach der Ankunft in Thüringen
als erste deutsche Worte ‚Ausländer raus‘ durch andere Kinder in der Schule
gelernt haben.“ Zobel verwies darauf, dass inbesondere bei rassistischen
Angriffen von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden müsse.
## Mehr antisemitische Gewalt in Brandenburg
Zu den meisten Angriffen 2022 kam es laut ezra in den Städten Erfurt (53),
Gera (21), Jena (21) und Weimar (14) sowie im Ilm-Kreis (15). „Erfurt
bleibt nicht nur Schwerpunkt rechter und rassistischer Gewalt in Thüringen,
die Zahl der Angriffe hat sich dort im Vergleich zu 2021 sogar fast
verdoppelt“, sagte Zobel. Im Schnitt gab es in der Landeshauptstadt einen
rechten Angriff pro Woche. An die Stadt Erfurt appellierte Zobel, die
lokalen Initiativen gegen Rassismus „endlich“ ernst zu nehmen und eine
„lokale Gedenkkultur“ zu initiieren.
Zobel warnte, die Lage könne 2023 jederzeit weiter eskalieren.
„Letztendlich wird das von dem Erfolg extrem rechter Mobilisierung
abhängen. Rassistische Stimmungsmache wird diese weiter verstärken“, sagte
er. Daher müsse der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) „endlich“
einen Vorschlag für eine gemeinsame Strategie eines „glaubhaften
Paradigmenwechsels in Ostdeutschland in der Strafverfolgung rechter
Gewalttaten und im Umgang mit rechten Aufmärschen“ präsentieren.
Im November hatte der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter,
rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG), zu dem auch ezra gehört,
[2][den ostdeutschen Innenministern acht Maßnahmen vorgeschlagen]. Getan
habe sich seitdem nichts, kritisierte Zobel.
Vor wenigen Tagen haben bereits die Opferberatungsstellen in Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Brandenburg ihre Jahresstatistik vorgestellt. Demnach
gab es 2022 in [3][Brandenburg 138 rechte Übergriffe] – 12 weniger als im
Vorjahr. Deutlich gestiegen ist hingegen die Zahl der antisemitischen
Gewalttaten im Bundesland: Während der Verein Opferperspektive 2021 nur
einen antisemitisch motivierten Angriff registrierte, zählte er 2022 acht
solcher Taten. „In drei Fällen wurden die Betroffenen zielgerichtet mit dem
Tode bedroht“, [4][heißt es in dem Bericht].
In Sachsen-Anhalt verzeichnete die Mobile Opferberatung mit 156 rechten
Gewalttaten genauso viele Angriffe wie im Vorjahr. Die rechte Gewalt habe
sich in dem Land „auf einem verheerend hohen Niveau“ stabilisiert, teilte
die Initiative am Dienstag mit. Insgesamt wurden 227 Menschen Opfer der
Angriffe, darunter 25 Kinder.
So beleidigte zum Beispiel eine Frau zwei 12 beziehungsweise 13 Jahre alte
Mädchen mit Migrationsgeschichte rassistisch, während sie einen Supermarkt
in Zeitz (Burgenlandkreis) verließen. Auf dem Parkplatz schlug der
Begleiter der Frau den Kindern mit der flachen Hand ins Gesicht.
## Deutlich mehr Gewalttaten gegen LGBTIQ* in Sachsen
Anders als in Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist die [5][Zahl der rechten
Angriffe in Sachsen gestiegen] – um 8 Prozent auf 205 Angriffe. Das geht
aus der [6][Jahresstatistik der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung,
Integration und Demokratie Sachsen (RAA)] hervor. Demnach gab es 2022 im
Freistaat mindestens jeden zweiten Tag einen rechtsmotivierten Angriff.
Unter anderem wurden zwei Brandstiftungen an Geflüchteten-Unterkünften in
Bautzen und Leipzig-Grünau verübt. Wie die RAA mitteilte, habe insbesondere
die Gewalt gegen LGBTIQ* massiv zugenommen. 21 Angriffe gegen queere
Menschen hat die Beratungsstelle registriert – ein Anstieg um 163 Prozent
im Vergleich zu 2021.
Ebenso wie in Thüringen stellten auch die Opferberatungen in Brandenburg,
Sachsen-Anhalt und Sachsen Rassismus als das häufigste Motiv für die
Angriffe fest.
5 Apr 2023
## LINKS
[1] https://ezra.de/jahresstatistik2022/
[2] /Opferberatungsstellen-besorgt/!5892802
[3] /Zahlen-fuer-Brandenburg-2022/!5918969
[4] https://www.opferperspektive.de/wp-content/uploads/2023/03/opp_hintergrundp…
[5] /Rechtsmotivierte-Straftaten/!5925162
[6] https://www.raa-sachsen.de/support/statistik/statistiken/rechtsmotivierte-r…
## AUTOREN
Rieke Wiemann
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