# taz.de -- Rechtsmotivierte Straftaten: Mehr rechte Gewalt in Sachsen | |
> Im Jahr 2022 hat es acht Prozent mehr rassistische und rechtsmotivierte | |
> Angriffe in Sachsen gegeben. Insbesondere Gewalt gegen LGBTIQ* nahm | |
> massiv zu. | |
Bild: Dauerproblem: In Sachsen gibt es seit Jahren viele rechte Vorfälle, das … | |
LEIPZIG taz | Nachdem die Anzahl der rassistischen und rechtsmotivierten | |
Angriffe in Sachsen 2021 leicht zurückgegangen war, ist sie im vergangenen | |
Jahr um acht Prozent gestiegen. Die Opferberatungsstellen zählten 205 | |
Angriffe mit insgesamt 314 Betroffenen, darunter 44 Jugendliche und 24 | |
Kinder. Das geht aus der Jahresstatistik 2022 vor, die die Regionale | |
Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie Sachsen (RAA) am | |
Donnerstag in Leipzig vorgestellt hat. Demnach ist es 2022 im Freistaat | |
mindestens jeden zweiten Tag zu einem rechtsmotivierten Angriff gekommen. | |
Unter anderem wurden zwei Brandstiftungen an Geflüchteten-Unterkünften | |
verübt: Im August – in der [1][Gedenkwoche an die rassistischen | |
Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen] vor 30 Jahren – hatten Unbekannte | |
mehrere Brandsätze gegen eine Gemeinschaftsunterkunft in Leipzig-Grünau | |
geworfen. Im Oktober wurde [2][das frühere Spreehotel in Bautzen | |
angezündet], in das kurze Zeit später Geflüchtete einziehen sollten. | |
„Bei den beiden Brandanschlägen ist zum Glück niemand verletzt worden“, | |
sagte Andrea Hübler von der RAA. „Ziel und Botschaft ist jedoch klar: | |
Geflüchtete sind nicht erwünscht.“ Das zeigten auch die rassistischen | |
Proteste, die seit Ende 2022 sachsenweit stattfinden, sowie die Angriffe | |
auf zwei geplante Geflüchteten-Unterkünfte in Nordsachsen im Februar und | |
März 2023. Bei einem Gebäude wurde eine Fensterscheibe eingeschlagen, bei | |
einem anderen wurden Stahlstäbe in die Zufahrtsstraße gebohrt. | |
Vor diesem Hintergrund sei es umso wichtiger, dass Politik und Behörden die | |
Gefahr rassistisch motivierter Anschläge und Angriffe ernst nähmen, heißt | |
es im Bericht. Verlautbarung, die „Geflüchtete und deren Unterbringung als | |
unlösbares Problem, potentielle Bedrohung oder als ‚von oben‘ aufgezwungen | |
darstellen“, würden das Problem dagegen weiter befeuern. | |
## Rassismus weiterhin das häufigste Tatmotiv | |
Neben den zwei Brandstiftungen an den Asylunterkünften zählten die | |
Opferberatungsstellen der RAA 147 Körperverletzungen sowie 45 Nötigungen | |
und Bedrohungen. Knapp die Hälfte der 205 Taten seien rassistisch motiviert | |
gewesen, heißt es in dem Bericht. 51 Delikte hätten sich gegen politische | |
Gegner:innen gerichtet, 23 gegen Nichtrechte und Alternative, 21 gegen | |
queere Menschen. Damit sei die Zahl der Angriffe gegen LGBTIQ* im Vergleich | |
zu 2021 um 163 Prozent gestiegen. Wie aus dem Bericht hervorgeht, handelte | |
es sich bei diesen Taten vor allem um Körperverletzungen. | |
Andrea Hübler führt die massiv gestiegene Zahl der Angriffe gegen queere | |
Menschen unter anderem auf eine höhere Meldebereitschaft und eine stärkere | |
Vernetzung zurück. Unabhängig davon hätten Gewalttaten bei | |
CSD-Veranstaltungen in Sachsen zugenommen. So wurde beim CSD in Zwickau zum | |
Beispiel eine Person aufgrund ihrer sexuellen Orientierung angegriffen, | |
außerdem warfen Rechte einen Gegenstand auf Teilnehmer:innen der Demo | |
für die Rechte von LGBTIQ*. Auch bei CSD-Demonstrationen in Dresden und | |
Döbeln kam es zu Gewalt gegen queere Menschen. „Die Angriffe zeigen | |
deutlich, wie sehr das Feindbild LGBTIQ* in der rechten Ideologie verankert | |
ist“, sagte Hübler. | |
Die Zahlen der RAA weichen von denen der Polizei ab. Ein Grund ist, dass | |
die Betroffenen laut RAA in nur drei Vierteln der Fälle Anzeige erstattet | |
hätten. Zudem beurteilt die Polizei manche der Fälle anders als die | |
Opferberatungsstellen. Von den 151 Gewalttaten, die polizeibekannt seien, | |
habe die Polizei lediglich 84 als politisch motivierte Kriminalität von | |
rechts eingestuft, heißt es in dem Bericht. | |
Zu den meisten Angriffen 2022 kam es laut der RAA in den Städten Dresden | |
(64), Leipzig (50) und Chemnitz (14) sowie den Landkreisen Nordsachsen | |
(14), Bautzen (13), Zwickau (13) und Leipzig (10). „Der Landkreis | |
Nordsachsen war zusammen mit dem Landkreis Leipzig in den vergangenen | |
Jahren immer wieder eine Schwerpunktregion, ebenso Zwickau und Bautzen. Das | |
hat auch mit einer rechten Raumnahme in den dortigen Klein- und | |
Mittelstädten zu tun“, sagte der Geschäftsführer der RAA, Robert Kusche. | |
## Hohe Dunkelziffer vermutet | |
Auf Außenstehende wirkten die 14 Angriffen im Landkreis Nordsachsen erstmal | |
gar nicht so hoch, sagte Ulrike Sprenkmann von der RAA. „Es ist aber | |
wichtig, sich vor Augen zu führen, dass Nordsachsen der am wenigsten | |
besiedeltste Landkreis in Sachsen ist. Gemessen an der geringen | |
Einwohner:innenzahl ist die Zahl der Angriffe durchaus hoch.“ Weil | |
längst nicht alle Betroffenen die Angriffe meldeten oder sich Hilfe bei | |
Beratungsstellen suchten, sei darüber hinaus von einer hohen Dunkelziffer | |
auszugehen. | |
Sprenkmann wies außerdem darauf hin, dass die Statistik der RAA nur | |
Gewaltdelikte abbilde – keine Beleidigungen oder Anfeindungen. „In | |
Gesprächen mit Betroffenen und ihren Familien wird uns immer wieder | |
gespiegelt, dass die alltäglichen rassistischen Erlebnisse für sie oftmals | |
nicht minder belastend sind“, sagte Sprenkmann. Gewalttätige Angriffe seien | |
nur „die Spitze des Eisberges“. | |
Ein Betroffener, so erzählte es Sprenkmann, habe einmal zu ihr gesagt, dass | |
er sich wünsche, „einfach nur in Ruhe zur Arbeit oder zu Freund:innen | |
gehen zu können“, ohne angefeindet zu werden. | |
Sachsens Sozialministerin Petra Köpping teilte mit, die rechten Übergriffe | |
„zutiefst“ zu verurteilen. In einer so herausfordernden Zeit sei es | |
wichtig, die universellen Menschenrechte zu verteidigen. „Zeigen wir | |
gemeinsam, dass wir uns dem menschenverachtenden Hass und der Hetze mit | |
vereinten Kräften entgegenstellen“, sagte Köpping. | |
Seit Jahren liegt die Zahl der rechten Angriffe in Sachsen auf ähnlich | |
hohem Niveau. Noch höher waren die Zahlen 2015, 2016 und 2018. In den | |
Jahren 2015 und 2016 wegen der zahlreichen rassistischen Angriffe gegen | |
Geflüchtete und Asylunterkünfte, 2018 wegen der rassistischen | |
Ausschreitungen im Sommer in Chemnitz. | |
Aktualisiert und ergänzt am 30.03.2023 um 13:25 Uhr. d. R. | |
30 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Rieke Wiemann | |
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