# taz.de -- Obskure rechtsextreme Organisation: Neonazi-Nordadler verboten | |
> Seehofer zerschlägt noch eine rechte Truppe. Nordadler war in der | |
> rechtsextremen Szene eher randständig und besaß einen bizarren Anführer. | |
Bild: „Rechtsextremismus hat auch im Internet keinen Platz.“ Seehofer verbi… | |
BERLIN taz | Nach [1][Combat 18] und der Reichsbürgertruppe [2][„Geeinte | |
deutsche Völker und Stämme]“ lässt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) | |
die nächste rechtsextreme Gruppe verbieten: Nordadler. Am Dienstagmorgen | |
durchsuchte die Polizei Objekte in Göttingen und Hannover Niedersachsen, in | |
Vlotho, Sprockhövel und Wuppertal in Nordrhein-Westfalen, in | |
Brandenburg/Havel und Doberlug-Kirchhain in Brandenburg sowie in Dresden | |
und Pirna in Sachsen und übergab die Verbotsverfügung. | |
Die Gruppe ist eher randständig in der rechtsextremen Szene und fand sich | |
Ende 2016 zusammen. Nordadler kommunizierte vor allem über Chatgruppen bei | |
Telegram oder Discord, auch über Facebook oder Instagram. Firmiert wurde | |
auch unter den Namen „Völkische Revolution“, „Völkische Jugend“, „V… | |
Gemeinschaft“ oder „Völkische Renaissance“. Der Gruppe werden rund 30 | |
Mitglieder zugerechnet, als Führungsfiguren gelten sieben Rechtsextreme. | |
Diese fabulierten von einem Untergang des deutschen fabuliert, hetzten | |
gegen Linke und Juden. Offen wurde dem Nationalsozialismus gehuldigt, die | |
SS als Vorbild benannt. Intern soll die Gruppe Listen über politische | |
Gegner angelegt haben – die man im Falle eines Staatszusammenbruchs zur | |
Rechenschaft ziehen wollte. | |
Auf einer aktuellen Webseite hieß es, man strebe eine „völkische Bewegung“ | |
an. Ziel sei „die Rettung Deutschlands“ und „Überwindung der feindlichen | |
Götzenbilder“. Und: „Die völkische Renaissance wird nicht von ihrer | |
Weltanschauung abrücken oder Kompromisse schließen.“ | |
Seehofer erklärte zu dem Verbot: „Vereine und Gruppierungen, die Hass und | |
Hetze verbreiten und die Wiederrichtung eines nationalsozialistischen | |
Staates herbeisehnen, werde ich verbieten. Rechtsextremismus und | |
Antisemitismus haben bei uns keinen Platz, weder in der realen noch in der | |
virtuellen Welt.“ Die Gruppe richte sich gegen die Verfassung und den | |
Gedanken der Völkerverständigung und ziele auf Straftaten. | |
Nach taz-Informationen gab es neben den Chats aber auch reale Treffen. Und | |
auch eine Immobilie im Thüringer Hohenstein, im Ortsteil Mackenrode. Dort | |
wollte die Gruppe nach eigenen Angaben ein „autarkes Oppositionsprojekt“ | |
aufbauen, eine „echte auf völkischem Bewusstsein basierende Gemeinschaft | |
germanischen Glaubens, Artamanen und Nationalsozialisten“. Laut Thüringer | |
Innenministerium nutzten 2019 noch „mehrere“ Personen das Haus, die aus | |
Norddeutschland in die Region gezogen seien. Am Dienstag fanden in | |
Thüringen jedoch keine Durchsuchungen statt. Die dortige | |
Linken-Innenexpertin Katharina König-Preuss nannte das unverständlich. In | |
Sicherheitskreisen hieß es dazu, das Grundstück sei inzwischen ungenutzt | |
und verfallen. | |
## Eigenwilliger Anführer mit Waffenaffinität | |
Sonderbarerweise fanden am Dienstag in Thüringen aber keine Durchsuchungen | |
statt. Die dortige Linken-Innenexpertin Katharina König-Preuss nannte das | |
unverständlich. | |
Anführer ist nach taz-Informationen der 24-jährige Wladislav S. Sein | |
politisches Agieren ist eigenartig. Einerseits bekannte sich S. offen als | |
Nationalsozialist. Andererseits wurde S. 2017 verurteilt, weil er im | |
niedersächsischen Northeim einen IS-Sympathisanten und Ex-Neonazi bei einer | |
Probesprengung begleitet und die Explosion gefilmt hatte. Der übergelaufene | |
Islamist wurde später zu gut drei Jahren Haft verurteilt, weil er einen | |
Sprengstoffanschlag auf Polizisten und Soldaten geplant haben soll. | |
Das Bundesinnenministerium wirft Wladislav S. vor, im Internet gezielt | |
jüngere Nutzer angeworben zu haben, um sie „zu indoktrinieren und damit | |
Verfassungsfeinde zu schaffen“. Auch soll er in einer öffentlichen | |
Telegram-Gruppe den Anschlag auf die Synagoge in Halle befürwortet haben. | |
[3][Bereits im April 2018 hatte die Bundesanwaltschaft die Unterkunft von | |
vier Nordadler-Mitglieder und einer weitere Person durchsuchen lassen] – | |
wegen des Verdachts des Rechtsterrorismus. Die Gruppe sollte damals intern | |
Anschläge auf politische Gegner in Erwägung gezogen und nach Waffen und | |
Sprengstoffmaterial gesucht haben. Gefunden wurden damals Schlag- und | |
Stichwaffen sowie eine größere Zahl von Feuerwerkskörpern und Militaria. | |
Festgenommen wurde niemand. | |
Im November 2018 gab es weitere Durchsuchungen, nachdem ein Gruppenmitglied | |
mit echt aussehenden Schusswaffen im Internet posiert hatte, die sich | |
allerdings als Soft-Air-Waffen herausstellten. | |
Auch bei den Razzien am Dienstag fanden die Ermittler vorerst keine Waffen, | |
dafür NS-Literatur, Reichskriegsflaggen, Stahlhelme und einen | |
Baseballschläger. Festnahmen gab es keine. Die Betroffenen hätten sich | |
überwiegend kooperativ gezeigt, hieß es in Sicherheitskreisen. | |
Nach den rechtsextremen Terrortaten gegen Walter Lübcke und dem Anschlag in | |
Halle hatte Seehofer mehr Härte gegen die rechtsextreme Szene angekündigt | |
und sechs Verbote von Neonazi-Gruppen geprüft. Im Januar erfolgte darauf | |
das Verbot von Combat 18, im März das Verbot der Reichsbürger-Gruppe. Mit | |
Nordadler folgt nun also Nummer drei. | |
23 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Rechtsextreme-Vereinigung-Combat-18/!5675027 | |
[2] /Verbot-von-Reichsbuergerverein/!5672391 | |
[3] /Razzia-in-mehreren-Bundeslaendern/!5499122 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Rechtsextremismus | |
Rechtsterrorismus | |
Verbot | |
Horst Seehofer | |
Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke | |
Rechtsextremismus | |
taz-Serie: Die Reichsbürger | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Prozess zum Mord an Walter Lübcke: Wer soll das glauben? | |
Im Prozess wurde am Dienstag das zweite Geständnis des Angeklagten | |
verhandelt. Darin belastet er einen Mitstreiter. Überzeugend ist es nicht. | |
Rechtsextremismus in Meck-Pomm: Gefestigte Strukturen | |
Die rechtsextreme Szene ist in Mecklenburg-Vorpommern nachhaltig aktiv. Bei | |
der vielen medialen Aufmerksamkeit für die AfD gerät das aus dem Blick. | |
Verbot von Reichsbürgerverein: Die „GmbH“ schlägt zurück | |
Seehofer verbietet erstmals einen Reichsbürgerverein. Die Gruppe fiel durch | |
Drohschreiben auf – und durch Solidarität mit einem Holocaustleugner. | |
Razzia in mehreren Bundesländern: Verdacht auf Rechtsterrorismus | |
Die Wohnungen von mehreren Verdächtigen sind durchsucht worden. Sie planten | |
offenbar ein rechtsextremes Siedlungsprojekt. |