| # taz.de -- Untreue-Prozess gegen Grünen in Hamburg: Der spendable Herr Osterb… | |
| > Vor dem Hamburger Landgericht muss sich der Ex-Vorsitzende der | |
| > Grünen-Bezirksfraktion Mitte verantworten. Er soll Fraktionsgelder | |
| > veruntreut haben. | |
| Bild: Verspeist auf Kosten des Steuerzahlers: Hummer | |
| Hamburg taz | Michael Osterburg schien ein umtriebiger Politiker zu sein. | |
| Dutzende Bewirtungsbelege, auf denen das Who-is-Who der Hamburger | |
| Landespolitik verzeichnet ist, reichte der damalige Fraktionschef der | |
| Grünen in der Bezirksversammlung Mitte zur Erstattung ein. Allein: Die | |
| angegebenen Gesprächspartner – Senatoren, Abgeordnete, hohe Beamte, | |
| Journalisten – waren frei erfunden. Das hat Osterburg am Mittwoch vor dem | |
| Hanseatischen Oberlandesgericht eingeräumt – und es dabei zugleich | |
| relativiert: „Die Bewirtungen haben stattgefunden, aber nicht mit den | |
| genannten Personen sondern mit Tippgebern“, ließ Osterburg seinen Anwalt | |
| erklären. | |
| [1][Dem ehemaligen Grünen-Politiker wird vorgeworfen, seine Fraktion in den | |
| Jahren 2015 bis 2019 um 33.000 Euro erleichtert zu haben]. Die | |
| Staatsanwaltschaft wirft ihm in 121 Fällen „gewerbsmäßige Untreue, | |
| teilweise in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung vor“. Dabei geht | |
| es nicht nur um Gaststättenbesuche, sondern auch um EDV-Technik, | |
| Gebrauchsgegengstände – vom Milchaufschäumer bis zum „Kinderkopfhörer | |
| pink-blau“ –, um Kinderbetreuung und sogar Knöllchen im Wert von 66,50 | |
| Euro. | |
| [2][Besonderes Interesse zieht der Fall auf sich, weil Osterburg damals mit | |
| der heutigen Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) liiert war] und | |
| mit ihr ein Kind hat. Gallina soll von Osterburgs Taten profitiert haben, | |
| nach Auffassung der Staatsanwaltschaft jedoch unwissentlich. Die | |
| Staatsanwaltschaft hat die Justizsenatorin mehrfach vernommen, aber „keinen | |
| zureichend tatsächlichen Anhaltspunkt“ für eine Beteiligung gefunden. | |
| ## Blumen für den „US-Konsul“ | |
| Mehrfach hatte Osterburg etwa zum Muttertag oder zu Gallinas Geburtstag | |
| Blumen abgerechnet, die offensichtlich Gallina zugute kommen sollten, aber | |
| auf Adressaten ausgestellt waren wie „US-Konsul“. Osterburg stritt das | |
| nicht ab. | |
| Vor Prozessbeginn öffentlich geworden war bereits eine Malta-Reise | |
| Osterburgs und Gallinas, bei der es angeblich um die Flüchtlingsrettung | |
| gehen sollte und die Osterburg ebenfalls der Fraktion in Rechnung gestellt | |
| hatte. Öffentliches Ärgernis erregte dabei besonders ein Hummer-Essen für | |
| 230 Euro. „Das war eine private Reise“, räumte Osterburg in der Erklärung | |
| seines Anwalts ein, um anzufügen: „Es gab Treffen mit Personen, die nicht | |
| genannt werden dürfen.“ | |
| Das gleiche Argument führte Osterburg beim Thema Kinderbetreuung an. 9.000 | |
| Euro soll er hierfür geltend gemacht haben, obwohl Gallina die Kosten | |
| beglichen habe. Osterburg soll dabei auch die Unterschrift der Kinderfrau | |
| gefälscht haben. Zuweilen ließ er die Unterschrift ganz weg. | |
| Die Betreuungsleistungen seien alle erbracht worden, rechtfertigte sich der | |
| Ex-Fraktionschef – bloß nicht alle von der angegebenen Kinderfrau, sondern | |
| wiederum „von Personen, die nicht genannt werden sollten“. Was die | |
| Geheimniskrämerei bei der Kinderbetreuung nötig machen sollte, blieb offen. | |
| Osterburg sagte, er habe die Beträge für die Kinderbetreuung „vorkontiert�… | |
| und kündigte an, die Originalbelege vorlegen zu wollen. | |
| Mehr als 6.000 Euro gab Osterburg im Namen der Fraktion für Computer und | |
| Zubehör aus. Die Geschäftsstelle habe auf Mac umgestellt werden sollen, | |
| ließ Osterburg erklären. Er habe die in die Fraktion bestellten Sachen mit | |
| nach Hause genommen, um sie einzurichten, weil das sonst niemand gemacht | |
| hätte. Manches fand der Erklärung nach nicht den Weg zurück in die | |
| Fraktion, ein Handy wurde entwendet, ein Tablet-Computer „verschwand“, | |
| beides musste neu beschafft werden. | |
| Unter den Gebrauchsgegenständen, für die Osterburg mehr als 4.000 Euro | |
| ausgab, finden sich doppelt und dreifach beschaffte Sachen: ein halbes | |
| Dutzend Fahrradschlösser, angeblich um das Lastenrad der Fraktion und | |
| Werbeaufsteller zu sichern; zwei Wasserkocher, was nur dadurch zu erklären | |
| sei, dass einer offenbar zurückgesandt worden sei; zwei USB-Stirnlampen, um | |
| nächtens Wahlplakataufsteller reparieren zu können, aber auch eine | |
| Nintendo-Tasche, ein Blaupunkt-Radiowecker und ein Uhrenradio. | |
| Er habe ein privates Amazon-Konto und daneben eines für die Fraktion | |
| gehabt, ließ Osterburg seinen Anwalt erklären. Das sei ihm wohl bisweilen | |
| durcheinander geraten, sodass er das falsche Konto benutzt habe. | |
| Mehr als 4.000 Euro überwies sich Osterburg vom Fraktionskonto direkt aufs | |
| eigene Konto, in mehreren Raten unter dem Stichwort „Handkasse“. Damit will | |
| Osterburg einen Mitarbeiter bezahlt haben, ohne dass dessen Entgelt den | |
| anderen Mitarbeitern bekannt würde. Er habe eine „Neiddebatte“ befürchtet. | |
| Die entsprechenden Belege seien von einer Steuerberaterin geprüft worden. | |
| [3][Osterburg bedauerte in der Erklärung, dass er Ausgaben zum Teil falsch | |
| abgerechnet habe und dadurch „ein negatives Bild über Politiker entstanden | |
| ist“]. Er sei auch bereit, den Schaden auszugleichen. Rückblickend hätte er | |
| sich mehr um seine Familie und sein Privatleben kümmern sollen, statt sich | |
| so viele ehrenamtliche Verpflichtungen aufzubürden, dass sie ihn letztlich | |
| überfordert hätten. | |
| Der Prozess wird am heutigen Donnerstag fortgesetzt. Es sollen | |
| [4][Vertreter der Bezirksfraktion] aussagen, die Osterburg angezeigt | |
| hatten, nachdem ihnen Unregelmäßigkeiten in der Kasse aufgefallen waren. | |
| 19 Apr 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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