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# taz.de -- Legalisierung von Cannabis: Verharmlost das Kiffen nicht
> Einige sind enttäuscht, dass die Gras-Legalisierung nur abgeschwächt
> kommt. Unsere Autorin ist froh. In ihrem Umfeld hat das Kiffen Existenzen
> zerstört.
Bild: Kiffen, Buffen, Harzen, nicht für jeden psychisch geeignet
Seit 20 Jahren ist mein alter Freund – nennen wir ihn Nils – nun tot. Nils
hat früh [1][angefangen zu kiffen]. Unsere gemeinsame Zeit war schön. Wenn
wir mit den Freunden am Strand feierten oder im Moor zelteten, fühlten wir
uns frei.
Wir fuhren mit Nils’ roter Ente mit geöffnetem Dach durch die Landschaft,
hörten Reggae und Manu Chao. Oft wurde ein Joint angezündet. Die, die sich
wegdröhnen wollten, rauchten Bongs. Manche nahmen auch mal andere Drogen.
Irgendwann hörte Nils Stimmen, er fühlte sich aus dem Fernseher heraus
beobachtet. Holzklötze, die er als Sitzhocker benutzt hatte, schmiss er aus
dem Fenster im dritten Stock. Zum Glück wurde niemand getroffen.
Mit einer Psychose kam er in die Psychiatrie. Später ging es ihm einige
Jahre etwas besser, aber es blieb mühsam. Immer wieder hatte er mal eher
manische, mal depressive Phasen. Mit 27 nahm er sich das Leben.
Heute bin ich umgeben von Menschen, auch in der taz, die eine Legalisierung
von Cannabis super fänden. Die enttäuscht sind, dass die Bundesregierung
das Gras jetzt erst mal nur beschränkt freigibt, für den Eigenanbau und in
Cannabis-Clubs. Mich erleichtert das.
## Das Risiko für eine Psychose steigt
Ich kenne natürlich die Argumente der Befürworter. Es stimmt: [2][Die
bisherige Drogenpolitik] verhindert nicht, dass junge Menschen kiffen. Der
Staat würde mit einer Legalisierung den Schwarzmarkt eindämmen, Polizei und
Justiz entlasten und Steuern einnehmen. Das Cannabis, auch die
Konzentration des Wirkstoffs THC, könnte kontrolliert werden.
Aber Nils ist tot. Ein anderer aus der Gruppe damals hatte ebenfalls eine
Psychose. Soweit ich weiß, kann er bis heute nicht alleine leben.
Kiffen hat einen starken Einfluss auf die Entwicklung des jugendlichen
Gehirns. Es führt zu [3][Erinnerungs- und Konzentrationsstörungen]. Aber
eben nicht nur das. Wissenschaftlerinnen werteten im Auftrag der
Bundesregierung mehr als 2.000 Studien zur [4][Wirkung von Cannabis] aus.
Demnach steigt das Risiko für eine Psychose bei gelegentlichem Konsum um
das Doppelte, bei täglichem Konsum um das Fünffache.
Auch das Risiko für eine bipolare Störung liegt mit Cannabis dreimal so
hoch wie ohne. Vor allem für jene, die psychisch eh nicht ganz stabil sind,
ist Kiffen im Jugendalter wirklich gefährlich. Es kann Leben zerstören.
Mit einer vollständigen Legalisierung würde man diesen Jugendlichen das
Signal senden: Kiffen ist okay. Und daran ändert auch eine
Präventionskampagne nichts, die sich die Gesundheitsverwaltung sicherlich
ausdenken wird.
Wenn Erwachsene Haschisch einfach so im Laden kaufen können, wird die
Hemmschwelle für Jugendliche noch geringer, sich den Stoff ebenfalls zu
besorgen.
Manche sagen, dass die Jugendlichen ohne Schwarzmarkt schwerer an Marihuana
und Haschisch kämen und deshalb weniger konsumieren würden. Aber finden
Dealer nicht immer ihren Weg zu potenziellen Kunden? Sollte die Ampel doch
noch ernst machen mit einer Legalisierung, bleibt es nur eine leise
Hoffnung, dass der Schwarzmarkt wirklich wegfällt.
Bei allen Argumenten für eine vollständige Freigabe: Ich würde diesen
Schritt nicht verantworten wollen. In den Psychiatrien trifft man schon
jetzt auf zu viele junge Menschen, die sich um den Verstand gekifft haben.
Das ist unheimlich traurig, für alle Beteiligten.
15 Apr 2023
## LINKS
[1] /Anwalt-ueber-Cannabis/!5918478
[2] /Drogenpolitik-der-Bundesregierung/!5876556
[3] https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/2781289
[4] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikation…
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
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