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# taz.de -- Cannabis-Legalisierung in Deutschland: Ganz dicht dran
> Die Ampel hat ihre Pläne zur Cannabis-Legalisierung abgeschwächt, um das
> EU-Recht zu wahren. Immerhin ist der Besitz bald straffrei.
Bild: Özdemir (links) und Lauterbach stellen Eckpunkte zur Cannabislegalisieru…
Berlin taz | Gute Nachrichten für Grasliebhaber:innen: Die
[1][Cannabis-Legalisierung geht voran.] SPD-Gesundheitsminister Karl
Lauterbach und Grünen-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir haben am Mittwoch
neue Eckpunkte vorgestellt. Sie bilden die Grundlage für einen
Gesetzentwurf, der noch im April entstehen soll.
Die Legalisierungspläne stellen Lauterbach und Özdemir als zwei „Säulen“
vor. Die erste, „schnelle“ Säule sieht vor, dass der Besitz von bis zu 25
Gramm Cannabis straffrei wäre. Das entspricht etwa 50 Joints. Zudem darf
man bis zu drei weibliche Cannabispflanzen besitzen – die weiblichen
Pflanzen enthalten den Wirkstoff THC.
Diese Regeln [2][gelten auch rückwirkend]: Menschen, die Einträge im
Bundeszentralregister haben, weil sie mit unter 25 Gramm Gras erwischt
wurden oder Pflanzen besaßen, können diese löschen lassen.
Im Koalitionsvertrag wurde außerdem der freie Verkauf von Cannabis in
lizenzierten Geschäften festgelegt. Das wird auf bundesweiter Ebene
zunächst nicht umgesetzt. Stattdessen soll der Verkauf zunächst über
sogenannte Cannabisclubs geschehen. Die Clubs sollen als „nicht
gewinnorientierte Vereine“ organisiert werden und Mitgliedern den Verkauf
von privat angebautem Cannabis ermöglichen. Die Mitgliederzahl wäre auf 500
beschränkt. In den Vereinsgebäuden dürfen weder Cannabis noch Alkohol
konsumiert werden.
## Modellregionen als „zweite Säule“
Mitglieder können dort maximal 25 Gramm auf einmal und 50 Gramm pro Monat
kaufen, unter 21-Jährige nur bis zu 30 Gramm. Die Abgabe darf außerdem nur
in Reinform erfolgen, also ohne Streckung oder Verunreinigung durch andere
Stoffe. Zudem gilt für die Clubs ein Mindestabstand zu Schulen und Kitas.
Grundsätzlich soll der öffentliche Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten
sein und in Fußgängerzonen darf erst ab 20 Uhr gekifft werden. Wie die
Kontrollen der Clubs und Privatpersonen konkret ablaufen sollen, bleibt den
Ländern überlassen.
Seit der ersten Präsentation der Legalisierungspläne Ende 2021 gab es
öffentlich immer wieder Bedenken, ob sich diese im Rahmen [3][von EU-Recht
und internationalem Recht] überhaupt umsetzen lassen. Insbesondere der
Verkauf von Cannabis über lizenzierte Geschäfte ist aufgrund des Schengener
Durchführungsübereinkommen schwierig.
Als eine Art Kompromiss hat Lauterbach nun das „Zwei Säulen“ Konzept
entwickelt. Die zweite Säule des Legalisierungsplans: In Modellregionen in
Deutschland sollen, begrenzt auf 5 Jahre, erste kommerzielle Lieferketten
eingerichtet, also lizenzierte Geschäfte zugelassen werden. Das ganze soll
wissenschaftlich begleitet werden – ergebnisoffen, wie beide Politiker
betonen.
Er halte es für sehr wahrscheinlich, so Lauterbach, dass dies eine
bundesweite Legalisierung nach sich ziehen würde. Eine Garantie gebe es
aber nicht. „Ich kann nicht ausschließen, dass es bei der ersten Säule
bleibt“, sagte er.
## Aufklärung für Jugendliche
Die Abstimmung mit der EU-Kommission ist unerlässlich, das weiß auch
Lauterbach. „Ich möchte nicht den gleichen Fehler machen wie ihn ein
Bundesverkehrsminister möglicherweise mal gemacht hat“, sagt er und beide
Politiker müssen schmunzeln. Eine Anspielung auf den ehemaligen
CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, der schon Verträge mit
Privatunternehmen geschlossen hatte, bevor die Pkw-Maut 2019 vom
Europäischen Gerichtshof kassiert wurde.
Die Bundesregierung will sich nun auf EU-Ebene mit anderen europäischen
Staaten zusammenschließen, um an einer europaweiten Strategie zur
Legalisierung von Cannabis zu arbeiten. Der Legalisierungsprozess soll
außerdem Hand in Hand mit verstärkter Aufklärung für Jugendliche
einhergehen. Laut Özdemir soll dafür auch das Bildungssystem einbezogen
werden. Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen an
Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen.
Die Regelungen zum Cannabiskonsum in den Niederlanden seien kein Vorbild
für Deutschland, sagt Lauterbach, sondern eher ein Negativbeispiel. „Die
Niederlande haben die Nachteile kombiniert: Dort gibt es einen üblen
Schwarzmarkt, viel Kriminalität, unsichere Produkte und einen gemeinsamen
Konsum.“
Die Reaktionen aus den eigenen Reihen, insbesondere seitens der Grünen
[4][und der FDP], waren zuvor recht ungeduldig gewesen. Nun erklingt von
allen Seiten Begeisterung. „Ein schlechter Tag für Dealer und
#Schwarzmarkt, ein guter für Freiheit, Jugend- und Gesundheitsschutz!“,
twitterte Kristine Lütke, Sprecherin für Sucht- und Drogenpolitik der FDP.
## „Was wir seit eineinhalb Jahren gefordert haben“
Kritik gab es von der CSU. „Es ist ein Gebot der Vernunft, diese
Freigabepläne ganz zu stoppen – juristisch wie gesundheitspolitisch“,
vermeldete der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Fraktion Bernhard
Seidenath. Cannabis sei kein „harmloses Kraut“, sondern „gefährlich, eine
hochpsychoaktive Droge“.
Auch die Gewerkschaft der Polizei zeigte sich unzufrieden. Der Besitz von
maximal drei Pflanzen oder 25 Gramm Cannabis pro Person sei in der Praxis
„prinzipiell nicht kontrollierbar“, sagte der stellvertretende
GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz dem RedaktionsNetzwerk Deutschland
(RND). Eine polizeirechtliche Grundlage für das Zählen von
Cannabis-Blumentöpfen in Privatwohnungen werde es sicherlich nicht geben,
sagte er weiter.
Wie sieht es bei den Befürworter:innen der Legalisierung aus? Andreas
Müller, Jugendrichter und Drogenaktivist, sagte der taz: „Säule 1, die
Entkriminalisierung, das ist das, was wir seit eineinhalb Jahren gefordert
haben. Jetzt kapieren die Damen und Herren von der Ampel auch mal, dass das
der richtige Weg ist.“
Auch die Zeitschiene sei vernünftig. Cem Özdemirs Ankündigung, dass es noch
im April einen entsprechenden Gesetzentwurf geben werde, habe ihn gefreut.
„Bis Mai, Juni könnte so ein Gesetz dann durch sein“, schätzt Müller.
„Hoffen wir, dass es so kommt. Denn wenn nicht, bekommt die Ampel auch ein
Problem mit Millionen Cannabis-Konsumenten, die sie zufriedenstellen
müssen. Das, was Lauterbach und Özdemir nun endlich vorgelegt haben, ist
schließlich nur eine pragmatische Lösung, die hinter dem ganz großen Wurf
zurückbleibt.“
## „Keinen Arsch in der Hose“
Auch Details der ersten Säule hält der Jugendrichter für sinnvoll, obwohl
er den Eindruck habe, dass es den Politiker:innen in vielen Bereichen
an Kenntnis fehle. „Eigenanbau, wie er geplant ist, wird den Druck auf die
Konsumenten nehmen. Außerdem gewöhnt sich die Bevölkerung daran. Die
Kriminalisierung von Konsumenten hätte endlich ein Ende.“ Allein bei den
Social Clubs könne es noch juristische Hürden geben.
Die zweite Säule hält Müller dagegen für weitaus problematischer. „Am Ende
kommt bei den Modellregionen vielleicht nicht viel raus.“ Denn es fehle der
politische Wille zum großen Wurf. „Die Beteiligten haben einfach keinen
Arsch in der Hose.“ Richtig legal sei Cannabis damit auch auf absehbare
Zeit nicht, aber immerhin: entkriminalisiert. Das Zwei-Säulen-Modell dürfte
die gesellschaftliche Diskussion über Cannabis zwar beruhigen, aber noch
lange nicht beenden.
12 Apr 2023
## LINKS
[1] /Cannabis-Legalisierung/!5924625
[2] /Gesetzentwurf-zu-Cannabis/!5927788
[3] /EU-gegen-Legalisierungsplaene/!5907216
[4] /Kontrollierte-Abgabe-von-Cannabis/!5908369
## AUTOREN
Alexandra Hilpert
Oliver Schulz
## TAGS
Cannabis
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