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# taz.de -- Nervige Boomboxen im Park: Alter, der Park gehört mir
> Mit Bässen werden in den Parks Reviere abgesteckt. Und wehe, man fragt,
> ob sie runtergedreht werden könnten.
Bild: An einem Sommertag im Berliner Volkspark Hasenheide
Buum-buum-buum-buum-buum – das ist der Sound. Er begleitet jetzt die, die
in städtischen Parks unterwegs sind. Vor allem an Wochenenden, an schönen
Tagen und Abenden. Kein Vogelgezwitscher, kein Nachtigallengesang, nicht
das Summen von Insekten, nicht das Rauschen des Winds in den Bäumen und das
Flirren der Luft. Es ist doch so, dass im Sommer die Luft zum Hören leicht
ist. Oder war das nur früher? Damals, als es noch schön war, den Sommer zu
hören? Heute dagegen ist es wichtig zu wissen, wie man nicht hört. Wie man
das Autorauschen der Straßen ausblenden kann, wie den Lärm der Flugzeuge.
Vor allem während der Pandemie, als Clubs geschlossen waren, kam das
Buum-buum in die Parks. Und blieb. Es ist, als hätten die Partymachenden
die Natur neu entdeckt. Das jedoch täuscht. Denn es geht nicht um Natur,
sondern nur um coole Locations. Dass es Landschaftsschutzgebiete sind oder
Erholungsgebiete – egal.
Gegen das Buum-buum-buum im Park ist niemand gefeit. Denn die tiefen Töne
dringen nicht nur in den Gehörgang, sie dringen auch in die Gedärme. Wie
ein Schlag in den Bauch sind die Bässe, die die PartymacherInnen allen
anderen im Park zumuten. Zack, zack, zack, schnelle Folge, schneller Beat.
Ja, „Beat“ – die englische Sprache macht keinen Hehl daraus, worum es geh…
to beat – schlagen, zuschlagen.
Hat irgendeiner von denen, die nun meinen, im Park die Bässe aufdrehen zu
können, je im Physikunterricht aufgepasst? Hat er/sie je überlegt, warum
Lichtwellen blockiert werden können, durch Mauern, durch Vorhänge oder die
Hand vor den Augen? Und warum das mit Schallwellen nicht geht? Die Hand auf
den Ohren hilft wenig.
## Schallwellen sind wie Hammerschläge auf einen Nagel
Lichtwellen sind wie Meereswellen, sie brechen an Hindernissen.
Schallwellen hingegen sind, und das ist jetzt sehr simpel gesagt, wie
schwingende Hammerschläge auf einen Nagel. Das Material, das der Nagel
durchdringen soll, bietet zwar Widerstand, aber der Nagel kommt durch.
Im Park hören die Hammerschläge des einen Buum-buum da auf, wo das nächste
Buum-buum in einer anderen Ecke beginnt, denn Schall kann weit reisen.
Tiefe Töne, die bildlich gesprochen weit ausholen, damit der Schlag auch
richtig sitzt, können am weitesten reisen. Und was weit ausholt, das fährt
auch tief in den Magen. Hersteller von Boomboxen oder Subwoofern bewerben
ihre Produkte damit, dass sie körperliche Reaktionen hervorrufen. Tiefe
Töne würden nicht nur auf die Ohren wirken, steht auf der Websit[1][e eines
Herstellers]. „Ein wuchtiger Bass kann Brust und Bauch beben lassen. Die
tiefen Töne gehen tatsächlich durch Mark und Bein.“
Was dort nicht steht: Mit den Bässen im Park werden Reviere abgesteckt. Wer
meint, Parks beschallen zu dürfen, ist Parkbesetzer. Der Lautstärkepegel
wird hochgedreht und – zack – ist das Terrain rund um sie für andere nur
unter Schmerzen begehbar. Aber klar, SpaziergängerInnen haben keine
Autolobby und keine Springerpresse, um gegen die Parkbesetzer zu wüten. Und
die Polizei rufen? Ach.
## Spießer, Spielverderber, alte Kuh, wenn die Musik leiser soll
Wer aber Feiernde selbst bittet, die Bässe rauszunehmen, kann sein blaues
Wunder erleben: Spießer, Spielverderber, alte Kuh. „Leute, es sind doch nur
die Bässe, die ihr rausnehmen sollt, damit der Schall sich nicht hunderte
Meter weit überträgt“, sage ich. „Was will die?“, ruft einer. „Dass w…
Musik ausstellen.“ „Hey, Alte, sag mal geht’s noch? Es ist unser gutes
Recht.“
Unser gutes Recht. Super Phrase. Stimmen tut es nicht. „Veranstaltungen in
Parks in Berlin müssen von den Bezirksämtern genehmigt werden“, sagt die
Dame von der Pressestelle der Umweltverwaltung. Sind Privatpartys
Veranstaltungen? Und selbst wenn, bis die verboten sind, ist längst wieder
Winter.
15 May 2023
## LINKS
[1] https://blog.teufel.de/die-untere-grenzfrequenz-wie-tief-muss-ein-bass-klin…
## AUTOREN
Waltraud Schwab
## TAGS
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