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# taz.de -- Hass gegen Presse in Europa: Faktenchecker bedroht
> Am 2. April ist Tag des Faktenchecks. Zeit, zu checken, wie es
> Faktencheck-Organisationen ergeht. Eine Studie alarmiert: Der Hass wird
> immer größer.
Bild: Es ist die erste Umfrage zu gezielter Desinformation und Online-Gewalt ge…
BERLIN taz | Faktencheck-Organisationen beklagen vermehrt Hass und Angriffe
wegen ihrer Arbeit. Das geht aus vorläufigen Ergebnissen einer Umfrage
hervor, die die kroatische Fact-Checking-Organisation [1][Faktograf] in
ganz Europa durchgeführt und nun veröffentlicht hat. Die Belästigungen
reichen demnach von verbalen Beschimpfungen bis hin zu koordinierten
Verleumdungskampagnen, umfassen geschlechtsspezifische Gewalt, willkürliche
Klagen sowie „Doxing“, also das Veröffentlichen von privaten Informationen.
Die Umfrage ist laut Faktograf die erste, die sich mit den Auswirkungen von
gezielter Desinformation und Online-Gewalt gegen Faktenchecker befasst. Sie
entstand im Rahmen eines [2][Projekts zu Desinformations-Kampagnen des
International Press Institute], in dem Faktograf und die [3][taz]
zusammenarbeiten.
An der Befragung zwischen Dezember 2022 und Januar 2023 nahmen 41 von 68
Unterzeichnern des Grundsatzkodex des International Fact-Checking Network
(IFCN) in Europa teil. Dieses Netzwerk hat sich unter anderem der
Einhaltung der Standards bei Faktenchecks verschrieben, Mitglieder in
Deutschland sind beispielsweise der [4][Bayerischer Rundfunk mit dem BR24
#Faktenfuchs], die [5][Deutsche Presse-Agentur] und [6][CORRECTIV.org].
Neun von zehn Fact-Checking-Organisationen gaben laut Faktograf an, dass
die Verleumdungen von PolitikerInnen, Regierungsbeamten, MedienexpertInnen
und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ausgingen. Ziel der Angriffe
sei es, die Glaubwürdigkeit der Faktenprüfer zu untergraben. Sieben von
zehn der Befragten hätten zudem Kampagnen erlebt, die unter anderem
koordiniertes Verhalten wie Stalking, „Doxing“ oder geschlechtsspezifische
Gewalt umfassten.
## Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg verstärken den Hass
Die Häufigkeit der Belästigungen habe während der Corona-Pandemie
zugenommen, erklärte Faktograf. Auch die Invasion Russlands in der Ukraine
habe das verstärkt. Zudem wirkten die Zeiten von Wahlkämpfen wie
„Katalysatoren für Desinformationskampagnen“ gegen die Faktenprüfer.
Die kroatische Organisation Faktograf sei seit Jahren auch selbst mit
verschiedenen Arten von Belästigungen und Drohungen konfrontiert, erklärte
deren Geschäftsführerin Ana Brakus: „von anonymen Gewaltandrohungen und
Todesdrohungen bis hin zu SLAPP-Klagen.“ Als solche bezeichnet man
willkürliche und missbräuchliche Klagen, die nur zum Zweck der
Einschüchterung von KritikerInnen geführt werden. „Leider hat sich gezeigt,
dass unsere Erfahrungen bei Faktograf nicht einzigartig sind und dass
Belästigungen in der Fact-Checking-Gemeinschaft weit verbreitet sind“,
sagte Brakus.
Faktograf wurde 2015 gegründet. Die kroatische Organisation arbeitet auch
mit dem [7][Konzern Meta zusammen und überprüft auf deren
Social-Media-Netzwerk „Facebook]“ Inhalte auf Wahrheitsgehalt und bietet
Kontextinformationen. Seit 2016 betreibt der Konzern Meta, der früher
Facebook hieß, ein Kooperationsprogramm, um Falschinformationen auf seinen
Plattformen zu begegnen. Weltweit nehmen daran laut Meta über 90
Organisationen teil, in Deutschland eigene Abteilungen der Deutschen
Presse-Agentur und [8][von Correctiv.org].
## Echokammern für den Hass
Sarah Thust, Faktencheckerin bei Correctiv, erklärte der taz: „Nur über die
Kooperation sind wir in die Lage, Faktenchecks dort sichtbar zu machen, wo
sie dringend gebraucht werden.“ Das sei besser, als die Beiträge auf den
Plattformen einfach zu löschen – denn dann fände keine Aufklärung statt.
Aus ihrer Sicht sollte Meta insgesamt konsequenter gegen Hass und Hetze
vorgehen – das betreffe allerdings nicht nur die Angriffe gegen
Faktencheck-Organisationen. Algorithmen der Plattformen förderten zudem
Echokammern und auch negative Interaktionen.
Die Anzahl der Drohungen und Beleidigungen gegen ihr Team schwanke stark,
sei aber während der Corona-Pandemie besonders hoch gewesen, erklärte
Thust. „Themengebiete wie Migration, Covid-19-Impfstoffe, aber auch der
Klimawandel ziehen sowas oft an.“ Drohungen oder Beleidigungen kämen von
RechtsextremistInnen, ReichsbürgerInnen und Verschwörungsgläubigen.
„Diese Nachrichten richten sich in erster Linie gegen die Frauen in unserem
Team und sind teils sehr persönlich“, sagte Thust. „Auch Vandalismus am
Bürogebäude haben wir schon erlebt.“ Hier würden sie eine Grenze ziehen und
die Fälle auch der Polizei melden. „Zu konkreten Ergebnissen hat das bisher
kaum geführt.“
## Kaum Vertrauen in die Polizei
Diese Erfahrung ist kein Einzelfall. Faktograf hatte in der europaweiten
Umfrage auch den Umgang der Behörden mit den Bedrohungen thematisiert.
Dabei kam heraus, dass die Faktencheck-Organisationen die Fälle in der
Regel nicht bei der Polizei anzeigten, da sie nicht darauf vertrauen, dass
es zu einer Untersuchung komme. Teilweise wurde gar erwartet, dass sich die
Situation noch verschlimmern könne.
Javier Luque vom International Press Institut besorgt diese Entwicklung. Es
entstehe ein Umfeld, „in dem sich Belästiger mit einer politischen oder
wirtschaftlichen Agenda ermächtigt fühlen, unabhängige Nachrichtenquellen
anzugreifen und zu diskreditieren.“ Luque fordert: „Die Behörden in Europa
müssen Ressourcen bereitstellen, um diese Trends zu überwachen, die Fälle
zu untersuchen und die Täter dieser Art von Angriffen zur Rechenschaft zu
ziehen.“
Dieser Bericht ist Teil des Projekts „[9][Decoding the disinformation
playbook of populism in Europe]“, das vom International Press Institute
geleitet und in Zusammenarbeit mit Faktograf und taz durchgeführt wird. Das
Projekt wird von dem European Media and Information Fund unterstützt, der
von der Calouste-Gulbenkian-Stiftung verwaltet wird.
31 Mar 2023
## LINKS
[1] https://faktograf.hr/
[2] https://ipi.media/decoding-disinformation-playbook/
[3] /disinfo
[4] https://www.br.de/nachrichten/faktenfuchs-faktencheck,QzSIzl3
[5] https://www.dpa.com/de/faktencheck
[6] https://correctiv.org/
[7] https://www.facebook.com/formedia/mjp/programs/third-party-fact-checking
[8] https://correctiv.org/faktencheck/ueber-uns/2018/12/17/ueber-die-kooperatio…
[9] https://ipi.media/decoding-disinformation-playbook/
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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