# taz.de -- Isländische Arte-Serie „Blackport“: Bestes Volkstheater | |
> In der isländischen Arte-Serie „Blackport“ geht es um neue Quoten für d… | |
> Fischfang. Doch eigentlich wird nur gevögelt und gesungen. | |
Bild: Das Team der HG Seefang hat allen Grund zum Feiern | |
Die Isländer sind ein lustiges Volk. Sie sind ziemlich genau so viele wie | |
Berlin-Mitte, ihre Namen enden alle entweder auf -son oder -dóttir. Sie | |
ernähren sich von Walfleisch. Und haben [1][einen Komiker zum Bürgermeister | |
ihrer Hauptstadt gewählt], da war für Wolodymyr Selenski noch nicht daran | |
zu denken, ukrainischer Präsident zu werden. Überhaupt, die isländischen | |
Künstler: Neben [2][Björk] oder Sigur Rós ist da auch Hallgrímur Helgason, | |
der die Vorlage für den bekanntesten isländischen Film der jüngeren | |
Vergangenheit geschrieben hat, „101 Reykjavík“. Das ist allerdings auch | |
schon rund ein Vierteljahrhundert her, und ein Protagonist mit der Marotte, | |
Frauen danach zu bewerten, wie viel er für den Sex mit ihnen bezahlen soll, | |
erscheint wenig zeitgemäß. | |
Wenn man sich jetzt die neue isländische Serie in acht Teilen auf Arte | |
anguckt, „Blackport“, gibt es da auch jede Menge Sex mit Menschen, denen | |
man nicht unbedingt attestieren würde, was man früher einmal Astralkörper | |
genannt hat. Body Positivity also. | |
In jeder der ersten Folgen kommt es zu einem folgenschweren Unglück. Da | |
fängt sich einer einen durch die Luft fliegenden Bolzen, ein anderer ist | |
mit der Kreissäge etwas unvorsichtig. Am krassesten: der Typ, der | |
feststellen muss, dass die Fischköpfmaschine in der Fischfabrik auch | |
menschliche Extremitäten kupiert. Drogen und Amphetamine spielen eine | |
Rolle. Dabei ist der, der sie sich rektal einführen lässt, der schnelleren | |
Wirkung wegen, ein anderer, der wenigstens nicht auch noch aus der Pulle | |
mit dem Frostschutzmittel hätte trinken sollen – dann hätte er den Sex | |
danach vielleicht sogar überlebt. | |
Es wird gevögelt und gesungen, es geht rustikal zu, richtig deftig. Kurz: | |
„Blackport“ ist Volkstheater im besten Sinne. | |
## Profiteure und Verlierer | |
Worum es geht? „Inspiriert von wahren Begebenheiten“, teilt eine Texttafel | |
am Anfang mit: „1983 wurden auf Island [3][Fangquoten] eingeführt. Damit | |
sollte die Überfischung verhindert werden. Nur Schiffe mit zugeteilter | |
Quote durften noch fischen.“ Und diese neue Quotenregelung hat damals | |
Profiteure und Verlierer hervorgebracht. Die ehrgeizige Sekretärin Harpa | |
(Filippusdóttir) will unbedingt zu den Gewinnern gehören. Mit ihrem | |
Kapitänsmann Grímur (Haraldsson), ihrem Liebhaber Jón (Garðarsson), der in | |
die große Politik ins ferne Reykjavík strebt, und einem befreundeten Paar | |
baut sie in kürzester Zeit ein veritables Fischerei-Imperium auf. Das geht | |
nicht ohne Verluste. Wie gesagt, wo es Gewinner gibt, muss es auch | |
Verlierer geben. Zum Beispiel die Fischer, die bei der Quotenvergabe | |
weniger schamlos manipulieren. Oder die Frau, mit der Harpas Mann Sex hatte | |
und eine gemeinsame Tochter hat. | |
Noch eine Texttafel: „1984 betrug die Inflation in Island mehr als 70 | |
Prozent. Die Kaufkraft sank erheblich, ebenso wie das Vertrauen der | |
Bevölkerung in die Wirtschaft. Ein Generalstreik legte daraufhin beinahe | |
die gesamte isländische Gesellschaft lahm.“ Wie gut, wenn das Herzstück des | |
Unternehmens ein alter Fischkutter ist, der seine Ladung auch mal in | |
England löschen kann: „Thatchers Großbritannien! Drei Millionen | |
Arbeitslose. Aber immerhin essen die Leute weiterhin gerne Fisch.“ Die | |
Isländer staunen nicht schlecht, als ihr Geschäftspartner genau 301.116 | |
Britische Pfund in dicken Bündeln aus dem Safe holt. | |
Bald stapeln sich die Taschen mit dem unversteuerten Inhalt in der | |
Fischfabrik. Und weil wir in den 80ern sind, steht für die Buchhaltung | |
irgendwann ein Macintosh auf dem Tisch („Ich kapier nicht, warum du unser | |
Geld für so einen Blödsinn ausgibst. Keiner hier weiß, wie man das | |
benutzt.“). Auch muss die eine oder andere Nachtschicht in der Fabrik | |
eingelegt werden: „Es ist nicht das, wonach es aussieht“, Harpa sagt, was | |
man in so einer Situation eben so sagt. „Du lässt dich von ihm vögeln in | |
unserem Büro auf dem Schreibtisch. Wonach soll das aussehen?!“ | |
Die Isländer sind ein lustiges Volk – mit sehr lustigem Fernsehen. | |
24 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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