# taz.de -- Filmkomödie „Fearless Flyers“ im Kino: Hier wird Flugangst beh… | |
> Der Kinofilm „Fearless Flyers“ ist eine hintergründige Komödie über | |
> Flugangst. Auf engstem Raum steuert der Film in Richtung Reykjavík. | |
Bild: Gestrandet im Irgendwo der isländischen Weiten | |
Flugangst ist an sich überhaupt nicht lustig – und darüber hinaus | |
evolutionsgeschichtlich gut begründet, denn der Mensch ist nun einmal nicht | |
als fliegendes Wesen konzipiert. Eine Komödie über einen für die | |
Betroffenen als Urangst empfundenen Panikzustand zu drehen, ist daher keine | |
unbedingt naheliegende und auf jeden Fall kühne Idee. | |
Der isländische Filmregisseur [1][Hafsteinn Gunnar Sigurðsson] hat es | |
dennoch gewagt und unter Einsatz einer sehr trockenen, dabei gar nicht | |
schwarzen Art von Humor ein filmisches Kammerspiel hingezaubert, das für | |
die beteiligten DarstellerInnen ein Schauspielfest gewesen sein muss. Und | |
das uns neben dem Gefühl, auf hohem Niveau unterhalten zu werden, auch noch | |
jede Menge schöner Bilder liefert. | |
Letzteres liegt auch am Setting, denn ein großer Teil des Films spielt auf | |
Island. Er beginnt allerdings in London, wo eine Gruppe von Menschen den | |
Kurs „Fearless Flyers“ gegen Flugangst absolviert. Nach einem | |
theoretischen Teil soll der Praxistest in Form eines Probeflugs folgen, den | |
die KursteilnehmerInnen gemeinsam mit der Kursleiterin absolvieren. Doch | |
die patente Dame, die großes Vertrauen bei ihren Schützlingen genießt, ist | |
am Flugtag verhindert und ihr unerfahrener Stellvertreter Charles (Simon | |
Manyonda) allein mit der Gruppe. | |
Nachdem die Hälfte der TeilnehmerInnen schlagartig die Flucht ergriffen | |
hat, bleiben neben Charles nur vier Personen übrig, die todesmutig den | |
Flieger nach Reykjavík besteigen. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: | |
Da ist Sarah (Lydia Leonard), eine gestandene Bauunternehmerin aus London, | |
die erstmals mit ihrem neuen Freund und dessen kleiner Tochter den Urlaub | |
verbringen will, Panik vor dem Flug auf die Kapverden schiebt und | |
klammheimlich den Flugangst-Kurs gebucht hat. Sarah ist so etwas wie die | |
Hauptperson des Films oder auf jeden Fall die Identifikationsfigur für die | |
ZuschauerInnen, denn ihr Problem hat ganz normal mit Liebe und | |
anstrengender Beziehungsarbeit zu tun. | |
## Eindrucksvoll verkorkst | |
Die anderen „Fearless Flyers“ kommen uns menschlich nicht ganz so nah, sind | |
dafür als Typen umso eindrucksvoller verkorkst. Timothy Spall verkörpert | |
Edward, einen blasierten Schriftsteller, der in Lateinamerika einen | |
Literaturpreis entgegennehmen soll und dessen Flugtrauma damit | |
zusammenhängt, dass er einst als Soldat im Falklandkrieg gekämpft hat. | |
Die übrigen zwei bilden ein Pärchen, von dem nur er ein Flugangstproblem | |
hat, während sie als Influencerin damit Geld verdient, überall auf der Welt | |
ihren Arsch in die Kamera zu halten, wie Coco (Ella Rumpf) selbst es | |
formuliert. Da ihr verdruckster Freund Alfons (Sverrir Guðnason) es ist, | |
der die fantastischen Bilder von ihr macht, muss er aber in alle Welt | |
mitfliegen können. Denn er sei „an asset“, erklärt Coco Sarah und klingt | |
dabei nicht sehr verliebt. | |
Natürlich gibt es Komplikationen beim Testflug, und wie geplant gleich | |
zurückfliegen können die schwer Geprüften auch nicht, da die Maschine nicht | |
so schnell repariert werden kann. So werden sie in einem Wellness-Hotel | |
untergebracht, irgendwo in der verschneiten isländischen Landschaft. | |
## Eingesperrt auf engstem Raum | |
Die Situation ähnelt einem klassischen huis clos, einem Drama, das sich als | |
Folge des Eingesperrtseins einer Gruppe von Menschen auf begrenztem Raum | |
entwickelt. Sarah kann sich nicht mit der Lage abfinden, hatte sie doch am | |
selben Abend noch von London aus ihrem Freund auf die Kapverden | |
hinterherfliegen wollen. Sie verzweifelt daran, ihn nicht erreichen zu | |
können, denn blöderweise gab es auch noch ein fatales Missverständnis. | |
Lydia Leonard spielt Sarahs innere Getriebenheit mit einer Note very | |
britischer Beherrschtheit, hinter der ein Vulkan an Verzweiflung lodert. | |
Timothy Spall als Edward gibt, kühl zurückgenommen im Gestus, das spitting | |
image eines Romanciers und Gentleman, während sein Handeln gleichzeitig | |
unangemessen militärisch aus dem Ruder läuft. Nur der stille Alfons scheint | |
nach einer überraschenden Begegnung geradezu ein anderer Mensch zu werden. | |
Unter aller präzise platzierten Komik läuft gleichzeitig ein anderer, | |
ernsterer Film mit, der davon handelt, dass jeder Mensch mit seinen Dämonen | |
(meistens) ganz allein ist. Niels Thastums Kamera fängt dieses | |
schicksalhafte Geworfensein immer wieder in ikonischen, statischen Bildern | |
ein, die an Edward Hopper erinnern: ein erschöpfter Mann in einer | |
Badewanne, eine Frau allein an einer Bartheke, ein Hotel, das wie ein | |
gerade gelandetes Raumschiff im Nirgendwo liegt. | |
Doch diese Momente der visuellen Wahrheit währen immer nur kurz und sind | |
weich eingebettet in ein wohltemperiert absurdes Geschehen, das Situations- | |
und Typenkomik wunderbar verwebt. Und weil das Ganze eine Komödie ist, gibt | |
es am Ende aller existenziellen Wirrnisse selbstverständlich eine weiche | |
Landung. | |
11 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Granzin | |
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