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# taz.de -- Film „Sophia, der Tod und ich“: Märchen vom Aufschub
> Charly Hübner hat den Roman von Thees Uhlmann in einer liebenswerten
> Komödie verfilmt. Sie handelt vom Abschiednehmen.
Bild: Wenn der Tod mitfährt: Ich (Dimitrij Schaad), der Tod (Marc Hosemann) un…
Berlin taz | Wie leuchtet das Jenseits? So schön wie eine Imbissbude in der
Nacht? Auf einem Dach mit weitem Blick über die Stadt? Bücher mit Goldrand
legt Michaela dort aus, in jedem steht ein Name. Es sind die Auftragsbücher
für die Boten des Todes. Surreal ist diese Eingangsszene in „Sophia, der
Tod und ich“. Surreal und von einem heruntergedimmten Pathos, das
symbolisch aufgeladene Bilder mit vertrauten Situationen verflicht.
Den Tod zu verwalten, ist kein leichtes Geschäft. Doch Erzengel Michael hat
sein Schwert abgelegt und agiert nun in Gestalt von Michaela (Lina
Beckmann) mit der Gelassenheit einer Amtschefin, die schon alles gesehen
hat und die Ruhe nicht verliert.
Das Unglaubliche wie das Alltägliche zu erzählen, und mythische Figuren mit
wenigen Pinselstrichen in glaubwürdige Charaktere zu verwandeln: das
gelingt Charly Hübner, als Schauspieler schon lang bekannt, gut in seinem
ersten Spielfilm als Regisseur. Wüsste man nicht, dass „Sophia, der Tod und
ich“ die Verfilmung eines Romans von Thees Uhlmann ist, könnte man glauben,
die Rollen seien eigens für diese Schauspieler entwickelt, von denen die
meisten, wie Hübner, von der Bühne kommen.
## Der Tod in seinem Element
Marc Hosemann, der immer ein bisschen neben der Spur wirkt und wie
erstaunt, über die Sätze, die er sagen muss, ist als Tod in seinem Element.
Ein Tod, der sich vom mitleidlosen Funktionär in einen mitfühlenden Freund
verwandelt. Auch dank seines ersten Alkoholrausches unter den Sterblichen.
Dimitrij Schad spielt Reiner, den jungen Mann, den der Tod abholen soll,
mit leicht verpeilter Liebenswürdigkeit. Er ist einer, der mit
sympathischer Unentschlossenheit durch sein Leben und seine Beziehungen
gurkt und was ihm wichtig ist, erst merkt, als es zu spät ist. Die
Begegnung mit dem Tod wird für Reiner zum Beschleuniger der Erkenntnis.
Schon der Roman von Thees Uhlmann erzählt dies als Roadtrip, Reiners
Ex-Freundin Sophia (Anna Maria Mühe) schnappt ihn zunächst dem Tod weg und
bringt ihn zu seiner Mutter (Johanna Gastdorf). Der Tod, der noch immer
einen Auftrag zu erledigen hat, reist mit, muss sich als Freund tarnen,
trinkt das erste Mal Alkohol, betrunken schlägt das Trio bei der Mutter
auf. Bald jagt ein konkurrierender Todesbote alle vier.
In einigen Szenen spürt man die Lust am Genrekino. Das Duell der beiden
Todesboten im Garten der Mutter zum Beispiel lässt in seiner stilistischen
Verfremdung Gedanken an [1][Tarantino-Filme] aufblitzen; aber dann ist es
immer auch ein Unterlaufen der großen Action und der Special Effects. Mit
dem Stampfen der Flamencotänzer treten die Kontrahenten gegeneinander an.
## Ironische Abwehr statt Gefühle
[2][Charly Hübner spielte lange den Rostocker Kommissar Buckow in der Reihe
„Polizeiruf 110]“. Ein Mann, für den es schwieriger war, sich über seine
Gefühle klar zu werden, als einen Mafiaring auszuhebeln. Diese Furcht vor
dem Sentiment, die schnelle ironische Abwehr, die hat er auch den
Protagonisten seines Films in die Knochen gepackt. Damit machen sie es sich
selber schwer. Nur Sophia scheint klug genug, das zu durchschauen.
Der Film lebt auch von der Schlagkräftigkeit der Dialoge, die, weil
allegorische Figuren mitspielen, oft eine Doppeldeutigkeit haben, die den
Sprechenden zwar nicht, dem Zuschauenden aber wohl bewusst ist. Man hat ihn
ja längst akzeptiert, den personalisierten Auftritt des Todes und ist damit
den noch im Wust der Verwirrung gefangenen Personen einen Schritt voraus.
Das lässt die Komödie gut funktionieren.
Eigentlich hätte man es die ganze Zeit wissen können und merkt es doch erst
am Ende: Dass es in dieser mit scheinbar leichter Hand erzählten Geschichte
um Abschied und Versöhnung, um das Aushalten von Verlust und Schmerz geht.
Es ist ein Märchen vom Aufschub, dass sich am Ende das Wichtigste doch noch
erledigen lässt.
8 Sep 2023
## LINKS
[1] /Tarantino-Film-als-Buch/!5780758
[2] /Polizeiruf-110-aus-Rostock/!5941464
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Spielfilm
Charly Hübner
Tod
Leben
Romanverfilmung
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Polizeiruf 110
Polizeiruf 110
TV-Serien
Feine Sahne Fischfilet
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