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# taz.de -- Polnisches Spielfilmdebüt „Elefant“: Romeo und Romeo auf dem D…
> „Elefant“ ist Kamil Krawczyckis erster Spielfilm. Er erzählt eine
> heimliche Liebesgeschichte mit der Hohen Tatra im Hintergrund.
Bild: In „Elefant“ tasten sich Dawid (Pawel Tomaszewski, l.) und Bartek (Ja…
Er lebt dort, wo andere Urlaub machen, der junge Bartek, den wir in der
Eingangsszene vor der malerischen Kulisse der polnischen Tatra durch die
Landschaft reiten sehen. Dieser Film sei die polnische Antwort auf
[1][„Brokeback Mountain“], erklärt der Verleih auf seinem Plakat.
Na ja, mag sein, aber mehr noch als an Cowboys lässt diese ausgedehnte
Pferdeszene an die galoppierende Libuše Šafránková aus „Drei Haselnüsse …
Aschenbrödel“ denken: Die wehenden Haare vor hügeliger Landschaft, die
bewegte Kamera, die arpeggierte Begleitmusik umschreiben ein Gefühl von
Freiheit und weisen zugleich auf deren sonstige Abwesenheit hin.
Tatsächlich ist Bartek (Jan Hrynkiewicz) nur dann wirklich frei, wenn er zu
Pferde durch die Natur streift; denn ganz ähnlich wie Aschenbrödel ist er
gefangen in einer familiären Zwangssituation. Der Vater hat sich vor langer
Zeit abgesetzt, die Schwester ist nach Norwegen ausgewandert, und so bleibt
allein Bartek übrig, sich um den ererbten Hof zu kümmern – und um die
Mutter (Ewa Skibińska), die immer mehr in einen depressiven Grundzustand
versinkt, zu viel trinkt und oft vor dem Fernseher einschläft.
Die Pferde sind sein Trost und seine Hoffnung, doch bisher kosten sie bloß
Geld, statt welches einzubringen. Schon spricht die Mutter davon, sie
verkaufen zu müssen.
## Traditionelle Einstellungen und gleichgeschlechtliche Liebe
Dann stirbt ein Nachbar, und dessen Sohn Dawid (Paweł Tomaszewski), der
sich fünfzehn Jahre nicht im Ort hat blicken lassen, reist an. Bartek ist
fasziniert von dem Fremden aus der Stadt, doch der gibt sich zunächst wenig
zugänglich und scheint eher für sich bleiben zu wollen. Nach und nach
entwickelt sich zwischen den ungleichen Männern jedoch eine Freundschaft,
aus der bald mehr wird. Natürlich bleibt das im Dorf nicht unbemerkt.
Regisseur Kamil Krawczycki dramatisiert die entstehende Situation nicht
ungebührlich klischeehaft, zeigt aber in mehreren Szenen, dass die
traditionellen Einstellungen der Mehrheit der Dorfbevölkerung sich mit dem
Konzept gleichgeschlechtlicher Liebe noch keineswegs vertragen. Es sind
ausschließlich Männer (nicht: die Männer, sondern ein paar), die in dieser
Hinsicht auffällig werden, darunter auch der Wirt der örtlichen Kneipe, bei
dem Bartek zuvor gearbeitet hat.
Nun verliert er von einem Tag auf den anderen seinen Job, und es darf wohl
darüber spekuliert werden, ob das damit zusammenhängt, dass der Wirt einen
Sohn hat, mit dem Bartek sich früher immer ziemlich gut verstanden hat.
Auch Barteks Mutter kämpft zunächst verzweifelt gegen die Liebesbeziehung
ihres Sohnes an, aber vor allem deswegen, weil sie Angst um ihn hat – und
davor, dass er sie allein lassen könnte.
Dass dieser Film sich ausdrücklich auf die [2][Situation von LGBTQ-Menschen
im ländlichen Polen] bezieht, belegt eine Szene, in der Bartek abends müde
von der Arbeit auf dem Sofa hängt. Aus dem Fernseher tönt dazu eine
Nachrichtensprecherinnenstimme, die erklärt, man werde die
LGBTQ-Gesetzgebung demnächst wieder verschärfen. Zur Begründung heißt es,
das entspreche dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung.
## Ein wenig Hoffnung geben
Für Schwule und Lesben sei es ziemlich schwer, in jener ländlichen Gegend
im Süden Polens zu leben, aus der er selbst auch stamme, erklärt Regisseur
Kamil Krawczycki im Presseheft. Mit dieser Geschichte wolle er ihnen ein
wenig Hoffnung geben, „denn Hoffnung können wir in Polen gerade sehr gut
gebrauchen“.
Dieser regionale Aktualitätsbezug macht aber nur einen Aspekt des Films
aus. Vor allem ist er ein sensibles, ruhiges Kammerspiel, das in der
Schönheit seiner Bilder nicht unnötig schwelgt, seine ProtagonistInnen
nicht unnötig auserklärt und die Dialoge nicht mit Text überfrachtet.
Zwischen den wunderbaren DarstellerInnen schwingt sehr viel
Unausgesprochenes mit, das man sich zum Drehbuch hinzudenken kann oder auch
nicht.
Ganz wie im richtigen Leben ist vieles Sache der Interpretation und eines
gewissen Muts zum Risiko. Ob die Entscheidung, die Bartek am Ende trifft,
die richtige ist oder nicht, kann niemand wissen, auch er selbst nicht.
Aber so ist es eben.
24 Aug 2023
## LINKS
[1] /Zum-Tod-von-Schauspieler-Heath-Ledger/!5187949
[2] /Verfahren-wegen-Diskriminierung/!5781486
## AUTOREN
Katharina Granzin
## TAGS
Schwerpunkt LGBTQIA
Spielfilmdebüt
Spielfilm
Polen
Land
Schwul
Spielfilm
Spielfilm
Film
Spielfilm
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