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# taz.de -- Frankreich in der politischen Krise: Keine Streikmüdigkeit zu sehen
> Obwohl zwei Misstrauensvoten gegen die Regierung Borne gescheitert sind,
> weitet sich der Widerstand gegen die Rentenreform weiter aus.
Bild: Demonstrant*innen Montagabend in Marseille nach Ablehnung der Misstrauens…
Paris taz | Beim wichtigsten französischen Ölhafen Fos-sur-Mer bei
Marseille haben Gewerkschafter am Dienstag die Zufahrten der
Treibstoffdepots und der Raffinerie blockiert. Sie protestieren damit gegen
die von den Behörden angeordnete Zwangsverpflichtung von Streikenden.
Rasch stieg die Spannung, als die Polizei versuchte, Demonstrierende mit
Tränengas gewaltsam zu vertreiben. In Marseille rief
Ex-Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon von der linken La France
insoumise seine Anhänger auf, die Streikenden von Fos-sur-Mer gegen die
„illegalen“ Zwangsverpflichtungen zu unterstützen.
Der Widerstand gegen die unpopuläre Rentenreform weitet sich zu einer
politischen und sozialen Krise aus. Seit Tagen gibt es in zahlreichen
Städten jeden Abend Proteste. Trotz eines Verbots an verschiedenen Orten
haben auch am Montagabend wieder Tausende demonstriert. Die Polizei wird
beschuldigt, in mehreren Städten ohne Vorwarnung Tränengasgranaten auf
Demonstrierende geschossen zu haben.
In Paris waren es vor allem sehr junge Leute, die sich in Kleingruppen sehr
schnell durch die Straßen bewegten und dabei Müllhaufen anzündeten. Die
Polizei hatte Mühe, die sehr beweglichen Gruppen zu kanalisieren oder
aufzulösen.
Trotz Tränengas und Polizeiangriffen gelang es den Demonstrierenden, sich
im Stadtzentrum zu treffen, zuerst bei der Opera Garnier und später auf dem
Bastille-Platz. Mehr als 250 Personen wurden festgenommen.
Es geht den Demonstrierenden längst nicht mehr nur um die verhasste
Rentenreform, sondern auch um die Legitimität der Staatsführung. Bei den
Kundgebungen werden Rufe nach „Demission“ von Premierministerin Elisabeth
Borne und Präsident Emmanuel Macron laut.
Da am Montag die [1][zwei Misstrauensanträge] jeweils eine Mehrheit
verfehlten, ist der Versuch der Opposition, die Regierung Borne auf diesem
Weg zu stürzen und zugleich die Rentenreform zu kippen, gescheitert.
Offiziell kann die Staatsführung nun ihre Vorlage als angenommen
betrachten, obwohl die Abgeordneten der Nationalversammlung nicht darüber
abstimmen durften. Aus Sicht der Regierung ist damit die Diskussion zu
Ende. Die Rentenreform soll trotz massiver Ablehnung und Proteste in Kraft
treten.
Um Tempo zu machen, hat Borne angekündigt, dass sie „so rasch wie möglich“
die neuen, von ihr durchgeboxten Regeln für den Bezug der Altersrenten dem
Verfassungsrat zur Begutachtung vorlegen wolle. Sie will damit den
Oppositionsparteien zuvorkommen, die Verfassungsklagen gegen Inhalt und
Form der Reform wie gegen das Vorgehen der Regierung angekündigt haben.
Mehrere Juristen erwarten, dass die Verfassungsrichter zumindest einen Teil
der neuen Bestimmungen für verfassungswidrig erklären könnten.
Die linke Opposition unterstützt den Widerstand auf der Straße, will aber
als Antwort auf die ohne Votum der gewählten Volksvertretung beschlossenen
Rentenpolitik eine Volksabstimmung organisieren. Das wäre in Frankreich
theoretisch möglich, wenn mindestens ein Zehntel der Abgeordneten zustimmen
und mindestens ein Zehntel der Wahlberechtigten dies mit ihrer Unterschrift
wünschen.
Das bedeutet, dass in wenigen Wochen fast 5 Millionen Unterschriften
gesammelt werden müssen. Das hört sich mühsam an und erklärt, warum bisher
so noch nie die Bevölkerung konsultiert wurde.
21 Mar 2023
## LINKS
[1] /Nach-dem-Misstrauensvotum-in-Frankreich/!5922836
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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