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# taz.de -- EU-Gesetz zu kritischen Rohstoffen: Besser gewappnet sein
> Die EU-Kommission stellt ein neues Gesetz über kritische Rohstoffe vor.
> Ziel ist es, Krisen vorzubeugen sowie nachhaltiger zu wirtschaften.
Bild: Bei Europas erster Strategie für kritische Rohstoffe geht es auch um Sic…
Wir alle in der Europäischen Union haben eine Vorstellung von Öl- und
Gaskrisen. Die Älteren erinnern sich an die Ölkrise 1973, als arabische
Länder ihre Öllieferungen einstellten. Die Jüngeren erleben gerade, wie
Russland im Zuge des Angriffskrieges gegen die Ukraine Gas als Waffe
einsetzt. Aber wer von uns hat je an eine Nickel-, Lithium- oder
Kobalt-Krise als möglichen historischen Einschnitt gedacht? [1][Was wäre,
wenn uns China oder einige afrikanische Länder diese Metalle nicht länger
lieferten]? Spannen wir dann wieder Rettungsschirme und fragen uns, wie wir
so naiv in sichtbare Abhängigkeiten geraten konnten?
Damit solche Krisen erst gar nicht entstehen, muss Europa für die Zukunft
besser gewappnet sein. Darum ist es richtig, dass die EU-Kommission in
Person von Binnenmarktkommissar Thierry Breton jetzt sein neues Vorhaben
vorstellte: ein europäisches Gesetz über kritische Rohstoffe. Es soll uns
helfen, über ausreichend kritische Rohstoffe wie Nickel, Lithium, Kobalt
oder seltene Erden zu verfügen, damit nie ein europäisches Windrad oder
eine europäische Solaranlage aus Rohstoffmangel keinen Strom liefert.
Noch kennen wir es nicht anders. Mangel an diesen kritischen Metallen, die
wir meist in weiterverarbeiteter Form aus China beziehen, gab es bisher
nicht. Das ist allerdings auch der Grund, warum wir in Europa nicht auf
eine Rohstoffkrise vorbereitet sind.
Das neue europäische Gesetz markiert deshalb einen echten Neustart. Zum
ersten Mal gibt sich Europa eine gemeinsame Strategie für kritische
Rohstoffe. Es geht hier um elementarste Vorkehrungen für die eigene
Sicherheit und den Klimaschutz.
## Rohstoffe gebraucht für Solar- und Windenergie
Gerade [2][für den Ausbau von Sonnen- und Windenergie als vorherrschende
Energieträger] ebenso wie für die Elektromobilität brauchen wir große
Mengen kritischer Rohstoffe. Um sie über Jahre zuverlässig zu beschaffen,
gibt uns der Raw Materials Act die nötigen Regeln. Das neue Gesetz schafft
ein gemeinsames Verständnis für die Bedeutung kritischer Rohstoffen für die
Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaften. Es führt zu einem
gemeinsamen Handeln der europäischen Akteure für sichere und
diversifizierte Lieferketten. Es soll uns auf hohe ökologische und soziale
Standards bei Bergbau und Weiterverarbeitung verpflichten.
Um damit erfolgreich zu sein, muss das Gesetz echte Partnerschaften
zwischen den Ländern des Globalen Südens und der EU ermöglichen. Mit
Investitionen in die Infrastruktur und die weiterverarbeitende Industrie
vor Ort können wir echte Win-win-Situationen schaffen. Dabei sollte das
Gesetz auch im Ausland hohe Umweltstandards und menschenwürdige
Arbeitsplätze sicherstellen.
Europa muss seine strategische und industrielle Unabhängigkeit stärken. Es
muss in der Lage sein, Wertschöpfungsketten für den Abbau und die Nutzung
von Ressourcen innerhalb Europas zu schaffen. Das erfordert eine Reform der
nationalen Gesetze, um kluge Bergbau-Regeln für die Einhaltung unserer
Umweltambitionen umzusetzen und gleichzeitig bei der Rohstoffsouveränität
voranzukommen.
## Auch Recycling ist wichtig
Mehr Unabhängigkeit müssen wir auch durch die [3][Wiederverwendung von
Rohstoffen gewinnen, die bereits im Umlauf sind]. Das Gesetz setzt hier die
richtigen Ziele: 10 Prozent der benötigten kritischen Rohstoffe sollen bis
2030 innerhalb der EU gefördert werden, 15 Prozent recycelt und 40 Prozent
in der EU veredelt werden. Um diese Ziele zu erreichen, muss unser gesamter
europäischer Industrieapparat in die Umgestaltungen einbezogen werden. Nur
dann können wir Rohstoffe direkt in Europa nachhaltig nutzen, verarbeiten
und wiederverwenden.
In der Vergangenheit verfügte bei der Rohstoffbeschaffung jedes europäische
Land über seine eigenen Methoden. In Paris und Rom ließ man alte
Verbindungen spielen, in Berlin vertraute man der Kraft der eigenen
Großunternehmen. Das alles wird nun nicht mehr reichen.
Vor Ort in Ländern wie Simbabwe und dem Kongo haben chinesische
Staatsunternehmen bereits umfangreich investiert und wollen es auch in
Zukunft tun. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, denn auch China investiert
damit in Energiewende und Klimaschutz. Doch wir Europäer müssen hier nicht
nur mit China gleichziehen, sondern es besser machen: Nämlich indem wir die
weiterverarbeitende Industrie, die sich heute oft in China befindet, vor
Ort aufbauen. Nicht umsonst hat Simbabwe gerade den Export von
unverarbeiteten Lithium verboten. Das Land wartet auf die Investoren vor
Ort.
## Die neue Strategie ist auch eine Überlebensstrategie
Doch kein einzelnes europäisches Unternehmen und keine einzelne europäische
Regierung kann die jetzt nötigen Rohstoffprojekte in Afrika und anderswo
allein angehen. Sie erfordern eine enorme Planungssicherheit. Von der
ersten Messung über den Bergbau bis zur Herstellung des ersten
verarbeiteten Metallprodukts vergehen oft viele Jahre, wenn nicht
Jahrzehnte. Zeit, die uns der Klimawandel nicht lässt.
Umso schneller und entschlossener müssen EU-Kommission und die
Mitgliedstaaten auf Basis des neuen Gesetzes nun handeln. Gleichzeitig ist
es unsere Aufgabe als Parlamentarier, dass die neuen ökologischen und
sozialen Regeln für die Gewinnung kritischer Materialien auch wirklich
angewendet werden.
Europas neue Rohstoffstrategie ist eine unumgängliche Überlebensstrategie
in Zeiten des Klimawandels. Für eine gelungene Transformation, für eine
klimaneutrale, wettbewerbsfähige Wirtschaft, [4][für gute und sichere
Arbeitsplätze] kann niemand auf sie verzichten. Bisher konnten wir nicht
auf Öl und Gas verzichten. Daraus müssen wir lernen. Europas neue
Rohstoffpolitik muss transparent, nachhaltig und gerecht sein. Dafür ist
der Raw Materials Act ein erster wichtiger Schritt.
21 Mar 2023
## LINKS
[1] /Abhaengigkeit-von-Rohstoffen/!5885948
[2] /Gefragter-Rohstoff-fuer-die-Energiewende/!5915239
[3] /Kreislaufwirtschaft-kommt-nicht-in-Gang/!5907541
[4] /Diamanten-Industrie-in-Sierra-Leone/!5899319
## AUTOREN
Eleonora Evi
Sandra Detzer
Joris Thijssen
Marie-Pierre Vedrenne
## TAGS
Ressourcen
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Transformation
Schwerpunkt Klimawandel
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Seltene Erden
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Westafrika
Robert Habeck
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