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# taz.de -- Rohstoffe für die Transformation: Grönland setzt auf seltene Erden
> Auf der Arktisinsel lagert ein riesiges Vorkommen der begehrten Metalle.
> Bei der aktuellen Nachfrage würde sich auch eine teure Ausbeutung lohnen.
Bild: Seit Jahrzehnten erkunden Firmen die Vorkommen auf Grönland: Hubschraube…
Stockholm taz | Es soll Chinas Monopolstellung brechen und gleichzeitig
blendende Aussichten für Investoren schaffen – das sagt die australische
Minengesellschaft Tanbreez über ihr neues Bergbauprojekt: Sie [1][will
seltene Erden fördern]. Und das in Grönland, wo das Vorhaben die Hoffnung
weckt, die Einnahmen durch den Abbau von Bodenschätzen könnten die noch
fehlende ökonomische Basis für eine Unabhängigkeit von Dänemark liefern.
Mehr als die Hälfte der globalen Reserven an den begehrten Metallen sollen
hier liegen. Das Projekt soll schon 2024 realisiert werden.
Killavaat Alannguat heißt die Gebirgskette mit dem Mineralienvorkommen.
Gelegen ist sie auf dem Gebiet von Kujalleq, der südlichsten Gemeinde
Grönlands. 22 Jahre lang dauern die Untersuchungen bereits, Hunderte von
Bohrlöchern sind entstanden, rund 2.000 Analysen gemacht worden. Nun
[2][will Tanbreez Mining hier 15 Metalle der seltenen Erden gefunden]
haben. „Und dabei haben wir erst etwa 10 Prozent des potenziellen
Erzgebiets untersucht“, schränkte der Tanbreez-Gründer Greg Barnes, der
auch Geologe ist, im Gespräch mit grönländischen Medien ein.
Ähnlich wie die staatliche US Geological Survey schätzt der kanadische
Informationsdienst „Mining Intelligence“ das Vorkommen als [3][aktuell
weltweit größtes Seltene-Erden-Projekt] ein. Die Autoren stellen dabei auch
einen Zusammenhang mit den Motiven des früheren US-Präsidenten Donald Trump
her, der im August 2019 verkündet hatte, Grönland zu „kaufen“. Denn
zeitlich sei dieses Angebot an Kopenhagen kurz nach einem Treffen von
Barnes mit Vertretern der US-Administration erfolgt. Barnes hatte schon
2013 gegenüber der dänischen Tageszeitung Information von dem Vorkommen
geschwärmt, das einen Minenbetrieb ermöglichen würde, „der im Prinzip
10.000 Jahre“ betrieben werden könne.
Vor drei Jahren hatte Tanbreez von der grönländischen Regierung eine
bedingte Genehmigung erhalten, auf einer Fläche von 18 Quadratkilometern am
Killavaat Alannguat „die im Mineral Eudialyt gefundenen Elemente
abzubauen“. Die bis Ende 2022 gesetzte Deadline zur Einreichung weiterer
Unterlagen und zur Stellung von Sicherheitsleistungen hatte Tanbreez nicht
einhalten können, deshalb ist die Frist bis Ende 2023 verlängert worden. Im
Mai nun hatte Tanbreez-Vorstandschef Christopher Messina die Hoffnung
geäußert, das Fehlende im Laufe des Sommers nachliefern zu können,
gleichzeitig aber auch auf noch offene Finanzierungsfragen verwiesen. Es
gebe noch „Unsicherheiten, die der Finanzmarkt nicht mag“, sagte er.
## Überraschend wenig Kritik
Anders als bei einem weiteren Minenprojekt, [4][dem ebenfalls von einer
australischem Gesellschaft betriebenem Kuannersuit-Vorkommen], gab es weder
von der grönländischen Politik noch innerhalb der Bevölkerung große
Bedenken gegenüber den Tanbreez-Plänen. Dabei liegen beide
Mineralienvorkommen in ein und derselben geologischen Formation nur 16
Kilometer auseinander und nur durch einen Fjord getrennt. Aber in
Kuannersuit war nicht nur der Abbau von seltenen Erden, sondern auch von
Uran geplant. Das Killavaat-Alannguat-Vorkommen gilt als „uranfrei“.
Dabei scheint das gar nicht so eindeutig zu sein. Zum einen ist Eudialyt
selbst leicht radioaktiv. Zum anderen hatte Tanbreez 2015 mitgeteilt, dass
man im lizenzierten Untersuchungsgebiet auch Uran gefunden habe, und damals
bereits Interesse signalisiert, es ebenfalls abzubauen.
## Knackpunkt Uran
Für Umweltorganisationen wie die grönländische Anti-Atom-NGO Urani Naamik
und Dänemarks Noah – Friends of the Earth ist das genug Grund für Zweifel.
Gibt es wirklich keine Absicht, irgendwann doch Uran zu gewinnen? Und würde
der geplante Eudialyt-Tagebau nicht mit möglichen Gesundheitsgefahren durch
das Freiwerden radioaktiv belasteter Partikel verbunden sein? Man
kritisiert eine insgesamt mangelhafte Faktengrundlage: Die Anhörungen, die
der im Jahr 2020 erteilten Genehmigung zugrunde liegen, hätten bereits 2013
stattgefunden. Neue Entwicklungen und Erkenntnisse seien also nicht
berücksichtigt.
„Sowohl Tanbreez als auch die Behörden bezeichnen die Mineralienvorkommen
in Killavaat Alannguat als riesig, wenn sie das Projekt an internationale
Investoren vermarkten“, kritisiert Mariane Paviasen von Urani Naamik. „Aber
bei der Bewertung der Umweltauswirkungen werden sie als viel kleiner
eingestuft.“ Auch fehle eine wirkliche Folgenanalyse, obwohl das geplante
Abbaugebiet nahe der Unesco-Weltkulturerbestätte Kujataa liege. Und obwohl
gerade die arktische Natur besonders anfällig ist, jede Umweltzerstörung
dauerhaft sei und eine einmal eingeleitete Entwicklung nicht mehr
rückgängig gemacht werden könne.
In Kujalleq mit seinen 6.300 EinwohnerInnen hofft man dagegen auf die
versprochenen 80 Arbeitsplätze, die die Bürgermeisterin auf der Webseite
der Gemeinde schon 2020 als „nahe bevorstehend“ ankündigte. Wobei der
eigentliche Knackpunkt des ganzen Tanbreez-Projekts die Weiterverarbeitung
des Eudialyts sein dürfte, das vor Ort offenbar nur abgebaut, zerkleinert
und verschifft werden soll. Die seltenen Erden müssen in einem aufwendigen
Verfahren aus dem Eudialyt herausgelöst und separiert werden. Das können
bislang nur Anlagen in Russland und China. Laut Barnes ist nun auch in den
USA eine Fabrik geplant.
## Großer Investitionsbedarf
Das Problem nahezu aller hochfliegenden grönländischen Bergbauprojekte war
bislang, dass der Abbau von Bodenschätzen aufgrund der geografischen,
klimatischen und logistischen Bedingungen auf der Arktisinsel wesentlich
teurer ist als für Vorkommen in anderen Regionen. Nachdem zum Jahresbeginn
nach sechsjährigem Betrieb die Rubin-Mine Aappaluttoq schließen musste, sei
in Grönland derzeit kein einziges bedeutendes Mineralunternehmen mehr in
Betrieb, zog die Zeitung Sermitsiaq in der vergangenen Woche Bilanz.
Ein Grubenbetrieb ist also nur bei günstiger Konjunktur lohnend – oder weil
aus politischen Gründen oder solchen der Versorgungssicherheit die Kosten
als zweitrangig angesehen werden. Das ist aktuell bei seltenen Erden der
Fall, die für die Verkehrs- wie für die Energiewende essenziell sind.
Gleichzeitig gibt es auch noch die politische Ebene, wächst unter vielen
PolitikerInnen die Ungeduld, endlich der angestrebten Selbstständigkeit
Grönlands einen entscheidenden Schritt näher zu kommen. Deshalb erscheint
es nicht ausgeschlossen, dass [5][sogar das vor zwei Jahren beschlossene
gesetzliche Verbot, auch Uranvorkommen zu suchen und auszubeuten], wieder
aufgeweicht werden könnte.
Tatsächlich beschloss die sozialdemokratische Regierungspartei Siumut auf
ihrem Parteitag am Wochenende eine Änderung ihres Parteiprogramms: Die
Gewinnung von Rohstoffen soll auch dann möglich sein, wenn als Beiprodukt
dabei Uran gefördert werde. Einschränkung: Es dürfe keine gesundheitlichen
Gefahren für die lokale Bevölkerung geben. Zum Programm der
Regierungskoalition aus der sozialistischen Inuit Ataqatigiit und Siumut
steht das im Widerspruch.
Grönland und Dänemark drohen im Übrigen auch hohe Schadenersatzforderungen,
falls die Grubengesellschaft Energy Transition Minerals mit einem
[6][Schiedsgerichtsverfahren] in Kopenhagen Erfolg haben sollte. Ihr war
mit dem im November 2021 beschlossenem Uranverbot die Weiterführung des
Kuannersuit-Projekts unmöglich gemacht worden. Vor zwei Wochen legte der
Konzern gegen die Regierungen in Nuuk und Kopenhagen Klage ein. Man
beziffert den erlittenen Schaden auf „vorläufig“ 11,5 Milliarden US-Dollar.
Was das Unternehmen vermutlich mit diesem Verfahren erreichen will: doch
noch eine Abbaugenehmigung zu bekommen.
2 Aug 2023
## LINKS
[1] /Exportbeschraenkungen-fuer-Rohstoffe/!5945746
[2] https://tanbreez.com/project/mineral-resource-composition/
[3] https://www.miningintelligence.com/ranked-worlds-top-10-rare-earth-projects/
[4] /Parlamentswahl-in-Groenland/!5759168
[5] /Groenlands-Regierung-verbietet-Uransuche/!5812335
[6] /Private-Schiedsgerichte-vor-Gericht/!5932058
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Seltene Erden
Grönland
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Tiefseebergbau
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