# taz.de -- Kai Wegner und Franziska Giffey: Ist er wirklich der Chef? | |
> Nach der SPD-Spitze will auch die CDU grünes Licht für Schwarz-Rot in | |
> Berlin geben. Sie hat der SPD erstaunlich viel Zugeständnisse gemacht. | |
Bild: Die Regierende Senatorin von Berlin? | |
BERLIN taz | Schwarz-Rot scheint fest verabredet, Kai Wegner auf dem Weg | |
ins Rote Rathaus, als erster Berliner CDU-Regierungschef seit 2001. Doch | |
worauf würde diese Koalition bauen, die beide Parteien in diesem Frühling | |
mutmaßlich festzurren werden? „Mutmaßlich“, denn es wären nicht die erst… | |
Koalitionsgespräche in Berlin, die scheitern: 2001 platzte eine angestrebte | |
Ampel, 2011 zerlegten sich SPD und Grüne schon beim ersten Treffen, wodurch | |
unverhofft die CDU nachrücken konnte. | |
Die SPD-Verhandler haben in einem Bericht an ihre Parteigremien | |
festgehalten, warum sie auf die Christdemokraten als Partner setzen. Die | |
taz hat sich angeschaut, wer da jeweils Zugeständnisse machen musste. | |
Die Sondierungen hätten zu der Überzeugung geführt, „dass die wesentlichen | |
Positionen der SPD sich bei der Kompromissfindung wider spiegeln“, heißt es | |
in dem Papier der Sozialdemokraten über die Gespräche mit der CDU. Man habe | |
„in allen Bereichen große Schnittmengen“ festgestellt. Die finden sich in | |
neun klassisch von Wohnungsbau bis Arbeit und Soziales überschriebenen | |
Punkten. | |
Im Wohnungsbau setzen CDU und SPD auf landeseigene Gesellschaften wie auch | |
private Akteure – im rot-grün-roten Bündnis hatte Regierungschefin Giffey | |
sich schon dafür rechtfertigen müssen, mit privaten Investoren überhaupt zu | |
reden. Die Mietpreisbremse soll verschärft werden. Was nach einem Problem | |
für die CDU klingen könnte, sollte spätestens nach Kai Wegners Umschwenken | |
zu mehr Mieterschutz im Herbst 2022 keins mehr sein. | |
## Was ist mit dem Volksentscheid? | |
Eher unklar bleibt, wie Schwarz-Rot mit dem Resultat des | |
[1][Enteignungs-Volksentscheids] weitermacht, für den 2021 fast 60 Prozent | |
der Abstimmenden votiert haben. Zwar betonte Giffey nach der Sitzung des | |
SPD-Landesvorstands: „Es ist auch mit der CDU ganz klar: Wir müssen mit dem | |
Entscheid umgehen.“ Allerdings lehnte sie pauschale Schritte ab. | |
Das ist als Absage an die im Entscheid vorgegeben Grenze von 3.000 | |
Wohnungen zu werten, ab denen laut Volksentscheid enteignet werden sollte. | |
Stattdessen ist eine derartige Sanktion dem Vernehmen nach nur für entweder | |
unsozials oder nicht nachhaltig handelnde Vermieter zu erwarten, egal, wie | |
viele Wohnungen sie besitzen. Dazu sind genaue Kriterien im Gespräch. Die | |
Basis dafür soll ein „Vergesellschaftungsrahmengesetz“ sein, falls die | |
derzeit Enteignung prüfende Expertenkommission dafür grünes Licht gibt. | |
Im Bereich Bildung hat die SPD Gedankenspiele der CDU von vor der Wahl | |
ersticken können, Besserverdienende wie in früheren Jahrzehnten wieder | |
Kita-Gebühren zahlen zu lassen: „Die Gebührenfreiheit von der Kita bis zur | |
Hochschule bleibt erhalten“, heißt es in dem resümierenden Papier. | |
Auch unter der Überschrift „Stadt der Vielfalt“ hat sich die SPD merklich | |
durchgesetzt: Das von der CDU vor der Wahl viel kritisierte | |
[2][Landesantidiskriminisierungsgesetz] soll erhalten und ausdrücklich | |
„weiter umgesetzt werden“. Gleiches gilt für das Wahlrecht schon mit 16 | |
Jahren: Auch hier hatte die CDU zuvor abgelehnt, nun soll die Verfassung | |
geändert werden. Dazu ist zwar eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Doch Grüne | |
und Linkspartei, künftig oppositionell, haben sich 2022 bereits eindeutig | |
zu einem abgesenkten Wahlalter bekannt. | |
## Mindestlohn soll höher werden | |
Auch unter schwarz-roter Regierung soll es mit dem Rückkauf von Unternehmen | |
der Daseinsvorsorge weiter gehen. Erwähnt werden das Fernwärmenetz und | |
Anteile der Gasag, was bereits Rot-Grün-Rot so verabredet hatten. | |
SPD-Handschrift findet sich auch im Abschnitt Arbeit und Soziales: Landes- | |
und Vergabemindestlohn sollen nicht nur erhalten, sondern auch erhöht | |
werden. | |
Beim Thema Verwaltungsreform musste keine der beiden Parteien zurück | |
stecken: Beide hatten sich zuvor schon klar darauf festgelegt, neu zu | |
ordnen, wann der Senat mit seinen Verwaltungen und wann die Bezirke | |
zuständig sein sollen. Bis 2026 soll die Reform abgeschlossen sein. | |
Bei der inneren Sicherheit kommen mit CDU und SPD zwei Partner zusammen, | |
die eindeutig hinter der Polizei stehen. Grüne und Linkspartei hingegen | |
hatten teilweise den Eindruck erweckt, in der Polizei den Gegner und keinen | |
„Freund und Helfer“ zu sehen. | |
„Wir stehen mit beiden Parteien in Kontakt und steuern unsere Expertise zum | |
Koalitionsvertrag gern bei“, sagte Benjamin Jendro, Sprecher der | |
Gewerkschaft der Polizei (GdP) am Donnerstag der taz. An oberster Stelle | |
stehen für die GdP ein neues Rettungsdienstgesetz und bessere | |
Arbeitsbedingungen von Polizei und Feuerwehr. Neben einer besseren | |
Ausstattung und flexibleren Arbeitszeiten sei eine Angleichung der | |
Besoldung auf Bundesniveau erforderlich. | |
Die GdP erwartet zudem die Einführung von stationärer Videoüberwachung in | |
stark frequentierten öffentlichen Räumen sowie den flächendeckenden Einsatz | |
von Kameras an der Uniform, so genannte Bodycams. Die müssten auch in | |
Wohnungen eingesetzt werden dürfen. Offenbar wird der 2015 unter | |
Rot-Schwarz auf vier Tage ausgeweitete, 2021 von Rot-Rot-Grün wieder auf | |
zwei Tage reduzierte Unterbindungsgewahrsam wieder verlängert. Das soll | |
nicht bayerische Verhältnisse – bis zwei Monate – erreichen, aber laut | |
Jendro „vielleicht eine Woche“. | |
Am wenigsten konkret wirken die Sondierungsergebnisse beim Thema Verkehr. | |
Auffälligste Aussage darin ist: „Stärker als bisher“ werde der Ausgleich | |
zwischen den unterschiedlichen Verkehrsteilnehmern gesucht. Wer will, kann | |
das als Klatsche an die bislang im Senat für dieses Thema verantwortlichen | |
Grünen verstehen, die den Autoverkehr zurückdrängen und die Zahl der | |
Parkplätze halbieren wollten. | |
Über das 29-Euro-Ticket, das bisher nur bis Ende April finanziert ist – | |
danach startet das bundesweite 49-Euro-Ticket – heißt es, es gebe ein | |
klares Bekenntnis dafür, es fortzuführen. U- und S-Bahn-Ausbau betrachtet | |
Schwarz-Rot anders als Rot-Grün-Rot auf gleicher Höhe wie den Ausbau des | |
Tram-Verkehrs. | |
2 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://dwenteignen.de/ | |
[2] https://www.berlin.de/sen/lads/recht/ladg/ | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
Bert Schulz | |
Plutonia Plarre | |
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