# taz.de -- Suche nach Koalitionen: Nachwahlchaos in Berlin | |
> Noch während die CDU mit den Grünen sondiert, dringt durch, dass | |
> SPD-Chefin Giffey ihrer Partei angeblich Schwarz-Rot vorschlagen will. | |
Bild: Giffey will offenbar lieber mit der CDU koalieren, als weiter Regierende … | |
Berlin taz | Die an [1][spannungsreichen Momenten] schon bisher nicht arme | |
Abgeordnetenhauswahl samt Nachklapp hat ein weiteres Drama erlebt. Noch | |
während am Dienstagabend CDU und Grüne zu ihrem dritten und letzten | |
Sondierungsgespräch zusammensitzen, berichten mehrere Zeitungen | |
übereinstimmend: Die SPD-Landesvorsitzende und Noch-Regierungschefin | |
Franziska Giffey wolle, statt das bisherige rot-grün-rote Bündnis | |
fortzuführen, ihrer Partei eine schwarz-rote Koalition vorschlagen. | |
Die Entscheidung darüber fällt aber erst am Mittwoch: Der | |
SPD-Landesvorstand tagt dazu ab dem späten Nachmittag. Unmittelbar nach den | |
ersten Meldungen über Giffeys CDU-Avancen hatte unterdessen die | |
Landesspitze der Linkspartei sich [2][für Koalitionsverhandlungen mit SPD | |
und Grünen ausgesprochen]. | |
Kurz vor 23 Uhr ist es, als CDU-Landeschef Kai Wegner auf dem | |
[3][Euref-Campus unweit des S-Bahnhofs Schöneberg] aus dem Backsteinbau des | |
Cafés tritt, in dem CDU und Grünen seit 14 Uhr beraten haben. „Sehr, sehr | |
gute Gespräche“ seien das gewesen, sagt Wegner, „in sehr angenehmer | |
Atmosphäre, auch gerade menschlich.“ | |
Ja, sagt Wegner auf eine Nachfrage eines Journalisten, man habe die | |
Meldungen von den angeblichen Giffey-Avancen wahrgenommen. „Aber wir haben | |
uns voll und ganz auf unser Programm fokussiert.“ | |
Nun ist offenbar genau die Situation entstanden, die Wegner sich in den | |
Wochen vor der Wahl erhofft hatte, als die CDU in Umfragen immer deutlicher | |
in Führung ging: dass es wegen fehlender Prozente oder fehlender | |
Übereinstimmung nicht wieder zu Rot-Grün-Rot kommt; dass sich die SPD ihm | |
als Juniorpartner anbietet und er zumindest hoffen kann, dass die Grünen | |
nachziehen. Näher war Wegner dem, was er gegenüber der taz als „meine | |
Traumkoalition“ bezeichnet hatte, sprich ein schwarz-grünes Bündnis, noch | |
nie. | |
„Wir haben dicke Brocken geschafft und Lösungen gefunden“, sagt Wegner vor | |
den Journalisten, die von einem weit früheren Ende des Gesprächs | |
ausgegangen waren. Das Thema Wohnungsbau hatte angestanden, auch um innere | |
Sicherheit sollte es gehen. Ähnlich ist die Wortwahl bei | |
Grünen-Verhandlungsführerin Bettina Jarasch: „Wir haben die ganz großen | |
Brocken tatsächlich lösen können.“ | |
## Auch Lösungen bei A100 und Enteignung | |
Das waren nach ihrer Darstellung unter anderem der Weiterbau der | |
Stadtautobahn A100 und die Frage, wie mit dem Volksentscheid zur Enteignung | |
großer Wohnungseigentümer umzugehen ist. Details bleiben an diesem späten | |
Dienstagabend offen. | |
Laut Wegner wird sich der CDU-Landesvorstand am Donnerstag mit der Frage | |
beschäftigen, mit wem seine Partei Koalitionsgespräche führen will. Auf die | |
kolportiere Absicht Giffeys, ihrer Partei eine schwarz-rote Koalition | |
vorzuschlagen, gehen weder Wegner noch Jarasch näher ein. | |
In der Sitzung des SPD-Landesvorstands am Mittwochnachmittag dürften vor | |
allem die Vertreter des Parteinachwuchses Giffeys Vorschlag zurückweisen. | |
„Die Berliner Sozialdemokratie darf sich nicht dazu verzwergen, als | |
Steigbügelhalter für konservative Politik herzuhalten“, hat | |
Juso-Landeschefin Sinem Taşan-Funke noch zu Wochenbeginn dem Tagesspiegel | |
gesagt. Eine Koalition mit der CDU bleibe für die Jusos das falsche | |
Bündnis. Man werde daher „alles daransetzen“, es zu verhindern, weil man | |
befürchte, dass die SPD sich damit für junge Menschen unwählbar mache. | |
Der [4][SPD-Landesvorstand] gilt aber als fest in der Hand von Giffey und | |
ihrem Co-Vorsitzenden Raed Saleh und wird ihr mutmaßlich folgen. Rückhalt | |
dürfte sie weiterhin haben – andernfalls hätte das Gremium sie schon in | |
seiner Sitzung am Tag nach der Abgeordnetenhauswahl wegen des schlechten | |
SPD-Ergebnisses zum Rücktritt gedrängt. | |
Würde Giffey als Ex-Regierungschefin einem schwarz-roten Senat als | |
Senatorin angehören, wäre das nicht nur für Berlin ein Novum: Mit einer | |
Ausnahme [5][in den 50er Jahren im Saarland] ist der taz kein Fall bekannt, | |
in dem ein vormaliger Ministerpräsident unter seinem Nachfolger Minister | |
war. | |
## Was machen die Grünen nun? | |
Naheliegende Strategie bei jenen Grünen, die an einer Regierungsbeteiligung | |
mit Wegner interessiert sind, könnte sein, Giffeys CDU-Schwenk als | |
Ausbrechen aus dem linken Lager zu brandmarken. Eine schwarz-grüne | |
Koalition, so das mögliche Polit-Narrativ, sei notwendige Konsequenz, um | |
eine Alleinherrschaft zweier – aus grüner Sicht – Autofahrerparteien zu | |
verhindern und gleichzeitig Klimaschutz im Senat auf der Tagesordnung zu | |
halten. Ob diese rationale Betrachtungsweise bei der teils von innerer | |
Abneigung gegenüber der CDU geleiteten Parteibasis allerdings verfangen | |
würde, ist völlig offen. | |
An Schwarz-Grün [6][arbeitet der mögliche Regierende Bürgermeister Wegner] | |
– er wäre der erste CDUler in diese Amt seit 2001 – seit vielen Jahren. | |
Lange beschränkten sich seine Kontakte dabei vorwiegend auf den | |
Realo-Flügel der Partei. Seit einiger Zeit aber hat er auch zu dem früheren | |
Landesvorsitzenden und jetzigen Fraktionschef Werner Graf, Kreuzberger und | |
vom linken Parteiflügel kommend, [7][ein von beiden Seiten als | |
freundschaftlich beschriebenes Verhältnis]. | |
1 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Knapper-Ausgang-der-Abgeordnetenhauswahl/!5912654 | |
[2] https://www.facebook.com/DrKlausLederer/?locale=de_DE | |
[3] https://euref.de/ | |
[4] https://spd.berlin/partei/ | |
[5] https://www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/personen/biogramm-detail/-/con… | |
[6] /Wahlen-in-Berlin/!5911077 | |
[7] /Kai-Wegner-CDU-zur-Wahlwiederholung/!5911539 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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