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# taz.de -- Panzerwrack vor russischer Botschaft: Mahnmal aus 44 Tonnen Schrott
> Zwei Museumsmacher haben ein Panzerwrack vor der russischen Botschaft in
> Berlin abgestellt. Das Ungetüm soll am Angriff auf Kyjiw beteiligt
> gewesen sein.
Bild: Ein russischer T-72-Panzer
Der Turm des Panzers ist braun gerostet. Auf der rechten Seite sind die
Räder, die sonst die schweren Metallketten antreiben, stark verbogen, teils
ganz zerstört. Es sind 44 Tonnen Metallschrott, die da am Freitagmorgen auf
einem Schwerlastanhänger vor der russischen Botschaft abgestellt werden.
Ein russischer T-72-Panzer, der nach Angaben des ukrainischen
Verteidigungsministeriums am Sturm auf Kyjiw beteiligt war und am 31. März
2022 durch eine Panzermine zerstört wurde.
Bis kommenden Montag soll das Wrack zum Protest gegen den brutalen
Angriffskrieg auf die Ukraine vor der russischen Botschaft stehen.
[1][„Todesmaschine“] nennen Enno Lenze und Wieland Giebel ihre Aktion. Die
beiden betreiben das private Museum „Berlin Story Bunker“. In einem alten
Bunker zeigen sie in einer Ausstellung, wie der Nationalsozialismus möglich
war. Gegen viele Widerstände haben sie jetzt den zerstörten Panzer nach
Berlin gebracht.
Am Freitagvormittag stehen sie in neongelben Outdoor-Jacken mit
Museums-Logo auf dem Mittelstreifen des Boulevards Unter den Linden und
erzählen Journalisten und Fernsehteams ihre Geschichte.
## Den Schrott vor die Tür stellen
Lenze war in den ersten Monaten des russischen Angriffskriegs oft in der
Ukraine unterwegs, auch in der Nähe der Front. Er arbeitete teils als
Journalist, engagierte sich bei Hilfslieferungen und schrieb [2][lange
Blogbeiträge] über die Verwüstungen, die er sah.
„In Kyjiw wurden die zerstörten russischen Panzer dann auf Plätzen und
Straßen ausgestellt. Das gab es später auch in Polen und Tschechien“,
erzählt er. „Wir wollten das auch in Berlin machen, den Russen ihren
Schrott vor die eigene Tür stellen.“
Aber so einfach, wie sie es sich vorstellten, war die Umsetzung nicht. Die
Geschichte des Widerstands gegen die geplante Aktion klingt nach einer
Lokalposse des Berliner Verwaltungswesens. Man kann in ihr aber auch so
etwas wie eine allgemeine Metapher für das deutsche Zögern und Zaudern bei
der Unterstützung der Ukraine erkennen.
Mit ihrer Idee wandten sich Lenze und Giebel zunächst an die ukrainische
Botschaft, die sofort zusagte, bei der Beschaffung eines Panzers zu helfen.
Für das Aufstellen im öffentlichen Raum braucht es in Deutschland aber eine
Genehmigung, oder wie es im Verwaltungsdeutsch heißt: „eine
straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis“.
## Außenpolitische Interessen berührt?
Am 28. Juni 2022 beantragten Giebel und Lenze sie beim zuständigen
Bezirksamt Mitte. Das meldete sich erst nicht zurück, lehnte die Erlaubnis
dann Anfang August ab. Dafür nannte es mehrere Gründe: Die Aktion berühre
außenpolitische Interessen der Bundesrepublik, da sei man als Bezirksamt
gar nicht zuständig. Es klang sehr nach: Wir wollen die Russen hier in
Berlin-Mitte lieber nicht provozieren.
Außerdem, so hieß es in einem Gutachten des Fachbereichs Kunst, Kultur und
Geschichte des Bezirksamts, sei das gar keine Kunst und könne deshalb auch
nicht als Kunst im Straßenraum ausgestellt werden. Und das wohl
schwerwiegendste Argument: Man wolle keine Selfie-Touristen auf einem Wrack
rumklettern sehen, in dem mutmaßlich Menschen gestorben seien. Aus
Pietätsgründen könne man das nicht erlauben.
In einem Juristenblog kritisierte der Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht
Patrick Heinemann diese Entscheidung. Das Bezirksamt habe die Aktion nicht
politisch zu bewerten, sondern nur zu prüfen, ob sie mit dem Straßenrecht
in Einklang zu bringen sei. „[3][Kuscht Berlin vor Putin?“], fragte er.
Lenze und Giebel beauftragten ihn, die Entscheidung vor Gericht
anzufechten.
Im Oktober entschied das Verwaltungsgericht Berlin dann: [4][Das Bezirksamt
muss die Aufstellung des Panzerwracks in der Nähe der russischen Botschaft
genehmigen.] Ob es sich um Kunst handele, sei letztendlich unerheblich. Die
Aktion sei eine Meinungsäußerung und als solche klar von der
Meinungsfreiheit gedeckt. Auch Gründe der Pietät und der außenpolitischen
Interessen seien für die Erteilung der Erlaubnis nicht relevant.
## 1.000 Seiten Unterlagen
Der Zwist mit dem Bezirksamt ging dennoch weiter. In dem Zeitraum, für den
Lenze und Giebel die Erlaubnis zum Aufstellen bekamen, hatten sie noch gar
keinen Panzer. Da die Erlaubnis aber auf zwei Wochen befristet war,
fürchteten sie, diese wieder zu verlieren.
Es habe sich da um ein Missverständnis gehandelt, sagt dazu heute die
Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Die Grünen). Auch die
Überlegung, den Panzer einzäunen zu lassen, damit niemand darauf
herumklettere und sich womöglich verletze, verwarf das Amt schließlich
wieder.
„Ich habe mittlerweile 1.000 Seiten Unterlagen für den Panzer“, erzählt
Lenze. Um den Metallschrott einzuführen, musste ihm das
Bundeswirtschaftsministerium auch bestätigen, dass es sich nicht mehr um
ein Kriegsgerät handelte, sondern der Panzer „demilitarisiert“ sei.
In der Ukraine kletterte Lenze auf den Panzer, den das ukrainische
Nationalmuseum für Militärgeschichte zur Verfügung stellte, und führte
Beamten des Wirtschaftsministeriums per Videostream vor, wie kaputt der
T-72 war.
## Panzer zum Anfassen
Trotz der Zerstörung gab es bei der Kanone Bedenken: Kann man damit
vielleicht doch noch schießen? Man einigte sich schließlich darauf, noch
ein paar Löcher hineinzuschweißen, sodass das Rohr zerplatzen würde, wenn
damit geschossen würde. Dann bekam Lenze auch diese Bescheinigung.
Am Freitagvormittag kann man Lenze und Giebel die Genugtuung darüber
anmerken, dass der Panzer nun endlich da ist. Und das Kriegswrack ruft
sofort Reaktionen hervor.
Eine Frau fotografiert, wie sie mit einer Hand ein verbogenes Rad berührt.
Eine ukrainische Jugendgruppe, die gerade in Berlin zu Besuch ist, stellt
sich vor dem Panzer auf und singt die ukrainische Hymne. Und in die breiten
Stahlketten hat jemand eine brennende Friedhofskerze gestellt.
24 Feb 2023
## LINKS
[1] https://www.berlinstory.de/tank/
[2] https://www.berlinstory-news.de/thema/international/ukraine/
[3] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/enno-lenze-berlin-ausstellung-zers…
[4] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/vg-berlin-vg1l30422-panzer-wrack-rus…
## AUTOREN
Jan Pfaff
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