# taz.de -- Protest gegen Geflüchtetenunterkunft: Ausschreitungen vorm Kreistag | |
> Bei einem Protest gegen eine Geflüchtetenunterkunft wollen | |
> Demonstrierende eine Kreistagssitzung stürmen. Darunter Rechtsextreme. | |
Bild: Kundgebung vor dem Kreistag am Donnerstag in Grevesmühlen | |
HAMBURG taz | Als die Lage eskalierte, musste die Polizei aufgebrachte | |
Demonstrierende davon abhalten, zur Sitzung des Nordwestmecklenburger | |
Kreistags vorzudringen. Auf der Dringlichkeitssitzung in der Grevesmühlener | |
Malzfabrik beschloss dieser an jenem Donnerstagabend gerade mit knapper | |
Mehrheit, eine neue Flüchtlingsunterkunft im nahen Upahl einzurichten. | |
Schon früher am Abend hatten sich vor der ehemaligen Fabrik an die 700 | |
Demonstrierende zum Protest gegen die Unterkunft versammelt. Die Personen | |
kamen überwiegend aus dem bürgerlichen Spektrum, erklärt auf taz-Anfrage | |
Jessica Lerke, Pressesprecherin der Polizei. Es seien aber auch Personen | |
aus der rechtsextremen Szene und dem Hooligan-Milieu dabei gewesen. | |
Rony Wolf von der [1][Recherchegruppe Ast] wird da deutlicher: „Aus dem | |
Umfeld der rechtsextremen Szene aus Jamel um [2][Sven Krüger] kamen viele | |
Akteure.“ Der kleine Ort, [3][in dem fast nur Rechtextreme wohnen], ist | |
keine 15 Kilometer von Upahl entfernt. Auf der Demonstration, bei der auch | |
Kinder und Jugendlichen anwesend waren, wurden vor dem Gebäude alt bekannte | |
Parolen gerufen wie: „Wir sind das Volk“. | |
Die Atmosphäre hätte sich schnell aufgeheizt, sagt Wolf. Pyrotechnik wurde | |
gezündet, Polizeibeamt*innen verbal angegangen. Die Demonstrierenden | |
machten mit Trillerpfeifen und Scheibenklopfen lautstarken Lärm. | |
## Container für 400 Menschen | |
Die Situation drohte weiter zu eskalieren, als eine Person sich mit einem | |
Trick Eintritt in das Gebäude verschaffte und dann versuchte, von innen | |
eine Tür für weitere Personen zu öffnen. Krüger hätte diese Aktion mit bis | |
zu 15 Männern forciert, erzählt Wolf. Die Polizei war anfänglich mit 60 | |
Beamt*Innen vor Ort. Erst später konnten rund 120 | |
Polizeibeamt*innen den Protest eindämmen. | |
Ab dem 1. März soll im Industriegebiet von Upahl ein Containerdorf für etwa | |
400 Geflüchtete gebaut werden. Seit dem vergangenen Wochenende hatte sich | |
der Protest gegen die Unterkunft auf einem Gelände der | |
Wirtschaftsförderungsgesellschaft formiert. „Upahl sagt Nein“, verkündet | |
ein Transparent an der Straße der Gemeinde mit rund 1.660 Einwohner*innen. | |
Zuvor war noch ein anderer Ort im Gespräch gewesen: Gägelow. Im Rat der | |
Gemeinde, zu der Jamel gehört, wurde die Idee aber nicht lange verfolgt. | |
Dem Gemeinderat gehört Krüger mit seiner „Wählergemeinschaft Heimat“ an. | |
Über ihre Facebookseite machten die drei Mandatsträger der | |
Wählergemeinschaft massiv Stimmung gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft | |
in der Region. Doch nicht alleine aus diesem Spektrum sei der Protest | |
angeheizt worden, sondern auch aus Kreisen der AfD, sagt Wolf. | |
Im Grevesmühlener Sitzungssaal konnten Anwohnende nun am Donnerstagabend | |
ihre Einwände vortragen. Dem Kreistag, dem auch acht AfD-Mitglieder und ein | |
NPD-Mitglied angehören, lagen zudem mehrere Anträge vor: In einem wurde | |
vorgeschlagen, auf den Bau zu verzichten, in einem anderen, die Kapazität | |
auf 250 Bewohnende zu begrenzen. | |
## Nicht nur AfD und NPD dagegen | |
Nach 20 Uhr stimmte der Kreistag der Unterkunft wie ursprünglich geplant | |
zu. Der Beschluss wurde nur von einer knappen Mehrheit getragen – es | |
dürften also neben AfD und NPD auch andere dagegen gestimmt haben. Nach der | |
Sitzung verkündete Landrat Tino Schomann (CDU) die Entscheidung. Sie sei | |
notwendig geworden, um zu verhindern, dass Sporthallen zur Unterbringung | |
genutzt werden müssten. | |
„Ich verstehe die Sorgen der Anwohner und kann nur versichern, dass wir | |
alles tun werden, um die Belastung für sie so gering wie möglich zu | |
gestalten“, betonte Schomann. Am 3. Februar ist in Grevesmühlen eine | |
Dialogveranstaltung geplant. | |
Die Polizei hat mittlerweile mehrere Ermittlungsverfahren wegen | |
Ordnungswidrigkeiten, Verdachts des schweren Hausfriedensbruchs sowie | |
Verstößen gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet. | |
27 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/AST_Westmeckl?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7C… | |
[2] /Neonazi-Zentrum-wird-verkauft/!5873551 | |
[3] /Festival-Jamel-rockt-den-Foerster/!5874165 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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