# taz.de -- Kai Wegner (CDU) zur Wahlwiederholung: „Die Berliner sind leidens… | |
> CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner liegt in Umfragen vorn, könnte trotzdem | |
> nach der Wahl am 12. Februar in der Opposition bleiben. Er sieht das | |
> anders. | |
Bild: Kai Wegner macht Straßenwahlkampf zur Abgeordnetenhauswahl 2021 – jetz… | |
taz: Herr Wegner, in der neuesten Umfrage liegen Sie vorn, bestes | |
CDU-Ergebnis seit 2020, möglicher Wahlsieger am 12. Februar in diesem Jahr | |
in Berlin – aber danach nach jetzigem Stand weiter in der Opposition. Wie | |
geht es Ihnen dabei? | |
Kai Wegner: Mir geht es hervorragend. Ich spüre eine Wechselstimmung, die | |
wir so lange nicht mehr hatten. Viele Menschen sagen: So, wie es ist, darf | |
es nicht bleiben. Ich bin mir sicher: Wenn wir am 12. Februar einen starken | |
Auftrag zur Bildung einer neuen Landesregierung bekommen, wird die CDU auch | |
eine Regierung zustande bekommen. | |
Sie sprechen von Wechselstimmung und oft davon, dass Berlin schlecht | |
regiert werde. 50 Prozent dieser angeblich schlecht Regierten stimmen aber | |
weiter für die jetzt Regierenden. Entweder ist Berlin so leidensfähig oder | |
mit Ihrer Beobachtung stimmt was nicht. | |
Ich glaube schon, dass die Berliner leidensfähig sind. Aber nachdem das | |
Verfassungsgericht bescheinigt hat, dass dieser Senat noch nicht mal eine | |
demokratische Wahl organisieren kann, ist der Punkt erreicht, wo die | |
Leidensfähigkeit auch zu Ende geht. Und tatsächlich ist keine | |
Ministerpräsidentin in Deutschland unbeliebter als Frau Giffey. | |
Trotzdem läge ebendiese so unbeliebte [1][Frau Giffey] bei einer Direktwahl | |
des Regierungschefs klar vorne, weit vor Ihnen und noch weiter vor der | |
Grünen Bettina Jarasch. | |
Bei einer ganz aktuellen repräsentativen Umfrage liege jetzt ich an der | |
Spitze. Es geht aber gar nicht so sehr um Personen … | |
… dafür sind diese Personen aber gerade oft auf Wahlplakaten zu sehen. | |
Es geht darum, eine Regierung hinzubekommen, die gemeinsam und auf | |
Augenhöhe diese Stadt regiert, Probleme benennt, anpackt und dann auch | |
abstellt. Das haben wir in den vergangenen sechs Jahren nicht erlebt und | |
auf Augenhöhe innerhalb der Koalition sowieso nicht. Ich habe von Frau | |
Giffey bei der Wahl vor anderthalb Jahren ganz oft gehört: Neustart. | |
Geblieben ist ein quälendes Weiter-so. | |
Das hilft Ihnen ohne Partner neben der FDP alles nicht. Dem links-grünen | |
Bündnis, jetzt bei 50 Prozent, reichen am Wahlabend 47, 48 Prozent der | |
Stimmen für eine Mehrheit im Parlament, auch wenn Sie weit vorn liegen. | |
Ich glaube nicht, dass sich andere Parteien einfach darüber hinwegsetzen, | |
wenn die CDU von den Berlinerinnen und Berlinern einen klaren Auftrag zur | |
Regierungsbildung bekommt. Da gibt es demokratische Spielregeln, die für | |
alle Parteien gelten. | |
Von solchen Spielregeln steht aber nichts in der Verfassung: Derzufolge | |
wird Regierungschef, wer im Parlament eine Mehrheit hat, und nicht | |
automatisch der Wahlsieger. | |
Das ist alles Zukunftsmusik. Das Gute ist doch, dass am 12. Februar die | |
Berlinerinnen und Berliner entscheiden, wie sich das Landesparlament | |
zusammensetzt. | |
Wenn es diese Zusammensetzung hergibt, was wäre Ihnen lieber: eine | |
Koalition mit den Grünen oder mit der SPD? | |
Das werden Sondierungsgespräche nach der Wahl ergeben. Mir ist wichtig, | |
dass es wirklich einen politischen Neustart gibt: Eine Verwaltung, die dann | |
auch wirklich funktioniert, eine Verkehrswende, die alle in den Blick nimmt | |
– und dass wir mehr für bezahlbare Mieten und für den Wohnungsneubau tun. | |
Entscheidend wird dann sein, wo es die meisten Schnittmengen gibt. | |
Beim Thema Mieterschutz haben Sie zwar ein auch die CDU überraschendes | |
Papier vorgelegt. Aber Sie waren im Bundestag baupolitischer Sprecher, als | |
es CDU und CSU dort darum ging, den Mietendeckel zu kippen und die | |
Mietpreisbremse löchrig zu gestalten. | |
Mit der Mietpreisbremse hat die CDU-geführte Bundesregierung ein neues | |
Instrument des Mieterschutzes geschaffen. Wir haben sie in der letzten | |
Legislaturperiode sogar noch verschärft. Ich erwarte einfach vom Senat, | |
dass er die Instrumente, die der Bund uns gibt, konsequent durchsetzt. Wenn | |
ich sehe, wie die Mieten in Berlin in den letzten Jahren gestiegen sind, | |
dann ist das ein stärkerer Anstieg als in jedem anderen Bundesland. | |
In anderen Bundesländern ist allerdings meistens auch die Nachfrage | |
geringer. | |
In Berlin ist der Druck besonders groß, keine Frage. Aber warum ist das so? | |
Weil der Senat zu wenig bezahlbaren Wohnraum schafft. Nicht nur jetzt, in | |
Zeiten, wo es schwieriger geworden ist durch Putins Angriffskrieg auf die | |
Ukraine, auch vorher schon. In einer wachsenden Stadt mit immer mehr | |
Menschen, auch mit vielen Geflüchteten, die natürlich auch Wohnraum | |
benötigen, funktioniert dann logischerweise irgendwann der Wohnungsmarkt | |
nicht mehr. | |
Das ist ja nun aber keine neue Erkenntnis. | |
Aber die Koalition hat nichts daran geändert. Wir müssen den Spagat | |
schaffen: auf der einen Seite Mieter schützen, auf der anderen den Neubau | |
vorantreiben, gerade im bezahlbaren Bereich. Wir haben im rot-grün-roten | |
Berlin eine Million Menschen mit Anspruch auf einen | |
Wohnberechtigungsschein, aber es gibt nur noch 97.000 Sozialwohnungen. Wenn | |
wir hier nicht schnell bauen, wird diese Lücke noch größer, weil auch immer | |
mehr Wohnungen aus der Sozialbindung rausfliegen. | |
Damit sind Sie ja gar nicht so weit weg von der Linkspartei. Deren | |
Spitzenkandidat, Klaus Lederer, will eine Milliarde pro Jahr mehr | |
investieren, damit die landeseigenen Unternehmen 7.000 Wohnungen bauen. | |
Es gibt da zwei entscheidende Unterschiede zur CDU. Der erste: Klaus | |
Lederer regiert seit mittlerweile sechs Jahren mit und hat das Problem | |
nicht gelöst. Er hat es stattdessen mit verschärft. | |
Er ist aber nicht der Bau-, sondern der Kultursenator. | |
Aber es gibt auch eine Gesamtverantwortung im Senat. Und Klaus Lederer | |
nimmt ja nicht nur bei Kulturthemen an den Senatsabstimmungen teil. Der | |
zweite Unterschied ist, dass er sagt, dass ausschließlich die landeseigenen | |
Unternehmen den Sozialwohnungsbau leisten sollen … | |
… weil die Privatunternehmen in dem Feld wenig tun und die Fördertöpfe | |
dafür kaum nutzen. | |
Aber warum ist das denn so? Weil die Förderinstrumente des Landes in der | |
sozialen Wohnraumförderung nicht mehr attraktiv sind. Der Senat hätte schon | |
längst die Förderbedingungen anpassen müssen. Wir werden die große Lücke | |
bei den Sozialwohnungen ohne die privaten Unternehmen nicht schließen | |
können. | |
Seit vielen Jahren arbeiten Sie ja an einer Koalition mit den Grünen. Aber | |
deren linker Flügel, ohne den dort kaum etwas läuft, will nichts von Ihnen | |
wissen. Worauf bauen Sie da irgendwelche Hoffnungen? | |
Wenn man vertrauliche Gespräche führt, dann muss das auch vertraulich | |
bleiben. Ich führe viele Gespräche und habe viele Kontakte mit Grünen, SPD | |
und natürlich der FDP. Übrigens auch menschlich, denn oftmals gelingt eine | |
gute Politik erst dann, wenn man auch menschlich miteinander kann. | |
Sie sitzen dabei gern mal mit [2][Grünen-Fraktionschef Werner Graf] | |
zusammen, angeblich wegen der Qualität Ihrer Kaffeemaschine. Geht es da | |
noch um mehr als ebendiesen Kaffee und geteilte Leidenschaft für | |
Hertha-Bundesliga-Fußball? | |
Also, Werner Graf und ich, wir sind beide leidende Hertha-Fans, und im | |
Moment leiden wir noch viel mehr [Hertha hat die ersten Spiele 2023 | |
verloren – Anm. d. Red.]. Wir sprechen aber nicht nur über Hertha. Auch | |
wenn wir häufig nicht einer Meinung sind, sind das gute Gespräche über | |
viele Themen. | |
Worüber denn konkret? | |
Ich habe ja gesagt: Es sind vertrauliche Gespräche. Sonst könnten Werner | |
und ich gleich Pressekonferenzen dazu machen. | |
Bettina Jarasch ist wegen der CDU-Vornamen-Anfrage stark auf Distanz zu | |
Ihnen gegangen. War diese Frage wahlstrategisch bewusst gestellt? Oder ist | |
sie zufällig auf eine längere Frageliste geraten? | |
Mir war wichtig, dass wir die Gewalt gegen die Einsatzkräfte vollumfänglich | |
aufklären. Und kurz nach Silvester hatten wir die Situation, dass SPD und | |
Grüne verschleiern und nicht Klarheit schaffen wollten über die | |
Täterkreise. Inzwischen hat die SPD-Bundesinnenministerin deutlich gemacht: | |
Es waren vor allem junge Männer mit Migrationshintergrund. Eines ist dabei | |
klar: Vor Gericht sind alle gleich, egal ob man Mehmet oder Martin heißt. | |
Worum geht es Ihnen dann? | |
Mich treibt um, dass wir es mit jungen Männern zu tun haben, die hier | |
geboren, hier aufgewachsen sind und sich trotzdem nicht dazugehörig fühlen. | |
Das müssen wir durchbrechen. Und dazu müssen wir diese Leute gezielt | |
ansprechen. Ich brauche Vorbilder, Sportler, Musiker, Rapper zum Beispiel, | |
die Perspektiven aufzeigen und auch sagen: Leute, bis hierher und nicht | |
weiter. | |
Hat es der Berliner CDU geholfen, dass Ihr [3][Bundesvorsitzender Friedrich | |
Merz] von „kleinen Paschas“ gesprochen hat? Oder hat Ihnen das zumindest | |
bei liberalen bürgerlichen Wählern geschadet? | |
Leider wird Friedrich Merz da immer sehr verkürzt wiedergegeben. Er hat | |
weder gesagt noch gemeint, dass alle sich wie kleine Paschas verhalten, | |
sondern auf diejenigen Bezug genommen, die leider nicht gut integriert | |
sind. | |
Angeblich wollte Friedrich Merz Sie als Spitzenkandidat austauschen. Was | |
ist das für ein Gefühl, wenn Sie jetzt zusammen Wahlkampftermine | |
absolvieren? | |
In der Tat haben Zeitungen so etwas berichtet. Ich hatte lange vor meiner | |
erneuten Nominierung als Spitzenkandidat ein sehr, sehr gutes Gespräch mit | |
Friedrich Merz über die Unterstützung durch die Bundespartei. Nachdem diese | |
Berichte erschienen waren, hat er ja sofort klargestellt, dass er mich | |
unterstützt. Ein toller Beweis dafür ist, dass wir jetzt die Fassade des | |
Konrad-Adenauer-Haus [die CDU-Bundeszentrale am Tiergarten – Anm. d. Red.] | |
verwenden können. Auf 320 Quadratmetern steht da „Berlin feiern, Senat | |
feuern“. So groß war die Unterstützung der Bundespartei noch nie. | |
30 Jan 2023 | |
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Stefan Alberti | |
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