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# taz.de -- Die Wahrheit: Wird Nutella mit Butter verboten?
> Streichfett unterfütterte Nuss-Nougat-Creme: Ein umstrittener
> Doppelbrotaufstrich gerät ins Visier grüner Cancel Culture.
Wir Deutschen mögen Butterbrot, wir Deutschen mögen Nutellabrot. Zu
feierlichen Anlässen wird das Brot gern durch Brötchen oder Croissant
ersetzt, zum Beispiel am Wochenende oder beim Karneval. Doch die Geister
scheiden sich nach wie vor an der Frage, ob die beiden Aufstriche auf der
knusprigen Backware miteinander kombiniert werden dürfen – ob die geliebte
Nuss-Nougat-Creme also mit der geschätzten Butter unterlegt werden kann
oder soll. Das von den Grünen geführte Ernährungsministerium scheint hier
eine strikte gesetzliche Antwort geben zu wollen.
Denn „Nutella – mit oder ohne Butter?“ ist eine der großen ideologischen
Trennlinien unserer Zeit, über der sich Paare zerstreiten, Familien
trennen, Firmen bekriegen und Vereine auflösen. „Ich bezweifle, dass sich
der Staat ausgerechnet in solch einer heiklen Glaubensangelegenheit
bedingungslos auf eine Seite schlagen sollte“, warnt deshalb der Mainzer
Verfassungsrechtler Dr. Jürgen Hauenstein, selber Mitglied der SPD, den
grünen Koalitionspartner im Bund, von dem gerade beunruhigende Signale
ausgehen.
Die Befürworter der zweifachen Schmierung sagen: Erst die Butter vermag
alle geschmacklichen Nuancen aus der Nuss-Nougat-Creme herauszukitzeln und
sie mit ihrem Untergrund, der mehr oder weniger weichen Teigkrume, zu
verbinden. „Dem reichhaltigen Milchfett gelingt es tatsächlich“, analysiert
Hauenstein, „die beiden Elemente sanft zu verschmelzen und auf dem Gebäck
zu etwas Neuem, Größeren zu vereinen: dem einzigartigen Geschmackserlebnis
eines gebutterten Nutella-Brioches beispielsweise.“
Auch Caroline von Welfersheim, Agrarexpertin beim niedersächsischen
Landwirtschaftsverband, spricht sich gegen jede staatliche Zwangssteuerung
unserer Frühstücksgewohnheiten aus. „Das Schöne an Nougat-Creme auf Butter
ist, dass die Butter die recht aufdringliche Süße des übertrieben zuckrigen
Nussaufstrichs abmildert und ein klitzekleines bisschen neutralisiert.
Diese Freiheit darf uns nicht genommen werden“, findet die Adelige und
kratzt die letzten Nutella-Reste mit dem Silberlöffel aus dem Glas. „Dafür
haben wir Deutschen nicht zwei Diktaturen überwunden.“
## Kalorienbombe mit Unterlage
Verächter wie der Stuttgarter Ernährungscoach Thorsten Törks sagen dagegen:
„Eine zusätzliche Schicht Streichfett unter die Creme? No way! Ausgerechnet
Fett ist in Ferreros Kalorienbombe nun wirklich genug enthalten!“
Gesundheitsbewusste Menschen wie Törks und die Hamburger Feinkosthändlerin
Therese Bekendorp halten es für vollkommen widersinnig, ein Gemisch aus
überwiegend Fett und Zucker mithilfe von rutschigem Fett auf eine
stärkehaltige Unterlage leimen zu wollen. „Ich finde die verstärkte
Schmierigkeit von dunkler Matsche auf hellem Glitsch regelrecht
widerlich!“, schüttelt Bekendorp den Kopf und erschaudert.
Beide engagieren sich schon länger „gegen die toxische
Butter-Nutella-Kombination“, wie Törks es nennt, und zweifeln am Charakter
der Zweifachaufstrich-Freunde. „Ich halte diese Leute für primitiv,
pervers, hemmungs- und niveaulos“, bekennt er, und Bekendorp zitiert aus
dem Gedächtnis höhnisch aus der Bibel: „Sind jene nicht töricht wie die
Kinder, närrisch wie die Tiere, gierig wie die Neureichen vom Stamme
Nimmersatt, für die Masse stets wichtiger als Klasse ist?“
Während sich die verfeindeten Parteien seit Jahr und Tag an den
Frühstückstischen der Republik in den Haaren liegen, gießt eine unsensible,
übergriffige Politik nun Öl ins diskursive Feuer. Ein soeben geleakter
Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft sieht vor, das Problem auf die einfachstmögliche Weise zu
lösen, nämlich die autoritäre: Der gleichzeitige Genuss von Butter und
Nutella soll ab Juli 2023 kurzerhand unter Strafe gestellt werden!
## Volkszorn gegen Weltbeglücker
Die grünen Weltbeglücker aus den Hinterzimmern des Ministeriums haben sich
nämlich offenbar intern darauf geeinigt, den Liebhabern der doppelt
bestrichenen Stullen und Semmeln sämtliche Schuld an der künftigen
Klimakatastrophe zuzuschieben. Um von ihrem eigenen Versagen abzulenken,
wollen sie den Volkszorn auf die ohnehin schon häufig gemobbten Fans der
Mehrfachbeschmierung lenken. Diese sollen im öffentlichen Bewusstsein als
„unverantwortliche Gierhälse“ und „rücksichtslose Umweltzerstörer“
gebrandmarkt werden – sie werden also auf eine Stufe mit SUV-Fahrern und
Großwildjägern gestellt.
„Bei der Erzeugung von einem Kilo Butter entstehen rekordverdächtige 24
Kilo CO2. Nutella ist wegen des dort verarbeiteten Palmöls, das zur
klimakatastrophalen Rodung der Regenwälder beiträgt, ohnehin indiskutabel.
Und beides zusammen geht schon mal gar nicht und gehört verboten!“, steht
in dem durchgestochenen Papier. Bei Verstößen drohen Geldbußen von bis zu
1.000 Euro. Lediglich für verdiente Grünen-Mitglieder sind Ausnahmen
vorgesehen – sowie für Leute, die die Butter durch veganes Streichfett und
die Nutella durch Nuss-Nougat-Creme aus dem Bioladen ersetzen.
Dass ein Aufschrei der Empörung durch die Bevölkerung geht, ist in den
angeblichen ministerialen Plänen mit eingerechnet. Doch dem zu erwartenden
Protest glaubt man mit schierer Ignoranz begegnen zu können: „Diese Leute
sind unwichtig, sind nicht unsere Wähler“, soll in der Vorlage zu lesen
sein. „Sonst würden sie – wie jede*r gute Grüne*n-Wähler*in – vollwert…
Müsli mit frischen Früchten frühstücken und keine Weißmehlprodukte mit
industriellem Zuckerzeug!“ Der zuständige Bundesminister Cem Özdemir von
den Grünen hat sich zu dem ominösen Leak übrigens bisher noch nicht
geäußert.
Verfassungsrechtler Hauenstein schwört jedenfalls: „Wenn diese totalitären
Pläne, Brotaufstriche willkürlich zu canceln, wahr werden, ist Deutschland
verdammt, eine gewesene Demokratie.“ Und Agrarexpertin von Welfersheim gibt
düster zu bedenken: „Wer zulässt, dass die Grünen die Axt der Cancel
Culture ans Frühstücksbrötchen legen, wird in den Kerkern von Wokistan
aufwachen!“
4 Feb 2023
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
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