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# taz.de -- Ein Jahr #OutInChurch: Geduldet, nicht willkommen
> Vor einem Jahr outeten sich im Rahmen von #OutInChurch 125
> Katholik*innen als queer. Was hat sich seitdem in der Institution
> verändert?
Berlin taz | Sie erzählen von Suizidgedanken, von Diskriminierungen, von
Einsamkeit – weil sie in ihrer Glaubensgemeinschaft einen Teil ihrer
Identität verstecken sollen. Ein Jahr ist es her, dass sich im [1][Rahmen
der Initiative OutInChurch] 125 Menschen als katholisch – und queer geoutet
haben. Sie sind Priester, Gemeindereferent*innen oder Lehrer*innen.
Mit ihrem Outing riskierten sie das berufliche Aus im Kirchendienst. Ihre
Queerness kann ihnen im Januar 2022 noch als Loyalitätsverstoß gegen die
katholische Kirche vorgeworfen werden.
Ihre Forderung: eine Kirche ohne Diskriminierung. Veröffentlicht hatten sie
diese auch in einer [2][ARD-Doku] der Journalisten Hajo Seppelt und
Katharina Kühn. Im November wird der Film mit dem Katholischen Medienpreis
ausgezeichnet – verliehen von der Deutschen Bischofskonferenz. Ein Wandel
in der katholischen Kirche?
Die Auszeichnung für die Doku sei verdient, sagt [3][Jens
Ehebrecht-Zumsande, einer der Initiatoren] von OutInChurch. Der Referent im
Erzbistum Hamburg verschwieg jahrelang seine Homosexualität, aufgrund
seiner Arbeit. Durch den Preis sieht er auch die [4][Gefahr von
Pinkwashing:] „Wer A sagt, muss auch B sagen. Man kann nicht einen Preis an
einen Film verleihen, der die Missstände anprangert, und nichts tun, um
diese zu ändern.“
[5][Nichts tun, schweigen] und hoffen, dass ein medialer Sturm
vorüberzieht. Für diese Praxis wird die katholische Kirche immer wieder
kritisiert. Zu lange hat es gedauert, bis die Aufklärung von sexuellem
Missbrauch an Kindern konsequenter beleuchtet wurde. Noch immer werden
einige der Täter nicht strafrechtlich verfolgt. Noch heute weiß man wenig
über den systematischen Machtmissbrauch von Priestern gegenüber Nonnen
weltweit.
## Überwiegend positive Erfahrungen der Aktiven
Ist es so auch OutinChurch ergangen? Ein Jahr später steht die positive
Bilanz: Kündigungen hat es nach Outings im Rahmen der Initiative [6][keine
gegeben]. Man wisse allerdings nicht von anderen Repressionen, etwa Hürden
beim beruflichen Aufstieg, gibt Ehebrecht-Zumsande zu bedenken. Er glaubt
aber, dass der mediale Druck, der bei einer Kündigung aufgrund von
OutinChurch da gewesen wäre, Vorgesetze erfolgreich abgeschreckt hat.
Bei den Beteiligten der Initiative überwiegen aber ein Jahr später die
[7][positiven Reaktionen auf das Outing]. Natürlich habe es auch
Hasskommentare, insbesondere auf Social Media, gegeben, aber viele sind
erleichtert, sich nicht mehr verstecken zu müssen. Sie beschreiben den
starken Zusammenhalt, den sie in der Initiative erfahren. Über 500 Menschen
haben sich angeschlossen. Noch im Januar soll die Vereinsgründung erfolgen.
Weniger positiv fällt die Bilanz bei den Forderungen der Initiative aus,
die sie vor einem Jahr öffentlich gemacht haben. Es geht ihnen um eine
diskriminierungsfreie Kirche. Nur eine der Forderungen wurde erfüllt. Aber
die ist keine Kleinigkeit: Zum neuen Jahr ist das kirchliche Arbeitsrecht
geändert worden. „Das war eine unserer Hauptforderungen. Wir sind selbst
ein bisschen überrascht von dem Erfolg“, sagt Ehebrecht-Zumsande: „Da haben
die Bischöfe einen relativ großen Schritt nach vorne gemacht.“
Am 22. November 2022 hat die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen
Deutschlands (VDD) mit der erforderlichen Mehrheit eine neue „Grundordnung
des kirchlichen Dienstes“ als Empfehlung für die deutschen Bistümer
beschlossen. Darin heißt es nun „Alle Mitarbeitenden können unabhängig von
ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter,
ihrer Behinderung, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer
Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe
Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein.“
Eine Kündigung aufgrund einer queeren Identität braucht so keine Person
mehr zu fürchten. Gleichgeschlechtliche Paare können auch als Angestellte
im Dienst der katholischen Kirche heiraten. Schon 16 Bistümer in
Deutschland haben die Änderungen in ihrem Amtsblatt veröffentlicht. Die
anderen wollen folgen. Auch im Koalitionsvertrag der Ampel war die
Forderung nach einer Reform des kirchlichen Arbeitsrechts festgeschrieben.
## Eine Reaktion aufgrund des großen Drucks
Ehebrecht-Zumsande freut der Schritt, trotzdem habe OutinChurch nicht
umsonst sieben Forderungen gehabt: „Innerkirchlich wird das gerade
bejubelt, als ob wir so alles erreicht hätten.“ Als schwuler Mitarbeiter
der katholischen Kirche fühlt er sich aber nur geduldet, nicht willkommen:
„Als Arbeitnehmer bin ich nun okay. Als Katholik lebe ich weiterhin eine
Sünde.“ Die Änderungen im kirchlichen Arbeitsrecht sei nicht gekommen, weil
„Bischöfe gemerkt haben: Unsere Theologie bisher war falsch.“ Es sei
einfach eine Reaktion aufgrund des großen Drucks, so Ehebrecht-Zumsande.
Entscheidend für ihn ist, dass es zu einer Änderung der katholischen
Sexualmoral kommt. Doch genau daran ist die Reformbewegung Synodaler Weg im
September letzten Jahres fast gescheitert. Ein Text zur Neubestimmung der
katholischen Sexuallehre fiel bei der Abstimmung durch, weil er nicht die
notwendige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe erhielt. Besonders die
engagierten Laien, aber auch der Vorsitzende der Deutschen
Bischofskonferenz, Kardinal Georg Bätzing, zeigten sich danach in Frankfurt
erschüttert.
Holger Allmenroeder, der seit 19 Jahren Priester im hessischen Seligenstadt
ist, überraschte der Eklat nicht: „Die reaktionären Kräfte in der
katholischen Kirche werden nicht ohne Weiteres klein beigeben. Sie sind
laut, und wenn sie etwas Progressives machen, dann aus strategischen
Gründen. Nicht, weil sie davon überzeugt sind“, so seine Einschätzung. Der
60-Jährige geht schon seit vielen Jahren offensiv damit um, dass er schwul
und katholischer Priester ist. Nach anfänglichen Problemen mit einem
Bischof werde er jetzt in Ruhe gelassen, sagt Allmenroeder. Vielleicht,
weil er ohnehin keine Angst vor Konsequenzen hat. Als man ihm sagte, er
solle seinen Regenbogenkreuz-Anstecker abnehmen, habe er geantwortet: „Das
habe ich gehört.“ Und das Kreuz weiterhin getragen. „Das klingt jetzt zwar
nach ganz großer Fresse, aber mich können die nicht beeindrucken. Zur Not
werde ich Tellerwäscher oder Kloputzer oder was weiß ich.“
Allmenroeder spricht aus, was er denkt und genau so, wie er es denkt. Bei
seinen Predigten falle schon mal „eine Reihe in der Kirche in Ohnmacht, die
anderen lachen sich eins“, sagt er. Für ihn stehen die Menschen in seiner
Gemeinde an erster Stelle. Auch sein Glaube sei unerschütterlich: „Mit
meinem Gott springe ich über Mauern.“ Das lässt ihn aber auch frei sagen,
dass er einiges an der großen Institution der Kirche „zum Kotzen“ findet.
Progressivität in der Kirche glaube er erst, wenn er sie sieht: „Ich denke,
wenn die katholische Kirche in Deutschland und in Europa nicht viel mehr an
den Menschen denkt, wie er ist, und nicht, wie sie ihn gerne gebacken
hätte, dann hat sie hier keine Chance“, so Allmenroeder. Dass die
Kirchenaustritte in den letzten Jahren immer mehr werden, verwundert ihn
nicht: „Wenn sich nichts ändert, wird die katholische Kirche eine minimale
Sekte. Und das wünsche ich ihr nicht.“
Für eine weitere Forderung von OutInChurch braucht es eine Änderung von
oberster Stelle. Die Aktiven fordern, dass „die diffamierenden und nicht
zeitgemäßen Aussagen der kirchlichen Lehre über Geschlechtlichkeit und
Sexualität auf Grundlage theologischer und humanwissenschaftlicher
Erkenntnisse revidiert werden müssen“. Das bedeutet eine Änderung des
Katechismus.
Die Initiative schrieb also einen Brief nach Rom – und wartet auf Antwort.
Doch ob der Papst auf die Forderungen der queeren Katholik*innen
reagieren wird und eine Textänderung, wie 2018 zur Todesstrafe, veranlasst?
Gunda Werner, die an der Ruhruniversität Bochum Professorin für katholische
Theologie ist, bezweifelt, dass sich schnell etwas ändern wird. Dass es
queere, lesbische, schwule Menschen in der Kirche gibt, das wissen die
Verantwortlichen schließlich schon lange: „Danach hätten sie schon in den
70er Jahren etwas ändern können“, so die 51-jährige Theologin.
Sie sieht die Kraft von OutinChurch im Austausch von queeren Laien und
Bischöfen. Durch Gespräche, die die Initiative auch fordert, würden die
Bischöfe merken: Das sind gläubige Menschen aus unseren Gemeinden, die wir
jahrelang unterdrückten. Doch nur wenige Bischöfe seien aktiv auf die
queeren Gläubigen zugekommen.
Der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, gibt auf
taz-Anfrage an, dass nicht alle Bistümer von OutinChurch „einen
Gesprächswunsch“ erhalten hätten: „Wichtig ist für uns, dass im vergange…
Jahr teilweise neue Arbeits- und Seelsorgestellen für die queere Pastoral
eingesetzt worden sind“, so Kopp.
Diesen Erfolg kann OutinChurch verbuchen: Für wen es
Ansprechpartner*innen in der Kirche gibt, der existiert, den kann man
nicht länger verschweigen. Und die queere Gemeinschaft macht Mut: Gunda
Werner war wie Ehebrecht-Zumsande und Allmenroeder von Beginn an Teil der
Initiative. Sie ist auch Mitverfasserin des OutInChurch-Buches „Für eine
Kirche ohne Angst“, nahm aber selbst fast ein Jahr lang anonym an den
Treffen der Initiative teil. Ihren Namen unter dem Bild [8][auf der
Homepage] ließ sie erst nach der Ausstrahlung der TV-Doku ausschreiben.
Auch sie hatte Sorge vor beruflichen Konsequenzen, denn als Professorin der
theologischen Theologie gilt für sie die römische Lehrerlaubnis, das
sogenannte Nihil Obstat.
Das ist eine Unbedenklichkeitserklärung über die Lehrtätigkeit der Person,
die der zuständige Bischof erteilt. Die Kirche kann also Einwände gegen
eine Person für die katholische Lehre erheben. Werner ist so in einer
ähnlichen Situation wie katholische Religionslehrer*innen, für die die
Missio Canonica gilt. Mit dem Antrag auf Erteilung der Missio Canonica
geben sie das Versprechen ab, dass ihr Religionsunterricht mit der Lehre
der katholischen Kirche übereinstimmt. Die Neufassung des kirchlichen
Arbeitsrechts schützt Werner und andere queere katholische Lehrkräfte sowie
Priester also nicht.
Sie entscheidet sich schließlich doch für die Offenheit: „Es entspricht
meiner spirituellen Überzeugung, dass der innere und äußere Mensch
zueinander gehören.“ Außerdem findet sie es wichtig, dass auch in der
theologischen Lehre die Diversität des Lebens gelebt und gezeigt werde,
damit es auch Vorbilder für andere queere christliche Menschen gibt.
Persönlich hatte sie Sorge davor, auf das Outing reduziert zu werden: „Ich
wollte nicht nur auf meine sexuelle Orientierung festgelegt werden, ich bin
viel mehr, ich mache viel mehr.“
Denn auch beruflich forscht Gunda Werner seit Mitte der 90er Jahre zur
Queer-Theologie. Dabei gehe es unter anderem darum, „die klassischen
Vorurteile in den biblischen Bezügen, etwa warum Homosexualität Sünde sein
soll, zu revidieren“, so Werner. In der Forschung werden unter anderem
queere Spuren innerhalb der Geschichte des Christentums deutlich gemacht.
Sie findet es spannend, die Frage, welche Menschen und Lebensformen im
christlichen Kontext tabuisiert werden, auch mit Studierenden zu
diskutieren.
Für sie ist deshalb die wichtigste Forderung für das Jahr 2023, dass die
Änderung für die Erteilung der Missio canonica und das Nihil Obstat, wie
sie auch von der Synodalversammlung verabschiedet wurde, kommt. Auf
taz-Nachfrage sagt der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, dass an
der Veränderung der Missio canonica gearbeitet werde: „Eine Zeitperspektive
kann ich für die nächsten Monate nicht machen.“
Dass sie für ihr Anliegen einen langen Atem brauchen werden, war Jens
Ehebrecht-Zumsande, Holger Allmenroeder und Gunda Werner von Beginn an
klar. Alle drei beschreiben, wie schwerfällig sich die Kirche nur
verändert. Was hält sie? Sie wollen kritische Stimmen in kirchlichen
Prozessen sein: im Gottesdienst, in ihrer Gemeinde und im Hörsaal.
23 Jan 2023
## LINKS
[1] /Initiative-outinchurch/!5827805
[2] https://www.ardmediathek.de/video/wie-gott-uns-schuf/wie-gott-uns-schuf-ode…
[3] /Initiator-ueber-outinchurch/!5830053
[4] /Reformbewegung-in-der-katholischen-Kirche/!5878210
[5] /Reformen-in-der-katholischen-Kirche/!5829783
[6] /Offener-Brief-nach-Outinchurch/!5835764
[7] /Outing-in-der-katholischen-Kirche/!5829668
[8] https://outinchurch.de/
## AUTOREN
Linda Gerner
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