# taz.de -- Missbrauch in der katholischen Kirche: 40 Millionen Euro für Betro… | |
> Mehr als 1.800 Anträge hat die Kommission für Anerkennungsleistungen | |
> bisher bearbeitet. Der Zeitraum der Taten liegt oft Jahrzehnte zurück. | |
Bild: Menschen, die sexualisierter Gewalt durch katholische Priester ausgesetzt… | |
BERLIN/BONN/FRANKFURT AM MAIN epd/dpa | Die Anerkennungsleistungen für | |
[1][Opfer von sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche] sind ein | |
heikles Thema. Für die Betroffenen ist das Verfahren intransparent. Ohnehin | |
sind die Zahlungen aus ihrer Sicht zu gering angesetzt. Die katholische | |
Kirche weist die Kritik zurück und verweist auf eine unabhängige | |
Kommission, über die zentral über alle Anträge auf Anerkennungsleistungen | |
entschieden wird. 2021 wurde diese von der katholischen Kirche eingesetzt. | |
Laut Kommission wurden bisher mehr als 40 Millionen Euro bewilligt. Konkret | |
waren es 2021 knapp 13 Millionen, 2022 etwa 28 Millionen. In 143 Fällen | |
seien Summen von mehr als 50.000 Euro zuerkannt worden. In 24 Fällen sei es | |
sogar um mehr als 100.000 Euro gegangen. Wie die Vorsitzende der | |
Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen, Margarete Reske, am | |
Freitag betonte, sei dies immer mit Zustimmung der zuständigen kirchlichen | |
Behörden erfolgt. Mit keinem der 27 katholischen Bistümer gäbe es Probleme, | |
so Reske. | |
Menschen, die etwa sexualisierter Gewalt durch katholische Priester | |
ausgesetzt waren, können von der Kirche Zahlungen bekommen. Über die Höhe | |
entscheidet die Kommission. Betroffene müssen dabei keine Beweise vorlegen, | |
es genügt, wenn ihre Schilderung plausibel ist. Insgesamt wurde die | |
Plausibilität von der Kommission bisher nur in neun Fällen verneint. | |
Vor dem [2][Landgericht Köln wird derzeit die Schmerzensgeld-Klage eines | |
ehemaligen Messdieners behandelt.] Der 62-Jährige fordert eine wesentlich | |
höhere Summe, nämlich 750.000 Euro. Auf die Frage, ob im Vergleich dazu die | |
von der Kommission bewilligten Summen nicht zu niedrig seien, sagte der | |
stellvertretende Vorsitzende Ernst Hauck: Man könne sich immer auf den | |
Standpunkt stellen, dass „mehr schöner“ sei, es müsse aber auch finanziell | |
darstellbar sein. Es stehe natürlich jedem Betroffenen frei, daneben den | |
Rechtsweg an den Gerichten zu beschreiten. Die Kommission habe den | |
Eindruck, dass die Betroffenen sich durch die Zahlungen in ihrem Leid von | |
der Kirche anerkannt sähen. | |
## Sexualisierte Gewalt über Jahre hinweg | |
Insgesamt bewilligte die Kommission bisher Leistungen für 1809 Personen. | |
Etwa 80 Prozent waren Männer, wobei sich unter den besonderen Härtefällen, | |
in denen mehr als 100.000 Euro zuerkannt wurden, oft Frauen befanden. Aus | |
den eingereichten Anträgen ergibt sich vom Zeitraum der Taten her ein | |
Schwerpunkt in den 1960er und 70er Jahren. In den meisten Fällen ereignete | |
sich der Missbrauch über mehrere Jahre hinweg. Das durchschnittliche Alter | |
zu Beginn des Missbrauchs lag bei zehn Jahren. Heimkinder waren besonders | |
oft betroffen. Mittlerweile sind die eingereichten Anträge stark | |
rückläufig. | |
Die Kommissionsmitglieder wurden zwar von der Bischofskonferenz ernannt, | |
stehen aber in keinem direkten Beschäftigungsverhältnis zur katholischen | |
Kirche. Sie arbeiten ehrenamtlich. Unter ihnen sind Juristen, Mediziner und | |
Psychologen. Die pensionierte Kölner Richterin Margarete Reske ist die | |
Vorsitzende der Kommission. | |
Hinter dem bürokratisch-sperrigen Begriff der „Anerkennungsleistung“ | |
verbirgt sich die von der katholischen Kirche in Deutschland [3][selbst | |
gewählte Form einer Anerkennung von Opfern von Missbrauch in ihrem | |
Verantwortungsbereich]. Das Geld soll dabei weder eine Wiedergutmachung | |
sein, noch eine Entschädigung, wie die Bischofskonferenz immer wieder | |
betont hat. | |
Es ist Ausdruck dafür, dass die katholische Kirche dem Betroffenen glaubt | |
und ihn als Opfer anerkennt. Betroffene haben keinen rechtlichen Anspruch | |
darauf. [4][Betroffene sexuellen Missbrauchs leben mitunter in sozial | |
prekären Umständen], so dass das Geld eine wichtige Stütze sein kann. Doch | |
nicht nur Bischöfe, auch Betroffene haben immer wieder betont, dass die | |
Geste der Anerkennung weit über den Geldwert hinausgeht. | |
Finanziert werden die Leistungen in erster Linie nicht aus | |
Kirchensteuermitteln. Laut Bischofskonferenz muss zunächst immer erst | |
einmal der Täter finanziell aufkommen. Ist das nicht mehr möglich, weil der | |
Täter beispielsweise verstorben ist, springt die Diözese ein, in deren | |
Bereich der Täter die Tat begangen hat. In diesem Fall sollten die | |
Leistungen nicht aus dem Aufkommen der Kirchensteuer finanziert werden, | |
sondern aus anderen kirchlichen Vermögenswerten. Letztlich entscheiden die | |
Gremien der Diözese darüber. | |
3 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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