# taz.de -- Tagebuch aus Lützerath (2): Schluss mit Gute-Laune-Aktivismus | |
> Der Energiekonzern RWE will den Weiler Lützerath abreißen. Die Polizei | |
> kommt gefühlt immer näher. Barrikaden werden gebaut. | |
Bild: Auf der Straße brennt eine Barrikade | |
[1][Gestern habe ich noch drüber nachgedacht,] was ich tue, wenn die | |
Polizei das besetzte Dorf, in dem ich seit ein paar Tagen lebe, stürmt. Die | |
Frage schien mir da noch weit weg, am Montag fühlt sie sich schon realer | |
an. | |
Am Abend zuvor hatte Greenpeace um Hilfe gebeten, weil sie fürchteten, dass | |
ihre Container an den Holztoren von [2][Lützerath geräumt] werden. Meine | |
Mitbewohner:innen wollten sich darum kümmern, dass Greenpeace bleiben | |
kann und RWE nicht schon vor der geplanten Räumung in gut einer Woche | |
Vorbereitungen treffen und „schweres Gerät“ vor dem Camp aufbauen kann. Was | |
auch immer das heißen mag. | |
„Bullen im Camp!“, rief vorhin jemand vor dem Holztor auf der Straße. Die | |
gehört zwar RWE, ist aber gleichzeitig auch der Eingang zum Dorf. Und genau | |
jetzt muss der Bagger seine Schaufel direkt in Richtung des Hauses richten, | |
in dem ich schlafe. Eine vermummte Person deutet auf mich, beginnt zu | |
lachen, und ich merke, dass es Zeit wird, meinen Mund zu schließen. | |
## Kompromiss klingt wie Schoki für Bahnverpätung | |
Ein Polizist stellt sich zwischen die Aktivist:innen und bittet um | |
Aufmerksamkeit. „Ihr habt uns gar nichts zu sagen!“, schreit ein Maleranzug | |
ihm entgegen. Irgendwie führt dieses Gespräch zu nichts, denke ich. Der | |
nette Polizist probiert es noch einmal und redet jetzt wie ein | |
ambitionierter Fundraiser. „Folgender Vorschlag“, sagt er. „Ihr zieht euch | |
zurück, wir auch ein Stück und wenn ihr kooperiert, haben wir im Idealfall | |
nachher die Straße frei.“ Dort liegen im Moment Barrikaden aus Holz und | |
Pflastersteinen. | |
Guter Versuch, aber das klingt bei dieser Besetzung ungefähr so reizvoll | |
wie ein Stück „Lieblingsgast“-Schokolade der Deutschen Bahn, wenn man drei | |
Stunden vor Kassel-Wilhelmshöhe im Zug feststeckt. Oder um es mit den | |
Worten des Maleranzugs zu sagen: „Euer Idealfall ist unser Worst Case!“ | |
Später am Vormittag kommt die Info, dass die Polizei das ganze Dorf heute | |
noch nicht räumen wird. Auf der Straße bricht eine Holzbarrikade und ich | |
ziehe mich in den Greenpeace-Container zurück. „Jetzt ist hier Schluss mit | |
Gute-Laune-Aktivismus“, sagte jemand auf der Straße. Kurz darauf brennt | |
eine Barrikade. Eine Reihe Polizist:innen ist dann doch mit Schildern | |
und Knüppeln ein kleines Stück vorgerückt. | |
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2 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Aron Boks | |
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