# taz.de -- Tagebuch aus Lützerath (3): „Am Ende sind das Menschen“ | |
> Vor der Belagerung sprechen die Besetzer:innen über ihre Erfahrungen | |
> mit der Polizei. Die einen mahnen zur Differenzierung, andere sind | |
> wütend. | |
Bild: Die Stimmung bleibt schlecht an diesem Morgen, auf beiden Seiten | |
Immer wenn ich mir jetzt am Morgen einen Kaffee holen will, sieht mich | |
dabei eine Reihe von Polizist:innen. Seit Montag umstellen diese nun | |
[1][das besetzte Dorf], in dem ich mit Klimaaktivist:innen lebe. | |
An einem der Abende, bevor diese [2][Belagerung] beginnt, wird am | |
Lagerfeuer noch das Übliche besprochen. Ja, die Polizei sei ein | |
Scheißsystem. Jemand mit Schnurrbart und Lederjacke, der sich hier | |
„Eulenspiegel“ nennt, mahnt zur Differenzierung. „Ich weiß, woher der Ha… | |
kommt“, sagt er. „Aber am Ende sind das Menschen.“ Die Polizei als | |
Machtapparat sei zu kritisieren, der Slogan „All Cops Are Bastards“ aber | |
auch. Als niemand darauf eingeht, fügt er hinzu: „Die anderen denken auch, | |
sie wär’n die Guten.“ [3][Ein Zitat des Rappers Alligatoah.] | |
Die Menschen am Feuer diskutieren, reden über Einsätze, bei denen sie oder | |
ihre Freund:innen diskriminiert oder niedergeknüppelt wurden. Eine Frau | |
um die 40 mit Outdoorjacke verschränkt die Arme. „Aber wenn ich jetzt an | |
eine alte, einsame Frau denke, bei der eingebrochen wird. Wen soll die denn | |
anrufen, um Hilfe zu bekommen?“ Stille. Einer schüttelt den Kopf. „Es | |
musste erst was geschehen, dass jemand so isoliert leben muss.“ „Niemand | |
würde einfach so einbrechen!“, fügt wer hinzu. „Doch nur, weil ihnen das | |
kapitalistische System Besitztum vermittelt hat.“ | |
## Wie sieht ein Polizist:innenalbtraum aus? | |
Ich werde aus meinen Erinnerungen gerissen, alle Kaffeebecher sind weg. Ich | |
muss umkehren und die Polizist:innen stehen immer noch da. Ich frage | |
mich, wie ein Polizist:innenalbtraum aussieht. Ob sie auch Angst | |
haben vor der anstehenden Räumung. Ob sie etwas Absurdes befürchten – als | |
Geisel genommen zu werden oder so. Wie würde das in diesem anarchistischen | |
Dorf aussehen? | |
Die Stimmung an diesem Morgen bleibt schlecht, auf beiden Seiten. | |
Eigentlich war abgemacht, dass die Polizist:innen sich hinter dem Erdwall | |
bei der Straße zum Dorf aufhalten. Sie sind aber dann doch davor getreten. | |
„Die sagen, sie fühlen sich unwohl sonst“, sagt jemand im Dorf. | |
🐾 Das Tagebuch „Countdown Lützerath“ entsteht mit finanzieller | |
Unterstützung der [4][taz Panter Stiftung]. | |
3 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Aron Boks | |
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