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# taz.de -- Tagebuch aus Lützerath (4): Ab hier ist nichts mehr planbar
> Der Bagger kommt immer näher. Die Besetzer:innen sprechen vom „Tag
> X“. Barrikaden stehen plötzlich im Weg. Nichts ist mehr wie es war in
> Lützerath.
Bild: Unsere Autorin war schon häufiger in Lützerath, aber heute fühlt sich …
Ich fahre nach Lützerath. Es ist das fünfte oder sechste Mal, seit die
Besetzung vor zwei Jahren begonnen hat. Für gewöhnlich bin ich ohne
konkrete Absichten hierhergekommen. Ich wollte einfach hier sein und diesen
Ort erleben, an dem sich so viele Fragen über unser aller Zukunft
entscheiden könnten.
Aber an der Zugfahrt nach Erkelenz, der Busfahrt durch die Dörfer bis
Holzweiler und dem dreißigminütigen Fußweg nach Lützerath fühlt sich nichts
vertraut an. Vielleicht weil die Menschen hier am Dienstag [1][den „Tag X“
ausgerufen haben]. „Wenn du nicht klettern willst, gibt es auch einen Weg
außen rum“, sagt jemand, als ich ratlos vor einer Barrikade stehe.
Der aktuelle Einsatz der Polizei dauert nun bereits über 24 Stunden. Sie
stehen an den Dorfeingängen und sichern die Arbeit der Räumungsfahrzeuge.
Bagger graben das Gelände um, Kipplaster bringen alles weg, was im Weg ist.
Aus anderen Räumungssituationen weiß ich: Ab hier ist nichts mehr planbar.
Wie lange könnte es dauern? Wie lange werden wir hier sein? Werden
vielleicht doch immer mehr Menschen innehalten und denken: Wann haben wir
es eigentlich so weit kommen lassen?
Mein letzter Aufenthalt in [2][Lützerath] liegt ein paar Wochen zurück.
Damals waren Gespräche über eine Räumung noch Zukunftsmusik. Während ich
nun wieder die Straßen entlanglaufe, die das Dorf umgeben, kommt mir ein
naiver Gedanke: „Der Bagger ist ja schon wieder näher gekommen, bald können
wir drauf spucken.“
## Ein sicheres Zuhause zu haben ist Zufall
In 15 Minuten hat man das Dorf einmal umrundet. Raus sollte man nicht mehr
einfach gehen. Man sagt mir: „Da hinten steht Polizei. Ich weiß nicht, was
die machen, wenn sie sehen, dass hier Leute rauslaufen.“ Ich gehe an der
Abbruchkante entlang. Was lässt mich am Streben nach Klimagerechtigkeit
festhalten? Nicht viele Dinge rütteln einen so auf wie der Blick auf einen
Kohletagebau, dessen Ende man am Horizont nicht ausmachen kann.
So richtig dunkel wird es hier nachts nicht mehr. Die Flutlichter der
Kohlebagger scheinen mittlerweile in jedes Haus. Ich gehe mit dem Gedanken
schlafen, dass ich lieber weit weg in meinem sicheren Zuhause wäre. Ein
Zuhause, das jedoch unter anderem deswegen sicher ist, weil es zufällig
nicht auf Kohlevorkommen steht.
🐾 Das Tagebuch „Countdown Lützerath“ entsteht mit finanzieller
Unterstützung der [3][taz Panter Stiftung].
4 Jan 2023
## LINKS
[1] /Luetzerath/!t5896252
[2] /Kampf-um-Luetzerath/!5899069
[3] /FAQs/!110259/
## AUTOREN
Annika Reiß
## TAGS
Countdown Lützerath
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimaproteste
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Resilienz
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