| # taz.de -- Tagebuch aus Lützerath (8): Filterzigaretten gegen Endlichkeit | |
| > Sonntage erinnern unseren Autor an Vergänglichkeit. Die | |
| > Aktivist:innen in Lützerath kämpfen gegen das Ende des Dorfes. Ein | |
| > Tagebuch. | |
| Bild: Widerstand in Lützerath | |
| Ich find Sonntage eigentlich doof. Seitdem ich ein Kind war, erinnern sie | |
| mich nur an Endlichkeit. In meiner Wahlheimat Berlin gibt es keine | |
| richtigen Sonntage, dafür viel Ablenkung vor der blöden Vergänglichkeit. | |
| Aber hier [1][in dem besetzten Dorf, in dem ich zusammen mit | |
| Klimaaktivist:innen lebe,] ist das schwierig. Heute ist der 8. | |
| Januar, der letzte Sonntag vor dessen geplanter Räumung, die ab 10. Januar | |
| möglich ist. Ab morgen Nacht ist auch der Zugang zum Dorf zu Fuß verboten. | |
| Am Samstag hatte mein Freund Sebastian mir zum Glück noch ein paar | |
| Packungen Filterzigaretten mitgebracht. Dass die geil sind, haben viele | |
| Aktivist:innen erkannt, seitdem ich ihnen beweisen konnte, dass ich | |
| kein Zivilpolizist bin. Ich verteile sie die ganze Zeit, weil mir manchmal | |
| echt nichts Besseres einfällt, um für gute Laune zu sorgen. Wie vor ein | |
| paar Tagen, als ich gerade mit einem Aktivist:innenpaar im | |
| Tagebauvorfeld stand. | |
| „Wie schafft ihr es eigentlich, hier nicht komplett durchzudrehen?“, hatte | |
| ich die beiden beim Rauchen gefragt und auf die Polizist:innen, | |
| Sicherheitsleute und den RWE-Bagger gesehen, der bald das ganze Dorf hinter | |
| uns plattmachen soll. Neben uns spielte Musik. Aktivist:innensongs, die mal | |
| sanft melodisch „Du hast vielleicht Geld, doch wir haben Liebe“ und dann | |
| wieder punkig Grundsätzliches klärten: | |
| „Die Arme, die Beine | |
| Der Kopf tut weh | |
| Denn ich hasse RWE!“ | |
| Eine hatte ihren Arm um die andere Person gelegt. „Ich merke, dass mich das | |
| hier alles härter macht“, sagte sie, und die andere wendete sich ihr zu: | |
| „Ja, aber wir müssen aufpassen, dass aus Härte nicht Kälte wird.“ Dann | |
| haben sie sich geküsst. | |
| Ein paar Aktivist:innen tanzten vor den Barrikaden, weichten nicht, | |
| wurden verhaftet, und die Dinge wurden immer wirrer. Es brannte, es knallte | |
| und angeblich hatten sich später ein paar RWE-Sicherheitsleute beim | |
| Arbeiten sogar einen Song aus der Aktivist:innenplaylist gewünscht. | |
| Ausgerechnet einen mit dem Titel „Stellt den Bagger ab“. | |
| Heute findet ein Dorfspaziergang mit Tausenden Bürger:innen und Promis | |
| aus ganz Deutschland statt. Seit Tagen kommen für jede Person, die hier | |
| abreist, gefühlt vier neue an. Draußen arbeitet der Bagger und Sebastian | |
| will in drei Tagen zum Dorf kommen. Übermorgen könnte aber schon die | |
| Räumung beginnen. Das Aktivist:innenpaar ist irgendwo auf dem Gelände | |
| und arbeitet mit anderen an neuen Barrikaden. Aber spätestens heute Abend | |
| werde ich es wiedersehen. Das besetzte Haus, in dem wir zusammenleben, | |
| feiert heute seinen ersten Geburtstag. | |
| 8 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Aron Boks | |
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