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# taz.de -- Tagebuch aus Lützerath (7): Pure Machtdemonstration?
> Die Räumung findet erst in drei Tagen statt. Die Polizei verstärkt stetig
> ihre Präsenz. Nicht alle Maßnahmen lassen sich als notwendige
> Vorbereitungen erkennen.
Bild: Wenn aber die Räumung doch erst in drei Tagen ist, wie sehr soll sich di…
Mit Stroh versuchen wir immer wieder das Feuer neu zu entfachen. Manchmal
klappt es. Es ist 5 Uhr Morgens. Ich hab mich für die Nachtschicht an der
„Bussi“ gemeldet – ein Beobachtungs- und Wachpunkt am östlichen Rand von
[1][Lützerath] und ehemals die einzige Bushaltestelle des Dorfes. Aber
ruhiges Sitzen gibt es hier nicht. In unserer unmittelbaren Nähe – mal
einige hundert und mal nur 20 Meter entfernt – beobachten wir drei Stunden
lang Bewegung.
Polizeitransporter fahren die Straße entlang, manche fahren rauf auf ihren
eigenen Parkplatz, den sie gerade neu im Tagebauvorfeld errichten.
Plötzlich biegt einer nicht nach rechts auf den Parkplatz ab, sondern fährt
direkt zu den Barrikaden, die keine 10 Meter von uns entfernt sind und
bleibt dort stehen. Unser Gespräch verstummt mitten im Satz. Was passiert
da?
Irgendwann können wir unsere Blicke wieder abwenden, aber Fragezeichen im
Kopf zeichnen Falten auf die Stirne der Aktivisten. Es ist 6:30 Uhr.
Schichtwechsel. Eine ganze Horde Polizeiautos verlässt Lützi. Dafür kommen
neue. Und es sind wieder mehr geworden.
Die kleinsten Ungewöhnlichkeiten lösen Unruhe aus. Heute Nachmittag wurde
eine Lieferung der „Küche für Alle“ von der Polizei kurz vor Lützerath
festgesetzt. „Jetzt schon unsere Gaslieferungen stoppen. Mann, was soll
das?“ ruft eine Aktivistin genervt. Ohne Gas kann die Küche nicht kochen
und es gäbe kein Essen mehr. Das Gas abzufangen ist ein Hieb, der richtig
weh tut. Es bleibt dabei. Das Auto wird nicht nach Lützerath durchgelassen.
Die Aktivist:innen tragen die Gasflaschen den Rest des Weges nach
Lützerath. Es ging wohl nicht um das Gas an sich und doch bleibt die Frage:
Wo endet die Notwendigkeit der Vorbereitungen für die Räumung, mit der
Polizei und Politik ihr Verhalten erklären und wo beginnt pure
Machtdemonstration?
## „Scheiße, sie lügen und räumen früher.“
Ich verbringe die Zeit in meiner Nachtschicht nicht damit, mich zu fragen,
[2][was die Polizei jetzt gerade vor meinen Augen macht], sondern vielmehr
mit der Frage was sie hier generell für Ziele verfolgt? Also klar. Räumung
vorbereiten. Wenn aber die Räumung doch erst in drei Tagen ist, wie sehr
soll sich die Polizeipräsenz noch steigern? Kein Wunder, dass einige Leute
sich tagtäglich abends drauf vorbereiten, morgens schnell ihre Sachen
zusammenzupacken. Falls was unvorhergesehenes passiert.
Man vertraut dem Wort der Polizei einfach nicht. Ich habe mir schon ein
paar Mal wirklich gedacht „Scheiße, sie lügen und räumen früher.“ Ich g…
zu, ich denke das seit kurz nach meiner Ankunft. Auch wenn ich es nicht
laut ausgesprochen habe, weil ich niemanden noch mehr stressen will.
Ich finde sonst keine Erklärung für den Aufwand, den Polizei und RWE
betreiben, um den Aktivist:innen zu zeigen, dass sie da sind und zu was
sie fähig sind, keine Erklärung für die Festnahmen und die 20 bis 30
Polizeitransporter mit Blaulicht, die ich in diesem Moment am Horizont
sehe.
Das Feuer ist schon wieder aus.
7 Jan 2023
## LINKS
[1] /Kampf-um-Kohledorf/!5903043
[2] /Kampf-um-Kohledorf/!5899263
## AUTOREN
Annika Reiß
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Countdown Lützerath
Schwerpunkt Klimawandel
Ziviler Ungehorsam
Lützerath
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