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# taz.de -- Nachruf auf Wolf Erlbruch: Der die Kinder ernst nahm
> „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht
> hat“ ist ein Kinderbuch-Klassiker. Nun ist dessen Erschaffer Wolf
> Erlbruch gestorben.
Bild: Wer war das? Erlbruchs „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ih…
Zu den tiefen Erfahrungen, die dieses Leben bereithält, kann es gehören,
einem Kind zum ersten Mal „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm
auf den Kopf gemacht hat“ vorzulesen. Klar, die Geschichte triggert erst
einmal entwicklungsphasengerecht den Pipikackahumor. Aber da ist noch viel
mehr. „Hast Du mir auf den Kopf gemacht?“, fragt der Maulwurf die Taube.
„Ich? Nein, wieso? – Ich mach so“, sagt die Taube, und der Maulwurf ist
überrascht, als ein „weißer, feuchter Klecks“ ihm das Beim sprenkelt. So
geht es weiter. Von den „fünf großen, dicken Pferdeäpfeln“ ist der Maulw…
tief beeindruckt. Vor den „fünfzehn runden Böhnchen“ des Hasen rettet er
sich mit „gewagtem Sprung“. Die „malzbonbonfarbenen Knöllchen“ der Zie…
gefallen ihm schon fast. Beim „weichen, braunen Häufchen“ des Schweins hä…
er sich die Nase zu. Und ein entschlossenes Lächeln zeigt sich, nachdem die
Fliegen ihm gesagt haben, dass es Hans-Heinerich, der Metzgershund, war,
der ihm auf den Kopf gemacht hat. Mit einer kleinen Rache endet das Buch.
Man müsse Kinder ernst nehmen, hat [1][Wolf Erlbruch] einmal gesagt. Dass
er selbst das getan hat, sieht man an jedem Detail. Man schaue sich nur
einmal die Augen der Tiere an, in ihnen steckt die Vielfalt der Natur, und
das Gesicht des Maulwurfs spiegelt eine ganze Palette von Gefühlsregungen,
von der Empörung über Neugier bis zum Triumph. Wolf Erlbruch war erst
Werbegrafiker, dann Illustratorenklassiker und Wegbereiter. Er
unterrichtete als Professor, und er illustrierte unter anderem Gioconda
Belli und Goethe, Mirjam Pressler und Karl Philipp Moritz.
Neben dem Maulwurf schuf er ein zweites Buch, das – zusammen etwa mit „Wo
die wilden Kerle wohnen“ und der „Kleinen Raupe Nimmersatt“ – zum
Weltkulturerbe der Kinderliteratur und unauslotbaren Kanon der menschlichen
Fantasie überhaupt zählt: „Ente, Tod und Tulpe“. Eine tröstliche
Freundschaftsgeschichte mit dem Tod, der zum Leben dazugehört, eine
Meditation über die „seltsamen Gedanken“, auf die man kommen kann, wenn man
an ihn denkt, und zugleich eigenwillig, schlicht, konkret und überzeugend
bis zum letzten Strich.
Wolf Erlbruch soll ein großer, zugewandter Mann mit leiser Stimme gewesen
sein. Er soll als Professor gern unterrichtet haben. In seinem
Arbeitszimmer soll es noch haufenweise Mappen mit Skizzen geben. An den 32
Seiten von „Ente, Tod und Tulpe“ soll er zehn Jahre lang gefeilt haben. Man
kann es sich nicht anders vorstellen, als dass Wolf Erlbruch, der am 11.
Dezember im Alter von 74 Jahren starb, einer gewesen ist, der wusste, was
wirklich wichtig ist im Leben. Auf jeden Fall konnte er es mit einigen
Zeichenstiften in der Hand ausdrücken.
Anmerkung der Redaktion: In früheren Versionen des Teasers war von „Die
kleine Raupe Nimmersatt“ bzw. „Der kleine Maulwurf“ die Rede. Beide
Kinderbücher stammen jedoch nicht von Erlbruch; „Vom kleinen Maulwurf, der
wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“, ist der korrekte Name
(wie es auch im Text steht).
16 Dec 2022
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## AUTOREN
Dirk Knipphals
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Kinderbuch
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Literatur
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Berliner Märchentage
zeitgenössische Fotografie
Diversität
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