# taz.de -- Berliner Märchentage: Geschichten von Leben und Tod | |
> Viele Eltern lesen ihren Kindern keine Märchen mehr vor, weil sie sie | |
> gewaltverherrlichend und frauenfeindlich finden. Sie kennen die Märchen | |
> schlecht. | |
Bild: Bild vom Tod in einer Marburger Ausstellung über das Landleben in Hessen… | |
Wenn das Gespräch mit Eltern mal ins Stocken gerät, dann ist es eine gute | |
Idee, das Thema Märchen anzuschneiden, um die Runde wieder auf Trab zu | |
bringen. [1][Denn bei der Frage, ob Kinder Märchen vorgelesen bekommen | |
sollen, scheiden sich die Geister.] | |
Die einen meinen, Märchen seien gewaltverherrlichend und frauenfeindlich | |
(von wegen böse Stiefmutter und so). Andere halten es nach wie vor mit dem | |
US-amerikanischen Kinderpsychologen Bruno Bettelheim, der schon in den | |
Siebzigern der Meinung war, dass Kinder Märchen brauchen. Nach Bettelheim | |
helfen Märchen Kindern, innere Konflikte in der Fantasie auszuleben und zu | |
lösen. Und zwar in aller Härte. | |
Für diese Sichtweise kämpfen ab Donnerstag zum 33. Mal die [2][Berliner | |
Märchentage], das mit 800 Veranstaltungen an 350 Orten größte | |
Märchenfestival der Welt. In diesem Jahr, wo mit „Geschichten von Leben und | |
Tod“ eins der härtesten Märchenthemen das Motto ist, wird der Kampf | |
besonders hart. Doch wie in den Vorjahren, als es „nur“ um Lust und Leid, | |
Geschichten von oben und unten und um Grenzüberschreitungen ging, ist jetzt | |
schon klar: Anders als viele vermuten mögen, gibt es jede Menge Märchen | |
weltweit, in denen der Tod nicht nur einfach bedrohlich erscheint. Es gibt | |
auch interessantere Märchen als Rotkäppchen oder Schneewittchen, wo die | |
Hauptfigur dem Tod in letzter Sekunde von der Schippe springt. | |
Manchmal wird der Tod im Märchen als schillernd, manchmal als sympathisch | |
hilfsbereit oder gar als tollpatschig beschrieben. Lustigstes Beispiel | |
hierfür ist das französische Märchen vom „Tod im Pflaumenbaum“. Es hande… | |
von einer guten Frau, die allen hilft, auch einem Heiligen, der ihr | |
daraufhin einen Wunsch gewährt. Sie wünscht sich, dass sie jeden, der auf | |
ihren Pflaumenbaum klettert, so lang dort festhalten kann, wie sie mag. | |
## Der Tod ist nett | |
Was dann passiert, ist klar. Der Tod will sie holen, sie wünscht sich | |
Pflaumen als letzte Mahlzeit, er kommt nicht mehr runter. Dann geht es | |
erstaunlich weiter: Die Ärzte verzweifeln, weil selbst die „elendsten | |
Geschöpfe“ nicht mehr sterben können. Der Tod muss versprechen, die Frau zu | |
verschonen, und darf wieder runter. | |
Doch auch andere Märchen sind fürs Berliner Publikum gut gewählt, ist die | |
Stadt doch in Sachen Kinderarmut Spitzenreiter, kommen hier doch viele | |
Menschen aus Kriegsgebieten an, machen hier doch Kinder regelmäßig beim | |
Klimastreik mit. Zum Beispiel das afrikanische Märchen „Die kleine Blume“, | |
wo eine einzige Blume die große Trockenheit überlebt. | |
Oder das moderne Märchen „Ente, Tod und Tulpe“ von Wolf Erlbruch. Da kommt | |
ein sehr netter Tod zur Ente. Als er mit ihr in den Teich geht, wärmt die | |
Ente den Tod sogar. | |
3 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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