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# taz.de -- Situation in ukrainischen Gefängnissen: Schutzlos hinter Gittern
> In Kyjiw sitzen neben ukrainischen Kleinkriminellen auch russische
> Kriegsgefangene in Haft – unter ähnlich schlechten Bedingungen. Ein
> Ortsbesuch.
Kyjiw taz | Zwei Kätzchen sitzen auf einem Treppenabsatz vor einer grauen
Tür im Innenhof. Das Gebäude dahinter ist mit einem grau-braunen Mosaik
verziert. Links davon steht etwas versetzt eine Kapelle. Auf der goldenen
Kuppel ist ein Kreuz zu sehen, das über die Dächer der umliegenden Gebäude
hinwegragt.
Das Untersuchungsgefängnis Lukjaniwska liegt nordwestlich des Zentrums von
Kyjiw, unweit des Zoos der Stadt und der Gedenkstätte von [1][Babyn Jar].
Einer Schlucht, in der die deutschen Nazis 1941 innerhalb von nur zwei
Tagen mehr als 30.000 Jüdinnen und Juden erschossen. Im
Lukjaniwska-Gefängnis hielt die Wehrmacht vor allem Widerstandskämpfer
fest.
Damals war der Gefängniskomplex schon fast 100 Jahre alt. Die meisten
Gebäude, die heute hinter den Mauern stehen, wurden allerdings erst später
gebaut. Über die Zeit saßen hier bekannte Personen ein: der Chef des
sowjetischen Geheimdienstes Feliks Dzierżyński, der armenische
Filmregisseur Sergei Paradschanow, die wegen Korruption beschuldigte
ehemalige Premierministerin Julia Timoschenko. Die Mehrzahl der Gefangenen
waren und sind aber Unbekannte, die wegen Diebstahls oder Raubs
festgenommen wurden und auf ihre Verurteilung warten – seit dem russischen
Angriffskrieg am 24. Februar teils noch länger als sonst. Wie ist der Krieg
im Gefängnis außerdem zu spüren?
Mehrere hohe Mauern und ein Stacheldraht sichern das Gelände des
Untersuchungsgefängnisses. Hinein kommt man durch eine kleine graue Tür.
Ein Schild führt alle Gegenstände auf, die Besucher*innen nicht mit
hineinnehmen dürfen – darunter auch Gitarren, Hanteln und Kochtöpfe. Das
Einlasspersonal sitzt versteckt hinter einem verzierten Gitter und einer
abgedunkelten Scheibe. Durch einen Schlitz nimmt es Personaldokumente
entgegen. Taschen müssen in Schließfächer eingeschlossen werden.
Über den Gebäudekomplex führt Anastasia, ihren Nachnamen will sie nicht
nennen. Sie arbeitet in der sozialpädagogisch-therapeutischen Abteilung des
Untersuchungsgefängnisses. Die Türen zu den unterschiedlichen Gebäudeteilen
öffnet sie mal mit einem riesigen Schlüssel, mal einfach per Knopfdruck,
dann wieder mit einem Chip an ihrem Schlüsselbund.
Rund 116.000 Gefangene gab es im Jahr 1990 in der Ukraine. Als das Land ein
Jahr später seine Unabhängigkeit erlangte, schoss die Zahl in die Höhe:
Knapp 130.000 im Jahr 1993, schon über 200.000 drei Jahre später und
schließlich fast 220.000 im Jahr 2000 gibt der World Prison Brief des
[2][Institute for Crime and Justice Policy Research] der University of
London an. Ab da sanken die Zahlen wieder.
Vor dem 24. Februar 2022 waren nach Angaben des Justizministeriums der
Ukraine 48.000 Menschen in 109 Gefängnissen inhaftiert. Damit kamen etwa
125 Gefangene auf 100.000 Einwohner des Landes. In Deutschland sind es
lediglich 72. Die Ukraine liegt damit aber bei Weitem nicht auf einem
Spitzenplatz: In Russland lag die Rate im Jahr 2020 bei rund 360, in den
USA im Jahr 2018 bei 642.
Den starken Rückgang in den vergangenen 30 Jahren führt Olena Vysotska,
stellvertretende Justizministerin der Ukraine, auf Reformen zurück. Heute
dürfen insbesondere wesentlich mehr Straftaten auf Bewährung ausgesetzt
werden. Und weitere Reformen sind geplant: Einfache Diebstähle sollen
weniger hart bestraft werden, soziale Arbeit soll Haftstrafen ersetzen.
Außerdem sollen die Lebensbedingungen in Haft verbessert werden: kleinere
Zellen mit weniger Häftlingen, bessere Ausstattung, besseres Essen. Doch
seit dem 24. Februar ruht das Vorhaben.
Die genaue aktuelle Zahl von Gefangenen ist schwer zu bestimmen. Einige
Haftanstalten liegen in von Russland annektierten Gebieten. Was dort mit
den Gefangenen geschieht, ist nicht immer bekannt. Vier Haftanstalten
liegen auf der Krim, 36 in den Regionen Donezk und Luhansk und 29 weitere
in Gebieten, über welche die Ukraine keine Kontrolle mehr hat oder
zwischenzeitlich nicht hatte. So heißt es in einem aktuellen Bericht der
Menschenrechtsgruppe Charkiw von Anfang November. Auch dadurch sank die
Zahl der Gefangenen des Landes wieder.
Als Anastasia im Untersuchungsgefängnis Lukjaniwska eine Zelle aufschließt,
huscht eine Katze heraus. Ja, Haustiere seien den Gefangenen erlaubt,
bestätigt sie. Der Raum, grob geschätzt 40 Quadratmeter groß, ist voll
gestellt mit Doppelstockbetten. Keine Bettwäsche gleicht der anderen. 21
Männer sind hier untergebracht, sie teilen sich ein einziges in den Boden
eingelassenes Urinal. Mahlzeiten nehmen sie in der Zelle ein, auch sonst
verbringen sie die meiste Zeit hier drinnen. Hofgang haben sie lediglich
eine Stunde am Tag. Solange sie in Untersuchungshaft sind, dürfen sie nicht
arbeiten. Es ist nicht leicht, die langen Tage hier hinter sich zu bringen.
Andrej, grüne Trainingsjacke, kurze schwarze Hose und Badelatschen mit
Wollstrümpfen an den Füßen, geht seit fünf Jahren im Gefängnis ein und aus.
Er ist als Einziger bereit zu sprechen. Dieses Mal sitzt er wegen
Diebstahls und Körperverletzung – schon seit einem Jahr. Ohne den Krieg
wäre er längst nicht mehr hier, sagt er. Seit dem 24. Februar dauere alles
länger.
Immerhin, Besuche von Freunden und Familie seien nur im ersten Kriegsmonat
verboten gewesen. Seitdem seien sie wieder erlaubt. Über den Verlauf des
Kriegs weiß er nicht viel. Er hofft nur, dass er bald vorbei ist – und er
entlassen wird.
Im Mai berichteten Zeitungen, dass die Ukraine Gefangene entlassen habe,
die in den Krieg ziehen wollten. Tatsächlich, so heißt es heute, betraf das
nicht einmal 400 Insassen: Es waren hauptsächlich Männer, die an der Waffe
trainiert und wegen nur geringfügiger Delikte wie Diebstählen inhaftiert
waren.
Die Gefängnismauern schützen nicht automatisch vor Bomben. „Die meisten
Gebäude wurden in Sowjetzeiten gebaut“, sagt Olena Vysotska. Die Mauern
seien nicht besonders dick, die Anstalten nicht unterkellert. Schutzbunker
gebe es nirgends. Das Untersuchungsgefängnis Lukjaniwskablieb bisher von
Bombardierungen verschont. Im Rest des Landes wurden Medienberichten
zufolge mehrere Gefängnisse von Raketen getroffen.
Am 10. Oktober trafen russische Raketen etwa eine Jugendhaftanstalt in
Krementschuk. Dort wurde hauptsächlich das Fensterglas zerstört. Nach der
Befreiung Charkiws im November wurde das dortige Untersuchungsgefängnis am
4. Dezember von russischen Raketen getroffen. Mitarbeiter*innen wurden
verwundet, die Gefangenen verlegt. Auch in anderen Gefängnissen soll es
Verletzte gegeben haben. Berichte über Tote gibt es kaum. Weil die Gebäude
teils zerstört wurden, mussten einige Gefangene evakuiert werden.
„Auf eine Situation wie diese waren wir nicht vorbereitet“, sagt die
stellvertretende Justizministerin. Sie hat zum Gespräch ins Ministerium
eingeladen. Im zweiten Stock öffnet die Treppe hin zu einem großen Foyer,
das zum Besucher- und Konferenzraum umfunktioniert wurde. An den Wänden
sind farbenfrohe Bilder zu sehen, gemalt von Gefangenen. Vysotska trägt
eine schwarze Hose und einen fliederfarbenen dicken Pullover.
Sie spricht ruhig, sachlich und verzichtet auf Wortbilder oder
populistische Bonmots, die sich gut zitieren ließen. Dafür betont sie umso
deutlicher, dass die Gefängnisse in der Ukraine in einem schlechten Zustand
sind. Strom und Heizung habe es schon zu Friedenszeiten nicht immer
gegeben. Dass Russland seit dem 10. Oktober gezielt ukrainische
Infrastruktur angreift, erschwere die Situation noch weiter.
„Wir brauchen Generatoren“, sagt sie. In der Ukraine gebe es aber kaum mehr
welche, und außerdem fehle es an Geld. Vysotska setzt auf internationale
Hilfe. Sie bräuchten Strom für Kühlschränke, die Essenszubereitung, aber
auch für die Überwachung der Zellen. Die Gefängnisse würden bereits mehr
Wärter beschäftigen, um Sicherheitskameras zu ersetzen. Ob es in den
Haftanstalten auch Schließsysteme gebe, die automatisch per Knopfdruck
Zellen öffnen und schließen könnten, wie man es aus amerikanischen Serien
kennt? Ausnahmsweise lächelt die stellvertretende Ministerin. „So moderne
Systeme haben wir hier nicht – und in dieser Situation ist das tatsächlich
mal ein Vorteil für uns.“
Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International oder die
ukrainische Menschenrechtsgruppe Charkiw machen seit Jahrzehnten auf die
schlechten Lebensbedingungen von Gefangenen in der Ukraine aufmerksam. In
Berichten von 2005 und 2011 kritisierte Amnesty International
beispielsweise die unzureichende medizinische Versorgung von Häftlingen und
die Diskriminierung von Minderheiten durch Sicherheitskräfte. Auch von
Folter war die Rede.
Die Menschenrechtsgruppe Charkiw besucht regelmäßig Gefängnisse in der
gesamten Ukraine und spricht mit dem Personal sowie mit Häftlingen. In
einem Bericht vom Juni 2021 heißt es, dass einige Haftanstalten so
überbelegt sind, dass es nicht genügend Betten für alle Inhaftierten gibt
und manche nur abwechselnd schlafen können. Beschwerden gebe es regelmäßig
wegen zu kleiner Zellen, wenig Licht und Frischluft, fehlender Tische oder
Stühle in den Zellen. Regelmäßig träten Gefangene in den Hungerstreik oder
verletzten sich aus Protest selbst.
## Krieg hat Situation verschärft
Die Bedingungen in den Untersuchungshaftanstalten seien in der Regel
schlechter als in regulären Gefängnissen. Bessere Bedingungen gebe es
außerdem für Frauen und Kinder oder Gefangene, die [3][selbst für ihre
Zellen zahlen]. Diese Möglichkeit gibt es in der Ukraine seit etwa zwei
Jahren. Trotz des Kriegs hat die Menschenrechtsgruppe Charkiw auch in
diesem Jahr ihre Monitoringbesuche in Gefängnissen in den von der Ukraine
kontrollierten Gebieten fortgesetzt. Und zieht das Fazit: „Verletzungen der
Rechte von Gefangenen sind in der Ukraine an der Tagesordnung und werden
auch in Zeiten des Krieges weiter begangen. Der Krieg hat die
Verletzlichkeit von Gefangenen allerdings noch verschärft.“
Um die Bedingungen in den Gefängnissen allgemein zu verbessern, fehle es
schlicht an Geldern, stellt die Menschenrechtsgruppe fest. Die meisten
Einrichtungen erhielten nur etwa fünf Prozent der von ihnen benötigten
Gelder. Mit dem Krieg fallen noch mehr unerwartete Kosten an.
Zurück im Untersuchungsgefängnis: Als Anastasia eine weitere Tür öffnet,
wartet dahinter ein Hund an der Leine eines Wärters. Aus dem Untergeschoss
schlägt einem ein starker Stallgeruch entgegen. Er wird schwächer, je
weiter es die Treppen hinaufgeht. Im zweiten Stock gehen an beiden Seiten
des Gangs etwa 20 Zellen ab. An jeder Zellentür ist ein DIN-A4-Zettel
angebracht: „Kriegsgefangene“ ist dort auf Ukrainisch zu lesen.
An diesem Donnerstag Anfang November sind hier 45 russische Kriegsgefangene
untergebracht, sagt Anastasia. Die Zahlen schwanken, an einem Tag seien es
mehr, am nächsten weniger. In der Regel endet ihre Haft mit einem
Gefangenenaustausch. Ein Wärter öffnet eine der Zellen. Mit drei Kollegen
geht er hinein, sie sprechen kurz mit den Gefangenen, führen zwei hinaus
und bringen sie in die Nachbarzelle. Einer sieht nicht älter als 18 oder 19
Jahre aus. Übrig bleiben drei Männer, die aufrecht vor den drei metallenen
Doppelstockbetten stehen. Einer stützt sich auf Krücken.
Die Betten sind eierschalengelb gestrichen, darauf sind dünne Matratzen,
graue Felddecken, ordentlich festgesteckt, und weiße Kissenbezüge. Ein Bett
ist frei, die Zimmergenossen nutzen es als Ablagefläche – vor allem für
Bücher. Über die Hälfte der Wand erstreckt sich eine Tapete: Auf einem von
Bäumen umgebenen See schwimmen ein paar Schwäne.
Die Fragen beantwortet hauptsächlich Evgeny, sein Alter ist schwer
einzuschätzen, er könnte wohl etwas über 50 Jahre alt sein. Er und Akir
seien bereits seit acht Monaten hier im Untersuchungsgefängnis. Damit
wurden sie kurz nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine
festgenommen und hergebracht. Konstantin, der Dritte und Jüngste, er ist
etwa Anfang 30, geriet in der Nähe von Charkiw in die Hände der
ukrainischen Armee und ist seit September hier in Haft.
Evgeny erzählt auf Nachfrage etwas über die Haftbedingungen und den Alltag
im Gefängnis. „Über das Essen kann ich mich nicht beschweren.“ Morgens vor
dem Frühstück würden sie ein wenig trainieren, nach dem Frühstück lesen.
Dann Mittagessen, eine Stunde auf dem Hof, den Rest des Tages dann wieder
in der Zelle verbringen. Einmal pro Woche komme eine Mitarbeiterin der
Gefängnisbibliothek vorbei und bringe Bücher.
Die Frage, ob sie freiwillig in die Armee eingetreten sind, beantworten
alle drei Gefangenen mit Ja. Ob sie ihre Entscheidung nun bereuen?
Konstantin setzt sich, atmet hörbar aus. „Gute Frage.“ Evgeny sagt: „Sehr
schwer zu beantworten. Manchmal ja, manchmal nein.“ Er sei zwar freiwillig
in die Armee eingetreten, aber schon lange vor dem Krieg gegen die Ukraine.
Es klingt nicht, als seien sie überzeugt davon, mit dem Einmarsch ins
Nachbarland das Richtige getan zu haben. Aber vielleicht würden sie auch
anders sprechen, wenn sie nicht vom Feind festgenommen worden wären. Oder
sie hätten eine andere Meinung, wenn sie nicht im Gefängnis säßen und mit
einer Journalistin aus Deutschland reden würden, während vier ukrainische
Wärter in der Tür stehen.
Ob sie eine Vorstellung davon haben, wie lange sie noch in
Untersuchungshaft bleiben müssen? Achselzucken. Keine Ahnung. „Das weiß
hier niemand“, sagt ein Wärter. Auf dem Weg aus der Zelle fragt einer der
Gefangenen die Justizbeamten, ob sie eine Zigarette für ihn haben. Es wird
kurz gelacht, die Anspannung des Gesprächs ist vorüber, die Zigarette
wechselt den Besitzer.
Was mit den [4][ukrainischen Gefangenen] in den von Russland besetzten
Gebieten geschieht, ist weitgehend unbekannt. Der Zugang zu ihnen ist kaum
möglich. Informationen, die der Menschenrechtsgruppe Charkiw zugetragen
wurden oder die diese aus öffentlich zugänglichen Quellen zusammengetragen
hat, ließen sich kaum verifizieren, heißt es in einem Bericht. Einige
sollen auf die Krim oder nach Russland verschleppt, andere erschossen
worden sein. Es gebe Berichte von Überbelegung, Nahrungsmittelmangel und
von Kollaboration.
Von Konstantin Panteley hört man als Erstes die Glöckchen. Dann riecht man
den Weihrauch. Erst nach einer Weile tritt er, das an Ketten befestigte
Weihrauchfass rhythmisch schüttelnd, durch die linke Tür, schreitet zur
Mitte der kleinen Kapelle im Innenhof des Gefängnisses und verschwindet
wieder hinter einer Wand im hinteren Teil des Gotteshauses. Das wiederholt
sich mehrere Male.
Die Kapelle, in der Panteley jeden Sonntag um 8.30 Uhr morgens den
Gottesdienst hält, heißt Sankt-Nikolai-Kirche auf Askolds Grab. Zumindest
der Legende nach wurde hier auf dem Hügel mit Blick auf den Fluss Dnipro
der Warägerfürst Askold begraben. Er soll im 9. Jahrhundert Kyjiw gegründet
haben. Damit wäre hier die Wiege der Kyjiwer Rus, deren Erbe das Russland
unter Wladimir Putin für sich beanspruchen will.
Panteley leitet die Gefängnisseelsorge der Ukrainischen
griechisch-katholischen Kirche (UGKK). 1946 war sie mit der
russisch-orthodoxen zwangsfusioniert worden. Priester der UGKK wurden
verfolgt, inhaftiert und ermordet. Erst 1989 wurde die Kirche wieder
ausgegliedert und gehört heute zur Katholischen Kirche in Rom.
„Wir kennen Gefängnisse von innen. Auch deshalb engagieren wir uns in der
Gefängnisseelsorge“, sagt Panteley nach dem Gottesdienst bei Kaffee und
Gebäck in einem kleinen Holzhäuschen hinter der Kapelle. Tatsächlich war
seine Kirche bereits vor dem Zweiten Weltkrieg in der Gefängnisseelsorge
aktiv. Mit Wiedererlangen der Selbstständigkeit nahmen die Priester den
Dienst wieder auf. Heute ist die UGKK Teil eines internationalen Netzwerks
der christlichen Straffälligenhilfe.
Drei- bis viermal pro Woche besucht Panteley das Untersuchungsgefängnis
Lukjaniwska. An kirchlichen Feiertagen geht er die Zellen ab, verteilt
Heiligenbilder, kleine Kreuze und bietet den Gefangenen ein Gespräch an.
Wer ein Anliegen hat, wird auf einer Liste eingetragen und ein Termin wird
vereinbart. Von Wärtern begleitet, werden die Gefangenen dann zu ihm in die
Kapelle gebracht, wo er alleine mit ihnen sprechen kann. „Meistens reden
wir über spirituelle Fragen“, sagt Panteley. Einige legen auch die Beichte
bei ihm ab. „Ich sage aber immer vorab, dass sie keine Details preisgeben
sollen: keine Namen, keine genauen Orte oder Umstände“, sagt Panteley und
fügt hinzu: „Alles, was mir erzählt wird, behalte ich in meinem Herzen.“
Selbst in seinen Gottesdiensten erzähle er nicht einmal beispielhaft, was
er im Gefängnis höre. „Es geht darum, glaubwürdig zu sein und das Vertrauen
nicht zu verlieren.“
Dass sich die Bedingungen im Gefängnis allgemein verbessert haben,
bestätigt er aber. Noch 2011 sei das Untersuchungsgefängnis Lukjaniwska so
überbelegt gewesen, dass er selbst gesehen habe, wie Gefangene sich nur
abwechselnd schlafen legen konnten – sowohl Männer als auch Frauen. Seit
2012 können sie außerdem Pakete von draußen bekommen. Teilweise würden sie
sich ausschließlich von Essen ernähren, das ihnen Verwandte schicken. „Das
macht ihnen das Leben wenigstens etwas angenehmer, dass sie essen können,
was ihnen schmeckt.“ Andererseits seien die Gefangenen auf Pakete von
draußen angewiesen: Weder Kleidung noch Hygieneartikel würden vom Staat
gestellt. Wer keine Verwandten oder Freunde habe, benötige Hilfe seitens
der Kirche oder anderer humanitärer Organisationen.
16 Dec 2022
## LINKS
[1] /Raketen-auf-die-Gedenkstaette-Babyn-Jar/!5838939
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[3] /Strafvollzug-in-der-Ukraine/!5688645
[4] /Ukrainische-Kriegsgefangene/!5893048
## AUTOREN
Johanna Treblin
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