# taz.de -- Gefangenenaustausch zwischen Kyjiw und Moskau: Endlich nach Hause | |
> Die Ukraine und Russland tauschen Gefangene aus. Um den Kreml zu einem | |
> solchen Schritt zu bewegen, wird oft hinter verschlossenen Türen | |
> verhandelt. | |
Bild: Aus Russland zurückgekehrte ukrainische Kriegsgefangene bei der Ankunft … | |
CHARKIW taz | Hundert ukrainische und 106 russische Kriegsgefangene konnten | |
am Montag ihre Heimreise antreten. Dies berichten ukrainische und russische | |
Medien übereinstimmend. Unter den freigelassenen ukrainischen | |
Kriegsgefangenen befinden sich auch 20 Frauen. Die Bekannteste unter ihnen | |
ist die Journalistin, Dichterin und ehemalige Dozentin für Journalistik an | |
der Staatlichen Universität von Mariupol, Waleria Subotina. Sie hatte | |
Anfang Mai 2022 im umkämpften Mariupol [1][den Grenzsoldaten Andrji | |
geheiratet]. Drei Tage nach der Hochzeit war ihr Geliebter bei den Kämpfen | |
ums Leben gekommen. | |
„Es war kein einfacher Austausch“, zitiert nv.ua Andrij Jermak, den Leiter | |
der Präsidialadministration. „Und so freue ich mich besonders für die | |
Angehörigen der Freigelassenen. Sie warten schon seit Langem auf ihre | |
Ehemänner, Ehefrauen und Eltern. Das Warten ist immer ein sehr schwieriger | |
und nervenzehrender Prozess.“ Nun warte auf die Freigelassenen erst einmal | |
eine medizinische Behandlung und Unterstützung in organisatorischen Fragen, | |
wie etwa dem Erneuern von Bankkarten. | |
Über die Details der russisch-ukrainischen Verhandlungen zum Austausch von | |
Gefangenen ist wenig bekannt. Mehrfach hatten sich in den vergangenen | |
Monaten der ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Dmytro Lubinetz und die | |
russische Menschenrechsbeauftragte Tatjana Moskalkowa an der Front und in | |
der Türkei getroffen, um Gefangenenaustauschaktionen auszuhandeln. | |
Seit Februar 2022 habe die Ukraine mit [2][Gefangenenaustauschaktionen] | |
2.105 Menschen aus der russischen Gefangenschaft befreit, zitiert die | |
Agentur urkinform.ua den ukrainischen Menschenrechtsbeauftragten Dmytro | |
Lubinets. | |
## Russische Seite „ohne Enthusiasmus“ für Angebote | |
Ohne Bedingungen habe die Ukraine im März Russland alle schwerverletzten | |
Gefangenen überstellt, die transportfähig gewesen seien, berichtet die | |
Nachrichtenagentur Unian. Moskau, das derzeit ungefähr 800 ukrainische | |
Kriegsgefangene festhalte, sei gegen einen Gefangenenaustausch nach dem | |
Prinzip „Alle gegen alle“, so Unian. | |
Anlässlich des muslimischen Fastenmonats Ramadan habe die Ukraine im März | |
einen Austausch aller muslimischen Kriegsgefangenen vorgeschlagen, zitiert | |
slovoidilo.ua Daria Sariwna, Beraterin des Chefs der ukrainischen | |
Präsidialadministration. | |
Doch die russische Seite habe „ohne Enthusiasmus“ auf diesen Vorschlag | |
reagiert. Gleichwohl, so Sariwna: „Das ukrainische Verhandlungsteam ist | |
sehr aktiv.“ Man sei immer kreativ, sei immer auf der Suche nach neuen | |
Wegen und Möglichkeiten, um weiteren Gefangenen die Freiheit zu erkämpfen. | |
39-mal schon, so heißt es auf der Plattform slovoidilo.ua, seien seit März | |
2022 Gefangenenaustauschaktionen gelungen. | |
Man wisse sehr genau, wer sich aktuell i[3][n Kriegsgefangenschaft] | |
befinde, erklärte der ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Dmytro Lubinetz | |
ukrainischen Medien. Doch im Gegensatz zum Nachrichtenportal Unian will er | |
keine Angaben zu Zahlen machen. Weder zu den eigenen noch zu den russischen | |
Gefangenen. Mit dieser Vorgehensweise, so Lubinetz, sei man effektiver bei | |
weiteren Gefangenenaustauschaktionen. | |
## Sinn- und ziellose Folter | |
Die am Montag Freigelassenen, sagte Lubinets außerdem, seien in einem | |
teilweise medizinisch besorgniserregenden Zustand. „Unter den | |
Freigelassenen sind Schwerverletzte, Menschen, die sehr viel Gewicht | |
verloren haben, und solche, die psychisch dringend betreut werden müssen. | |
Das beweist, dass Russland unsere Kriegsgefangenen weiterhin unter | |
unangemessenen Bedingungen hält, manchmal ohne ihnen das Nötigste zu geben, | |
zum Beispiel ausreichend Nahrung oder Wasser“, sagte der Ombudsmann. | |
Viktor Marintschjak, Prior der Kirche des heiligen Johannes, die zur | |
Orthodoxen Kirche der Ukraine gehört, weiß, wie viel Leid sich hinter | |
solchen Nachrichten verbirgt. Immer wieder spreche und weine er mit | |
Angehörigen von Kriegsgefangenen, die zu ihm kämen. Sie befänden sich in | |
einer Art permanentem Schock. „Letztlich kann ich sie nicht trösten“, | |
beklagt er in einem kleinen Nebenraum seiner Kirche in Charkiw gegenüber | |
der taz. Die ukrainischen Gefangenen, so weiß er zu berichten, würden | |
schlecht ernährt, erhielten keinerlei medizinische Versorgung. „Wer | |
Zahnschmerzen hat, muss sich selbst seinen Zahn herausreißen.“ | |
Und immer wieder die sinn- und ziellose Folter. Den Russen ginge es bei | |
diesen Verhören gar nicht darum, aus den Gefangenen irgendwelche | |
Geheimnisse zu erpressen. Sie wollten einfach nur die ukrainischen | |
Gefangenen erniedrigen, so der Priester. „Und wenn ein Gefangener bei | |
dieser Folter das Bewusstsein verliert, wird ein Eimer Wasser über ihn | |
gekippt – und dann geht die Folter weiter.“ Mitunter mit Elektroschocks, | |
berichtet der Priester. | |
21 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://nv.ua/ukraine/events/valeriya-karpilenko-nava-zashchitnicu-azovstal… | |
[2] /Russland-und-Ukraine-verhandeln/!5913541 | |
[3] /Ukrainische-Kriegsgefangene/!5893048 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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