# taz.de -- Bundesverdienstkreuz für Arzt: Engagiert für Papierlose | |
> Peter Reibisch setzt sich in Kiel für die medizinische Versorgung von | |
> Illegalisierten ein. Dafür hat er das Bundesverdienstkreuz bekommen. | |
Bild: Soll für alle ohne Angst vor Abschiebung zugänglich werden: medizinisch… | |
HAMBURG taz | Warum gerade er Anfang der Woche im Schloss Bellevue [1][vom | |
Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet] wurde, weiß | |
Peter Reibisch nicht. Im Medibüro Kiel, das sich für die | |
Gesundheitsversorgung von Papierlosen einsetzt, machten doch schließlich | |
gut ein Dutzend Ehrenamtlicher gleichberechtigt die Arbeit. | |
„Solange der Staat seine Verantwortung für die kranken Menschen nicht | |
wahrnimmt, wollen wir das übergangsweise ehrenamtlich übernehmen“, sagt | |
Reibisch. Der 78-Jährige ist seit gut elf Jahren Teil des Projekts und ein- | |
bis zweimal im Monat in der Sprechzeit vor Ort. Seit er in Rente ist, hat | |
er endlich Zeit, sich zu engagieren. Davor praktizierte er als | |
Allgemeinmediziner, als „moderner Familienarzt“ am eher armen Ostufer, | |
„gesprächsorientiert und mit vielen Hausbesuchen“, sagt er. | |
[2][Das Medibüro bietet einmal in der Woche eine Sprechstunde an], in der | |
illegalisierte Menschen sich Hilfe suchen können – ohne die Angst, | |
anschließend ausgewiesen zu werden. Ein Zweier-Team berät die | |
Hilfesuchenden und verweist sie an eine von 50 Kieler Arztpraxen, die | |
bereit sind, ab und zu ehrenamtlich oder für wenig Geld Menschen zu | |
behandeln. | |
Reibisch und seine Mitstreiter*innen haben auch dafür gesorgt, dass die | |
Stadt Kiel die halbe Stelle einer Gynäkologin finanziert, [3][die so | |
illegalisierte Schwangere betreuen kann]. Mit einem Krankenhaus haben sie | |
vereinbart, dass dieses Geburten von Papierlosen für 300 statt der üblichen | |
2.000 Euro betreut. [4][Außerdem setzen sie sich auf Bundesebene für einen | |
anonymisierten Krankenschein ein]. | |
Geboren in Lübeck und aufgewachsen in Lübeck und Kiel fand er seinen Weg | |
zur Medizin durch seine Familie, in der es „viele Ärzte“ gab. Zu Beginn, | |
erzählt Reibisch, stand für ihn die Idee im Vordergrund, Menschen zu helfen | |
und Gutes zu tun. | |
Zur Bundeswehr wollte er nicht, um sich sein Studium zu finanzieren. Er hat | |
es auch so geschafft, auch wenn das Geld knapp war in einer Familie mit | |
fünf Kindern. Schon während seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt | |
begann er zu fotografieren. Die Kunst ist für ihn ein Ausgleich zur | |
Naturwissenschaft. | |
Reibisch freut sich über die Auszeichnung und [5][dass die Arbeit des | |
Medibüros gesehen wird]. Aber er wundert sich auch: „Wenn ich die selben | |
Wünsche in der Kommune äußere, dann wird es kompliziert.“ | |
Er fordert vom Staat vor allem, „diesen verletzlichen kranken Menschen eine | |
gute Behandlung zu geben“. Und zwar ohne dass die Bedingung ist, dass diese | |
nach einer Behandlung abgeschoben werden. | |
9 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Bundesverdienstkreuz-fuer-Dominik-Bloh/!5896628 | |
[2] https://www.medibuero-kiel.de/ | |
[3] /Zentralisierung-von-Geburtsstationen/!5831073 | |
[4] /Gesundheitsversorgung-fuer-Gefluechtete/!5870395 | |
[5] /Papierlose-ohne-medizinische-Versorgung/!5678215 | |
## AUTOREN | |
Franziska Betz | |
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