# taz.de -- Begrüßungsgeld für Berliner*innen: Arm, aber unsexy | |
> Weil Berlin nach dem Zensus die Gelder fehlen, will die | |
> Wirtschaftssenatorin das Begrüßungsgeld wiedereinführen. Da ist noch Luft | |
> nach oben. | |
Bild: Begrüßungsgeld gab es in Berlin schon einmal. Damals waren es 100 Mark | |
Berlin braucht Geld. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) holt | |
deshalb eine alte Idee aus der Mottenkiste: Weil in der Hauptstadt mehr | |
Menschen leben, als hier gemeldet sind – zum Stichtag 15. Mai 2022 waren es | |
[1][laut jüngstem Zensus] 3,6 Millionen Menschen und damit 129.000 weniger | |
als gedacht -, sollen Menschen, die hier ihren Wohnsitz anmelden, 100 Euro | |
bekommen. | |
Das ist mit Blick auf die Inflation zumindest eine angemessene Steigerung | |
des Begrüßungsgeldes von 50 Euro, das 2016 an Studierende gezahlt wurde. Im | |
Vergleich zu anderen Städten kann Berlin damit jedoch keinen Blumentopf | |
beziehungsweise Studi gewinnen. | |
So bekommt man in Brandenburg an der Havel eine Wohnsitzprämie von 100 Euro | |
– und zwar pro Jahr und nicht einmalig. In Cottbus sind es sogar 200 Euro | |
pro Studienjahr, in Senftenberg gibt es immerhin einen jährlichen Bonus von | |
100 Euro in Form von Gutscheinen. | |
## Sich in Berlin zu melden ist gar nicht so einfach | |
Es sind jedoch nicht nur Student*innen, die noch in ihrer Heimatstadt | |
gemeldet sind, die Berlin künstlich klein und arm schrumpfen. Es gibt auch | |
zahlreiche Einwohner*innen, die sich lieber in ihrem Wochenendhäuschen oder | |
-grundstück in Brandenburg melden, weil sie die Schnauze voll haben vom | |
Berliner Behördenchaos. | |
Denn mit einer Anmeldung in Berlin sind durchaus Nachteile verbunden: Erst | |
einmal braucht es dafür einen [2][Termin beim Bürger*innenamt]. Und das | |
kann bekanntlich Wochen bis Jahre dauern. Auch einen neuen Personalausweis | |
oder Reisepass zu beantragen, sein Auto an- oder abzumelden oder ein | |
Gewerbe anzumelden, dauert ewig. Im Nachbarland geht das schneller. Zumal | |
es bei der Steuer durchaus vorteilhaft ist, mehr Kilometer für den | |
Arbeitsweg angeben zu können. | |
Allein dafür müsste Giffey auf die 100 Euro also noch ordentlich was | |
draufschlagen. Schließlich lohnt sich das Begrüßungsgeld doppelt und | |
dreifach. „Durch jeden, der nicht in Berlin gemeldet ist, gehen der Stadt | |
in der bundesweiten Finanzmittelzuweisung über 3.000 Euro verloren“, so | |
Giffey. Angesichts dessen erscheinen 100 Euro ganz schön knauserig. | |
Studierende und Behördenmuffel sind jedoch nicht die einzigen, die in | |
Berlin leben und nicht hier gemeldet sind. So leben in der Hauptstadt | |
zahlreiche [3][Migrant*innen ohne Papiere]. Ein Legalisierungsprogramm | |
für Menschen ohne Aufenthaltsstatus wäre eine Win-win-Situation: Ein längst | |
überfälliger menschlicher Akt der „[4][Solidarity City Berlin]“, der die | |
gesellschaftliche Realität anerkennt, statt sie zu ignorieren, und der | |
zudem Geld in die klammen öffentlichen Kassen spült. | |
Wenn diese Menschen dann auch eine Arbeitserlaubnis bekommen, hätten wir | |
eine wirksame Maßnahme gegen den [5][Mangel an Arbeitskräften] und gegen | |
Schwarzarbeit. Der wirtschaftliche Schaden durch illegale Beschäftigung lag | |
im vergangenen Jahr offiziell immerhin bei mehr als 23 Millionen Euro. | |
Das ist zwar längst nicht so viel wie die 450 Millionen Euro pro Jahr, die | |
Berlin nun wegen des Zensus zurückzahlen muss. Aber mit einem Bonus für | |
Studis, Pseudo-Brandenburger*innen und Illegalisierte dürfte doch einiges | |
zusammenkommen. Wenn sie es denn schaffen, einen Termin im | |
Bürger*innenamt zu ergattern. | |
24 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Marie Frank | |
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