# taz.de -- Gesundheitsversorgung für Geflüchtete: Kranke sollen zum Arzt geh… | |
> Bremen will in einem Modellprojekt Behandlungsscheine für Papierlose | |
> ausgeben. Damit ist die Stadt weiter als andere – aber Geld gibt's nur | |
> bis 2023. | |
Bild: Hier sollen auch nichtversicherte Geflüchtete gefahrlos Platz nehmen kö… | |
BREMEN taz | Mit einem Modellprojekt will das rot-grün-rote Bremen die | |
Versorgung papierloser Geflüchteter verbessern, die keine | |
Krankenversicherung haben. „Diese Initiative ist unbedingt nachahmenswert“, | |
sagt Marc Millies von [1][Refugio], einem Beratungs- und Behandlungszentrum | |
für Geflüchtete und Folteropfer in Bremen: „In den meisten Kommunen wird | |
ihnen der Zugang zur Gesundheitsversorgung nach wie vor erschwert oder | |
unmöglich gemacht.“ | |
Beschlossen haben [2][SPD, Grüne und Linke in der Bremischen Bürgerschaft] | |
diese Initiative bereits 2019 – umgesetzt wird sie gleichwohl erst jetzt. | |
Jedoch ist das Projekt befristet, bis Ende des kommenden Jahres, und auf | |
die Stadt Bremen beschränkt; Bremerhaven bleibt außen vor. | |
Die geschätzten Kosten von 1,45 Millionen Euro werden aus dem | |
[3][Bremen-Fonds] beglichen, der dazu da ist, mit [4][1,2 Milliarden Euro] | |
die Folgen der Pandemie abzumildern. Und die habe „den besonderen Bedarf | |
der Zielgruppe noch einmal verschärft“, sagt der Senat: Wer aus Sorge vor | |
den Ausländerbehörden nicht zu Ärzt:innen geht, riskiert einen schwereren | |
Verlauf einer Corona-Infektion. | |
Genaue Statistiken gibt es zwar nicht, „groben Schätzungen“ der | |
Landesregierung zufolge liegt die Zahl der Nicht-Krankenversicherten aber | |
allein im Land Bremen „im kleinen vierstelligen Bereich“. Und nicht nur das | |
Grundgesetz, auch die [5][Allgemeine Erklärung der Menschenrechte] oder der | |
UN-Sozialpakt kennt ein Recht auf Gesundheit. | |
Ursprünglich wollte Bremen in Zusammenarbeit mit der örtlichen AOK ja eine | |
anonyme Gesundheitskarte einführen – das gehe aber nicht, weil dafür die | |
rechtliche Grundlage im Sozialgesetzbuch fehle, so der Senat. Und das | |
wiederum ist Bundesrecht. Deshalb soll es nun Behandlungsscheine geben, die | |
Betroffenen den Zugang zu ärztlicher Versorgung sichern soll und die „bei | |
Bedarf“ auch pseudonymisiert ausgestellt werden sollen. | |
Bisher gab es nur die [6][Humanitäre Sprechstunde in den Räumen des | |
Gesundheitsamtes], die zwar kostenlos ist, aber nur zwei Stunden pro Woche | |
erreichbar ist und auch nur eine „Basisversorgung“ anbieten kann. Selbst | |
der Senat findet das „nicht ausreichend“ und muss zugeben, dass die Angst | |
der Betroffenen vor einer möglichen Meldung bei anderen Ämtern mitunter | |
verhindert, dass sie diese Humanitäre Sprechstunde aufsuchen. | |
„Mit diesem Modellprojekt wird der dringend notwendige Zugang zur | |
medizinischen Versorgung für alle gewährleistet“, sagt Marc Millies von | |
Refugio. Er fordert zugleich „die Einbeziehung qualifizierter | |
Sprachmittlung“ in das Projekt, weil sie „eine weitere Hürde in der | |
Diagnostik und medizinischen Behandlung darstellen kann“. | |
Träger des Projekts ist ein im April gegründeter „Verein zur Förderung der | |
gesundheitlichen und medizinischen Versorgung nichtversicherter und | |
papierloser Menschen in Bremen“ (MVP), der schon eine [7][Website] hat, die | |
gerade online ging, aber wie das restliche Angebot noch im Aufbau ist. | |
„Das ist eine erhebliche Verbesserung“, sagt Gundula Oerter vom [8][Bremer | |
Flüchtlingsrat] – denn der MVP ermöglicht Papierlosen auch den Zugang zu | |
Fachärzten. Für sie ist der Modellversuch zwar „eine gute Lösung“ – ab… | |
„nicht die beste: die Integration aller in die reguläre | |
Gesundheitsversorgung.“ | |
## Die nächste Landesregierung entscheidet neu | |
Problematisch könnten Krankheitsfälle werden, die eine spezialisierte, | |
langwierige und damit teure Behandlung erfordern – für das laufende Jahr | |
sind die Behandlungskosten auf 400.000, für das kommende Jahr auf 700.000 | |
Euro geschätzt worden. Und eine Perspektive für die Folgejahre hat das | |
Projekt bisher gar nicht – das ist Sache der neuen Landesregierung, die | |
2023 gewählt wird. | |
Geflüchtete erhalten Gesundheitsleistungen nach dem | |
Asylbewerberleistungsgesetz, je nach Bundesland oder Kommune ist das | |
entweder ein Krankenschein, der drei Monate gilt, oder eine elektronische | |
Gesundheitskarte. Erst nach 15 Monaten kommen sie in die [9][reguläre | |
Gesundheitsversorgung]. Aus Sicht des Flüchtlingsrats sei das ein | |
„verfassungswidriger“ Zustand, sagt Oerter, die vehement eine Abschaffung | |
des Asylbewerberleistungsgesetzes fordert. | |
Initiativen für Papierlose, wie sie Bremen jetzt hat, gebe es „in wenigen | |
anderen Städten“, so Oerter – Bremen orientiert sich nach eigenen Angaben | |
an einem Modell aus Thüringen. Im November eröffnete in Bonn der Verein | |
„Anonymer Krankenschein Bonn“ eine Anlaufstelle, ähnliche Modelle in | |
Göttingen und Hannover waren laut des „[10][Informationsportals von | |
Medibüros/Medinetzen“] 2018 ausgelaufen. | |
10 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.refugio-bremen.de/ | |
[2] https://sd.bremische-buergerschaft.de/vorgang/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZfAS3… | |
[3] https://www.rathaus.bremen.de/sitzung-des-bremer-senats-104203?asl=bremen54… | |
[4] https://www.senatspressestelle.bremen.de/pressemitteilungen/bremer-senat-br… | |
[5] https://www.bmz.de/de/entwicklungspolitik/menschenrecht-gesundheit | |
[6] https://www.gesundheitsamt.bremen.de/humanitaere-sprechstunde-3655 | |
[7] https://www.mvp-bremen.de/ | |
[8] https://www.fluechtlingsrat-bremen.de/ | |
[9] http://gesundheit-gefluechtete.info/wie-ist-die-gesundheitsversorgung-fuer-… | |
[10] http://gesundheit-gefluechtete.info/ | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
## TAGS | |
Papierlose | |
Geflüchtete | |
Schwerpunkt Flucht | |
R2G Bremen | |
Bremen | |
Bremen | |
Bremen | |
Papierlose | |
Gesundheit | |
Gesundheitspolitik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bremer*innen ohne Krankenversicherung: Endlich Arzttermine für alle | |
Seit September werden Unversicherte in Bremen im regulären | |
Gesundheitssystem behandelt. Die Kosten übernimmt die Stadt. | |
Projekt für kulturelle Teilhabe: Freizeitspaß für alle! | |
Die Bremer „Freikarte“ soll Kindern und Jugendlichen etwas zurückgeben. | |
Jetzt muss der Senat sich auch darum kümmern, dass alle eine bekommen. | |
Impfungen für papierlose Menschen: Der Piks für wirklich alle | |
Auch Illegalisierte oder Menschen ohne Krankenversicherung können sich in | |
Berlin mittlerweile impfen lassen. Es gibt niedrigschwellige Angebote. | |
Anonyme Krankenscheine für Geflüchtete: Sozialbehörde als Gesundheitsrisiko | |
Dass Hamburg keine anonymen Krankenscheine für Papierlose in der | |
Coronakrise einführt, ist verantwortungslos. | |
Papierlose ohne medizinische Versorgung: Behandlung nur gegen Daten | |
Das Hamburger Medibüro fordert anonyme Krankenscheine in der Coronakrise. | |
Die Stadt verweist auf Angebote für jene, die sich registrieren lassen. |