| # taz.de -- Gigafactory in Grünheide: Tesla gräbt das Wasser ab | |
| > In Grünheide bereitet der Autobauer die nächste Stufe des Fabrikausbaus | |
| > vor. Umweltverbände befürchten starke Beeinträchtigungen für | |
| > Schutzgebiete. | |
| Bild: Ein Ufo im Wasserschutzgebiet: die Tesla-Fabrik in Grünheide | |
| Berlin/Grünheide taz | Der US-Elektroautobauer Tesla bereitet die nächste | |
| Ausbaustufe der [1][im März eröffneten Gigafactory Berlin-Brandenburg in | |
| Grünheide] vor. Auf bislang 300 Hektar arbeiten momentan nach Tesla-Angaben | |
| rund 7.000 Beschäftigte, 12.000 sollen es werden, die bis zu 500.000 | |
| Elektrofahrzeuge pro Jahr fertigen sollen. Noch in diesem Jahr soll die für | |
| eine neue Ausbaustufe erforderliche Genehmigung nach dem | |
| Bundes-Immissionsschutzgesetz beantragt werden. Dann könnten über eine | |
| Million Fahrzeuge vom Band rollen. Ende Oktober wurde deshalb mit der | |
| Rodung von 70 Hektar Kiefernwald begonnen. | |
| Diesen Schritt hatten Kritiker*innen der Gigafactory befürchtet. „Das, | |
| was jetzt momentan steht, ist alles im Wasserschutzgebiet“, sagt Steffen | |
| Schorcht an einem verregneten Herbstmorgen der taz. Der 62-jährige | |
| Ingenieur aus Erkner ist Mitglied in der Bürgerinitiative Grünheide und des | |
| Vereins für Natur und Landschaft Brandenburg. „In Erkner-Neubuchhorst | |
| wohnen zweieinhalbtausend Menschen, da sind eine Grundschule und mehrere | |
| Kindereinrichtungen in 3.000 Meter Entfernung zum Tesla-Gelände.“ Wenn es | |
| dort brennt, könnte davon eine „massive Bedrohung“ für Erkner ausgehen, | |
| befürchtet Schorcht. | |
| In diesem Jahr kam es auf dem Gelände bereits zu drei sogenannten | |
| „Störungen im Betriebsablauf“: Im April lief Elektrolytflüssigkeit aus, im | |
| August brannte Aluminiumschlacke. Zuletzt geriet Ende September eine | |
| Recyclinganlage in Brand, dort gelagerte Pappe, Holz und wahrscheinlich | |
| auch Plastik brannten. Da sich deren Überreste mit Löschwasser vermischt | |
| haben könnten, hat der zuständige Wasserverband Bodenproben entnommen. | |
| Diese haben jedoch nach monatelangen Untersuchungen keine Auffälligkeiten | |
| gezeigt. Der Lagerplatz, der in dieser Größenordnung nicht genehmigt war, | |
| wurde vorübergehend stillgelegt. Der Rechtsstreit darüber zwischen Tesla | |
| und dem Landesamt für Umwelt läuft noch. | |
| Der Verein für Natur und Landschaft Brandenburg [2][befürchtet eine | |
| Verschmutzung des Trinkwassers] und fordert erneut einen sofortigen | |
| Produktionsstopp. Das Wasserschutzgebiet stammt noch aus DDR-Zeiten und | |
| wurde erst im April 2019 in bundesdeutsches Recht überführt. „Und im | |
| November 2019 wurde bekannt gegeben, dass Tesla angesiedelt werden soll“, | |
| ärgert sich Schorcht. „Das war für mich die Motivation, mich zu | |
| engagieren.“ | |
| Im Firmenwagen (nicht von Tesla) fährt Schorcht rund um die riesige | |
| Baustelle. „Dort sind die Aluminiumgießerei und dahinter die Lackiererei, | |
| wo es die ‚Störungen im Betriebsablauf‘ gab, die aus unserer Sicht massive | |
| Gefährdungen darstellen.“ Obwohl das Werk im März 2022 offiziell eröffnet | |
| wurde, ist noch nicht einmal die Empfangshalle fertig. Schorcht zeigt nach | |
| rechts: „Da wird die Batteriefabrik gebaut, die ursprünglich gar nicht | |
| vorgesehen war.“ Noch im Februar 2021 hatte Brandenburgs Umweltminister | |
| Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) erklärt, es gebe dafür keinen Antrag. | |
| Doch [3][Tesla] griff zu einem Trick, beantragte den Bau einer Lagerhalle | |
| und dann dessen Umwandlung zur Batteriefabrik. Schorcht ist sicher, dass | |
| dieses Vorgehen System hat – „Salamitaktik“ nennt er das: „Tesla will | |
| zusätzliche Fläche erwerben, um auf etwas über 400 Hektar zu kommen. Und | |
| wir wollen nicht, dass diese Fläche noch erworben wird. Zum einen ist das | |
| zum Teil auch Wasserschutzgebiet, und zum anderen soll da zum Beispiel ein | |
| Güterbahnhof hin, als Voraussetzung dafür, dass die zweite und dritte | |
| Ausbaustufe kommt. Und diese würden die ganze Situation noch mal | |
| verschärfen, was Verkehr und Luftemissionen, aber auch den Wasserbedarf | |
| und die Gefährdung des Grundwassers betrifft.“ | |
| ## Der Bürgermeister steht auf der Seite Teslas | |
| Im Juli 2019 begannen die Verhandlungen über den Bau einer | |
| Tesla-Gigafactory in Brandenburg, bereits im November 2019 wurde die | |
| Ansiedlung bekannt gegeben. Seitdem ist die Gemeinde Grünheide gespalten. | |
| Bürgermeister Christiani (parteilos), seit 2003 im Amt, ist ein engagierter | |
| Befürworter des Projekts und hatte bislang die Mehrheit im zuständigen | |
| Gemeinderat auf seiner Seite. Die anstehende Abstimmung über die beantragte | |
| Tesla-Erweiterung wurde jedoch verschoben und soll nun voraussichtlich in | |
| der Gemeindevertreterversammlung am 8. Dezember erfolgen. | |
| Zunächst hatte Tesla seinen Wasserbedarf mit 3,6 Millionen Kubikmeter | |
| Wasser pro Jahr angegeben, diese Angaben dann jedoch auf 1,4 Millionen | |
| Kubikmeter reduziert, das ist immer noch der Wasserverbrauch einer | |
| Kleinstadt. Diese Menge konnte der zuständige [4][Wasserverband | |
| Strausberg-Erkner] (WSE) nicht zur Verfügung stellen und beantragte beim | |
| übergeordneten Landesamt für Umwelt eine Erhöhung der Fördermenge an drei | |
| Entnahmestellen im Verbandsgebiet. | |
| „Kurz nach Bekanntwerden der Tesla-Ansiedlung haben wir diese Anträge | |
| gestellt und in Blitzgeschwindigkeit sind die Genehmigungen Anfang März | |
| 2020 bei uns eingetroffen“, so die Sprecherin des WSE, Sandra Ponesky. „Das | |
| ist eigentlich nicht üblich, weil wir in der Regel für solche | |
| Genehmigungsverfahren schon in Jahren oder Jahrzehnten denken. Für uns ist | |
| es schon sehr augenscheinlich, dass es nur im Zusammenhang mit der | |
| Tesla-Ansiedlung genehmigt worden ist.“ | |
| Das Umweltministerium allerdings widerspricht: Der WSE habe bereits ab 2016 | |
| eine erhöhte Fördermenge beantragt, der Antrag sei im November 2019 | |
| „lediglich angepasst worden“, teilt deren stellvertretender Pressesprecher | |
| mit. | |
| Auf dem gut gefüllten Parkplatz des Tesla-Werks steigt Marten | |
| Lange-Siebenthaler ins Auto. Der 50-jährige Familienvater mit langen grauen | |
| Haaren und Kapuzenpulli engagiert sich im [5][Nabu-Kreisverband | |
| Fürstenwalde] und ist Experte für Wasser und Grundwasser. Er holt eine | |
| Mappe mit bunten Schaubildern und Grafiken hervor und erklärt die Lage: wo | |
| Wasserentnahmestellen liegen und welches Gebiet sie abdecken. Es fallen | |
| Begriffe wie Geschiebemergelschicht, Grundwasserneubildungsraten, | |
| Wasserhaushaltsbilanzierung. | |
| Zwar gehe die Genehmigungsbehörde methodisch richtig vor, aber jetzt gebe | |
| es eine neue Situation, so Siebenthaler: „Bedingt durch den Klimawandel | |
| haben wir erhöhte Durchschnittstemperaturen, längere Vegetationsperioden | |
| und eine deutlich höhere Verdunstung“, doziert er. „Das heißt, das | |
| Niederschlagswasser kommt gar nicht mehr im Grundwasser an. Darauf müssen | |
| wir bei der Genehmigungspraxis und bei den Wasserentnahmen reagieren. Aber | |
| während die Grundwasserstände runtergehen, wird die Fördermenge erhöht. Das | |
| passt nicht zusammen.“ | |
| Eine Klage gegen die Fördermengenerhöhung wies das Verwaltungsgericht | |
| Frankfurt (Oder) größtenteils ab mit der Begründung, inhaltlich sei alles | |
| in Ordnung. Die Umweltverbände beantragten beim Oberverwaltungsgericht | |
| Berlin-Brandenburg die Zulassung einer Berufung, doch das Gericht hat | |
| darüber noch nicht entschieden. | |
| „Tesla ist nicht der Grund für Wasserknappheit in Brandenburg“, findet das | |
| Brandenburger Umweltministerium; „das Projekt hat die Debatte um einen | |
| sparsamen Umgang mit der Ressource aber auch hier angeschoben.“ Die | |
| Landesregierung führt eine Vorerkundung des Grundwasservorkommens in der | |
| nahen Gemeinde Hangelsberg durch. Das kann jedoch Jahre dauern, und | |
| mögliche Langzeitfolgen für den Wasserhaushalt wegen der Fabrik sind nicht | |
| absehbar. | |
| ## Für neue Bauvorhaben ist nicht genug Wasser da | |
| Lange-Siebenthaler befürchtet, dass eine erhöhte Förderung zugunsten von | |
| Tesla nicht nur die Wasserknappheit in der Region verschärfen, sondern auch | |
| Naturschutzgebiete wie das nahe gelegene Löcknitztal bedrohen könnte: | |
| „Aufgrund der durch die Wasserförderung bedingten Grundwasserabsenkung | |
| besteht die Gefahr, dass das Ökosystem Löcknitztal mit seinen äußerst | |
| sensiblen Niedermoorbereichen gravierend beeinträchtigt und damit die hier | |
| vorkommenden geschützten und bedrohten Pflanzen sowie Tiere gefährdet | |
| wären. Auch Auswirkungen der Förderung auf das nahe gelegene FFH-Gebiet | |
| Müggelspree müssen untersucht werden.“ (FFH steht für Fauna-Flora-Habitat.) | |
| Auch der Straussee könnte weiter an Wasser verlieren. | |
| Statt einer von Wirtschaftsminister Steinbach verkündeten „Sogwirkung“ | |
| könnte die Tesla-Ansiedlung einen Entwicklungsstopp verursachen: Denn | |
| momentan ist für neue Bauvorhaben nicht genug Wasser da. Zwar „ist noch | |
| keine Ansiedlung im Land Brandenburg an der Wasserfrage gescheitert“, | |
| wiegelt die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums ab, doch der WSE ist da | |
| skeptisch. | |
| „Wir arbeiten sehr langfristig und haben deutlich mehr Erlaubnismengen | |
| beantragt, als allein für Tesla benötigt wird, weil wir die Sogwirkung von | |
| Tesla für die kommunalen Entwicklungsprojekte vorausgesehen haben“, | |
| erläutert Ponesky. „Wir kommen an eine Grenze, wenn nicht genügend | |
| Ressourcen oder Genehmigungen da sind. Wir haben das durch Tesla im Prinzip | |
| nur schneller erreicht, und deswegen können wir Neuerschließungen aktuell | |
| nicht zustimmen.“ Momentan sind Projekte wie ein Schulneubau in Schöneiche | |
| und die Umwandlung einer Mülldeponie in Fredersdorf gefährdet. | |
| Was ist, wenn Tesla, wie angekündigt, weitere Ausbaustufen anstrebt? | |
| „Wenn nicht von irgendwoher ein Mehr an Genehmigungsmengen zur Verfügung | |
| gestellt wird, dann ist für uns in der aktuellen Situation nur die erste | |
| Ausbaustufe möglich“, bekräftigt Ponesky vom WSE. „Leider wird das durch | |
| ausbleibende Lösungen durch das Land mit seinen Genehmigungsbehörden | |
| derzeit aktiv behindert und damit die Umfeldentwicklung in den Kommunen und | |
| von Tesla selbst“, kritisiert sie. | |
| Das Umweltministerium wiederum schreibt, mittelfristig müssten zusätzliche | |
| Versorgungsmöglichkeiten geschaffen werden, „gegebenenfalls auch mit | |
| Wasserüberleitungen aus entlegeneren Regionen“. Einen kostspieligen | |
| Vorschlag hatte der Umweltminister schon 2021 parat: Bei einem höheren | |
| Verbrauch, der mit einer weiteren Ausbaustufe zu erwarten sei, müsse der | |
| Verband sich halt mit den benachbarten Versorgern verständigen und Wasser | |
| einkaufen. | |
| Marten Lange-Siebenthaler hingegen fordert, „dass Veränderungen in der | |
| Genehmigungspraxis stattfinden und dass man sich an den tatsächlichen | |
| Bedingungen im Wasserhaushalt orientiert“. Steffen Schorcht ist ebenfalls | |
| gegen weitere geplante Ausbaustufen, „weil jeder weitere Ausbau die | |
| Situation verschärft: Die ökologische Situation, aber auch die | |
| Verkehrssituation. Außerdem hat die Wahrnehmung der Bürger von Rechtsstaat | |
| und Demokratie massiv gelitten.“ | |
| 29 Nov 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Tesla-Fabrik-in-Brandenburg/!5839122 | |
| [2] /Illegale-Deponie-nahe-der-Tesla-Fabrik/!5876609 | |
| [3] https://www.elektroauto-news.net/2022/tesla-ausbauplaene-gruenheide-berlin | |
| [4] https://www.w-s-e.de/startseite | |
| [5] https://www.nabu-fuerstenwalde.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Darius Ossami | |
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