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# taz.de -- Illegale Deponie nahe der Tesla-Fabrik: Auf einem Berg von Müll
> Ein ausgeklügelter Deal sollte eine von Brandenburgs größten illegalen
> Müllkippen verschwinden lassen. Das droht jetzt überraschend zu
> scheitern.
Bild: Sanfte, baumbestandene Hügel – aus Schutt, Schrott und Plastik
Berlin taz | Manchmal ist es nicht leicht, zwischen Dystopie und Idyll zu
unterscheiden: Vogelgezwitscher erklingt aus dem Wald, junge Bäume werfen
ihren Schatten auf die angrenzenden Hügel, am Weg sprießen wilde Blumen.
Und doch ist hier in Vogelsdorf, kurz hinter dem östlichen Berliner
Stadtrand, nichts in Ordnung, denn die Hügel bestehen aus Müll: 85.000
Kubikmeter Bauschutt, Siedlungs- und Gewerbeabfälle, die hier seit Jahren
illegal lagern.
Die Deponie unweit der Bundesstraße B1 gilt als [1][die größte von mehr als
hundert solcher Ablagerungen in Brandenburg]. Auf dem einstigen LPG-Gelände
plante ein windiger Unternehmer in den 90ern eine Recyclinganlage – dazu
kam es nie, nur Müll wurde in rauen Mengen abgeladen. Am Ende saß die
Gemeinde Fredersdorf-Vogelsdorf auf dem Haufen, der trotz Umzäunung weiter
wuchs: „Wo Müll liegt, kommt Müll dazu“, sagt Bürgermeister Thomas Krieg…
(CDU). Die auf 10 Millionen Euro geschätzten Kosten für die Entsorgung kann
der Ort nicht stemmen.
An einem sonnigen Spätsommertag ist Krieger auf dem Problemgelände mit
einer bunt gemischten Gruppe unterwegs: Die grünen Bundestagsabgeordneten
Canan Bayram und Lukas Benner sind angereist, weil sie sich mit dem Thema
Umweltkriminalität befassen, auch Benjamin Raschke, grüner Fraktionschef im
Brandenburger Landtag, ist dabei. Geführt werden sie von Patrick Reissner.
Der Recycling-Unternehmer aus Sachsen hat das Gelände mit dem Münchner
Immobilienentwickler Wolfgang Roeck gekauft. Die von ihnen gegründete
Sorbus GmbH soll den Schlüssel für die Beseitigung aller Probleme liefern.
Es wäre ein Win-win-Geschäft: Zuerst würde Sorbus mit einer Anlage zur
Abfallbehandlung die Berge aus Schutt, Reifen, Plastik und Elektroschrott
sieben, sortieren und so aufbereiten, dass sie im Industriekraftwerk
Rüdersdorf verbrannt werden können. Nach drei Jahren wäre alles vom Müll
befreit. Die Kosten trüge das Unternehmen, aber es bekäme etwas anderes
dafür: die Genehmigung, auf dem Gelände einen Gewerbepark zu betreiben.
## Die Brache soll prosperieren
„Wir wollen das Müllproblem lösen und auch davon profitieren“, sagt
Reissner nüchtern: „Das ist Marktwirtschaft.“ Die Geschäftspartner setzen
auf den Standort, weil er über die A10 direkt an die nur zehn Kilometer
entfernte Tesla-Fabrik in Grünheide angebunden ist. „Ein mit Altlasten
verseuchtes Brachland in einen prosperierenden Gewerbepark verwandeln“, so
fasst es die Sorbus GmbH auf ihrer Website „Zukunft Vogelsdorf“ zusammen,
die das Projekt vor allem den AnwohnerInnen schmackhaft machen soll.
Der Parteien-Mix bei der Begehung des Geländes deutet bereits an, dass die
Politik sich zu großen Teilen mit der Idee angefreundet hat. Das betrifft
nicht nur Krieger, der sagt, die Gemeinde sei „aus der Geschichte heraus
erst sehr misstrauisch“ gewesen, vertraue aber dem potenziellen Partner.
Die Gemeindevertreterversammlung hat bereits dem Entwurf des Bebauungsplans
und einer Änderung des Flächennutzungsplans zugestimmt.
Dafür ausschlaggebend war sicherlich auch, dass Reissner und Roeck ein
renommiertes Berliner Landschaftsplanungsbüro ins Boot geholt haben. Es
kümmert sich um die Umweltverträglichkeitsprüfung und setzt bei seinem
Entwurf für den Gewerbepark auf Regenwassermanagement mit Gründächern und
die Anlage eines Feuchtbiotops für die Knoblauchkröte. Selbst jemanden wie
Ralf Haida, Chef der Nabu-Ortsgruppe und grüner Gemeindevertreter, hat das
so weit überzeugt, dass er sagt: „Es könnte besser sein, aber es ist okay
so.“
## Ironische Wendung
Sowohl das Bebauungsplanverfahren als auch das Genehmigungsverfahren nach
Bundesimmissionsschutzgesetz sind auf einem guten Weg, und in Vogelsdorf
wurden schon Hunderte Zauneidechsen abgesammelt, um auf ein nahegelegenes
Areal der Berliner Stadtgüter umgesiedelt zu werden. Aber jetzt stellt eine
ausbleibende Zusage des Wasserverbands Strausberg-Erkner (WSE) das ganze
Konstrukt infrage: Der WSE hat beschieden, dass er dem Gewerbepark kein
Trinkwasser liefert – weil er keines mehr übrig hat. Eine ironische
Wendung, denn es war gerade die Tesla-Fabrik, deren Durst den Verband schon
[2][an den Rand seiner Leistungsfähigkeit brachte].
Eine höhere Wasserentnahme kann nur das Umweltministerium genehmigen – das
aber lehnt ab, es rechnet anders als der Verband. „Nach unseren
Erkenntnissen schöpft der Wasserverband die ihm zur Verfügung stehenden
Nutzungsrechte derzeit nicht aus“, teilt es auf taz-Anfrage mit. Es gebe
„Versorgungsreserven von wenigstens 2 Millionen Kubikmeter pro Jahr“. Laut
WSE sind diese Kapazitäten aber für bereits bestehende Flächennutzungspläne
eingeplant und neue Gewerbeansiedlungen „derzeit nicht möglich“.
Die Projektbeteiligten sind ratlos und haben sich jetzt an den
Ministerpräsidenten gewandt: „Es darf nicht passieren, dass eine ganze
Region von der Entwicklung abgekoppelt wird“, heißt es bei „Zukunft
Vogelsdorf“. Wenn Dietmar Woidke (SPD) den Ruf nicht hört, könnte die
Investition ausfallen und die Gemeinde auf ihren Müllbergen sitzen bleiben.
Irgendwann müsste wohl das Land ganz tief in die Tasche greifen.
8 Sep 2022
## LINKS
[1] http://www.muellparadies.de/
[2] /Produktionsbeginn-fuer-Autofabrik/!5839996
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Wassermangel
Müll
Tesla
Brandenburg
Wassermangel
Zero Waste
Neukölln
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