# taz.de -- Gesundheitsversorgung in der Krise: Viele kranke Häuser | |
> In Schleswig-Holstein sind Kliniken in finanziellen Schwierigkeiten. Um | |
> die Versorgung zu erhalten, soll das Land einspringen. | |
Bild: Weil die Inzidenz in Schleswig-Holstein niedriger war, bekommen manche Kl… | |
Rendsburg taz | Noch im Sommer gab es strahlende Gesichter bei der | |
Vertragsunterschrift: Die evangelische 400-Betten-Klinik Diako Flensburg | |
will sich mit dem katholischen Malteser Krankenhaus zum ersten | |
[1][ökumenischen Krankenhaus Deutschlands] vereinigen. Nun ist die Diako | |
insolvent und steckt in einem „Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung“ – … | |
der Zeitplan zur Fusion gehalten wird, ist unklar. Zudem warnt die | |
Krankenhausgesellschaft, dass mehr als die Hälfte der Klinken im Land in | |
wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecke. | |
Das gilt auch für die kommunalen [2][Imland-Kliniken] in Rendsburg und | |
Eckernförde. Der dortige Landrat Rolf-Oliver Schwemer (parteilos) wirkt | |
eigentlich, als könne ihn wenig erschüttern. Aber das Ergebnis eines | |
Bürgerentscheids macht ihn ratlos. Der Kreis Rendsburg-Eckernförde wollte | |
die beiden kreiseigenen Häuser neu strukturieren, doch zwei Drittel der | |
Bürger*innen stimmten dagegen. | |
Wie es weitergeht? Schwemer zuckt am Rand einer Veranstaltung in Kiel mit | |
den Schultern. Ihn plagen weitere Sorgen: Das Krankenhaus dürfte „ab dem | |
späten Frühling 2023 vorläufig zahlungsunfähig“ sein, heißt es in einer | |
Pressemitteilung. Dramatisch ist das, weil Kliniken zum Jahresende ihre | |
wirtschaftliche Situation offenlegen müssen, um ein Testat ihrer Liquidität | |
für die kommenden Monate zu erhalten. „Das werden die meisten Häuser in der | |
aktuellen Lage kaum hinbekommen“, vermutet Heiner Garg, | |
FDP-Gesundheitsexperte und ehemaliger Gesundheitsminister des Landes. | |
Schuld ist ein perfekter Sturm aus Inflation und hohen Energiekosten, | |
kombiniert mit den noch nicht kompensierten Verlusten aus den Coronajahren, | |
als die Kliniken OPs streichen und Betten freihalten mussten. Das trifft | |
Kliniken bundesweit und Schleswig-Holstein noch etwas härter: Hier war die | |
Corona-Inzidenz teilweise so niedrig, dass Krankenhäuser keine Beihilfen | |
bekamen. Für die 76 Kliniken unter dem Dach der Krankenhausgesellschaft | |
Schleswig-Holstein (KGSH) erwartet deren Geschäftsführer Patrick Reimund | |
für dieses Jahr einen Fehlbetrag von rund 131 Millionen Euro. | |
Der Bund hat zwar Hilfen versprochen, doch das Geld ist noch nicht da. „Bis | |
es verfügbar ist, muss das Land den aktuell in Not geratenen Krankenhäusern | |
finanziell unter die Arme greifen“, fordert Oppositionspolitikerin und | |
SPD-Gesundheitsexpertin Birte Pauls. „Selbstverständlich“ prüfe die | |
Regierung, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gebe, sagt ein Sprecher | |
der Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU). So habe ein | |
Krankenhaus bereits ein Liquiditätsdarlehen aus den Coronahilfen erhalten. | |
Denkbar seien auch Darlehen aus dem Mittelstandssicherungsfonds des | |
Wirtschaftsministeriums. Vor allem aber zeigt das Land auf den Bund. | |
„Es stimmt schon, das Land ist eigentlich nicht für Betriebskosten | |
zuständig“, sagt Garg, der von seiner Amtsnachfolgerin in dieser | |
Ausnahmesituation mehr Flexibilität erwartet: „Wirtschaftsprüfer werden | |
kein Testat auf Basis eines Tweets von Karl Lauterbach erteilen. Deshalb | |
braucht es jetzt Garantien vom Land.“ | |
Doch auch wenn die öffentliche Hand die Löcher stopft, bleibt die | |
Krankenhauslandschaft in Bewegung. Es fehlt nicht nur an Geld, sondern vor | |
allem an Personal. Zudem gibt es neue Vorgaben zu Qualitäts- und | |
Mindeststandards vom gemeinsamen Bundesausschuss, dem Steuerungsgremium aus | |
Krankenkassen, Ärzteschaft und Krankenhausgesellschaft. | |
Die Politik greift bisher nur zögerlich ein – eine Ausnahme ist | |
Niedersachsen, wo der Landtag im Juni mit großer Mehrheit eine Reform des | |
Krankenhausgesetzes beschloss. Ziele sind „eine wohnortnahe Versorgung | |
einerseits und hochwertige Behandlungen andererseits“, fasst die | |
Nachrichtenagentur dpa zusammen. Das Land rechnet damit, dass von den 168 | |
Krankenhäusern 30 bis 40 im Laufe der kommenden Jahre wegfallen und teils | |
durch „regionale Gesundheitszentren“ ersetzt werden. | |
Schleswig-Holstein hat erst 2020, als letztes Bundesland, ein | |
Krankenhausgesetz erlassen. Aktuell entsteht auf dieser Basis ein neuer | |
Landeskrankenhausplan, der laut Ministerium voraussichtlich in 2024 | |
vorgelegt werden soll. Dort wird auch festgelegt, was mit den | |
Imland-Kliniken im Kreis Rendsburg-Eckernförde passiert. Der Kreis will | |
sich dem Votum des Bürgerentscheids beugen und beantragen, dass alles | |
bleibt, wie es ist. Das werde geprüft, teilt das Ministerium mit, aber „es | |
deutet aktuell wenig darauf hin, dass dieses Szenario die fachlichen | |
Kriterien erfüllen kann“. | |
1 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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