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# taz.de -- Finanzausgleich in Schleswig-Holstein: 100 Gemeinden gegen das Land
> Kommunen in Schleswig-Holstein finden es unfair, wie die Landesregierung
> Geld unter ihnen verteilt. Jetzt klagen sie vor dem
> Landesverfassungsgericht.
Bild: Weltberühmte Wiesen, aber nur eine „Ländliche Zentrale“: das Dorf W…
Schleswig taz | Fritz Blaas, Bürgermeister des Dorfes Barkelsby an der
Ostsee, sitzt mit gut zwei Dutzend weiteren Gemeindeoberhäuptern im
Zuschauerbereich des Verhandlungssaals in Schleswig, in dem gleich das
Landesverfassungsgericht zusammentritt. Blaas vertritt eine von knapp 100
Gemeinden in Schleswig-Holstein, die sich ungerecht behandelt fühlen.
Denn beim Finanzausgleich, mit dem die Regierung landesweit [1][für gleiche
Lebensbedingungen] sorgen will, erhalten einige Kommunen mehr Geld als
andere, weil sie als Zentrale Orte eingestuft sind. Vor dem
Landesverfassungsgericht wollen die Gemeinden, rund ein Zehntel aller Orte
in Schleswig-Holstein, [2][das Finanzausgleichsgesetz] (FAG) prüfen lassen.
Im Mittelpunkt stehen Kernfragen: Braucht es Zentralorte und tragen heute
die richtigen Gemeinden diesen Titel?
1.600 Einwohner*innen leben in Barkelsby, und im Prinzip halte die
Ostseegemeinde alles vor, was zum Leben nötig sei: „Schule, Kita,
Feuerwehr, Läden“, zählt Blaas auf. Die benachbarte Kleinstadt Eckernförde
„brauchen wir eigentlich nicht“. Dass Eckernförde als Zentraler Ort aus
einem Extra-Topf Landesmittel erhält, sei daher ungerecht.
Aktuell gibt es laut der Homepage des Innenministeriums [3][132 „Zentrale
Orte und Stadtrandkerne“] in Schleswig-Holstein. Sie gelten als
„Schwerpunkte der Versorgungsinfrastruktur“, halten sie Gewerbe und
Dienstleistungen vor, die in Nachbargemeinden fehlen. Größe allein spielt
dabei keine Rolle: In schwach besiedelten Gegenden können Dörfer mit
einigen Tausend Menschen den Titel tragen. Wichtig ist aus Sicht des Landes
ihre „überörtliche Versorgungsfunktion“. Dafür erhalten sie vom Land Geld
aus einem eigenen Topf. Diese Mittel fehlen entsprechend den kleineren
Kommunen.
## Gemeinden haben sich „emanzipiert“
Dabei hätten die Gemeinden sich seit 1970, als das System der Zentralen
Orte eingeführt wurde, emanzipiert und hielten viele Angebote selbst vor,
sagt Gunnar Bock, als Direktor des Amtes Schlei-Ostsee einer der
Klageführer. Inzwischen erhielten einige Orte „die Zentralort-Mittel nur
noch, weil sie sich an das Geld gewöhnt haben“.
Der Anwalt der Gemeinden, Matthias Dombert, verlangte eine „handwerkliche
Kontrolle“ des heutigen FAG. Auch Jörg Bülow, Vorstand des Gemeindetags,
der kleine wie größere Orte im Land vertritt, sah „Reformbedarf“. Denn se…
Jahren sei das System der Zentralen Orte unverändert, obwohl sich die
Aufgaben verändert hätten: „Auch andere Gemeinden kümmern sich um
Glasfaserausbau und siedeln Arztpraxen an.“
Verwaltungsrechtler Wolfgang Ewer, der die Regierung vertritt,
widerspricht. Es sei nicht sinnvoll, zentralörtliche Aufgaben zu
definieren, sondern was ein Zentraler Ort tue, sei „qua Verleihung des
Status“ eben zentralörtlich. „Auch eine 300-Einwohner-Gemeinde kann Fläch…
für ein Factory-Outlet zur Verfügung stellen – aber das ist ja nicht
gewollt“, so Ewer. Das Land betreibe seine Planung und ordne den Raum,
indem es Gemeinden Verantwortung zuweise. Zu den Aufgaben gehörten nicht
nur Feuerwehr und Straßen, sondern Mehrzweckhallen für Vereine,
Gewerbeansiedlungen und vieles mehr.
Bereits 2017 hatte es einen Rechtsstreit um den Finanzausgleich gegeben.
Damals hatte die Landesregierung die Auflage erhalten, bis Anfang 2021 ihre
Vergabe-Regeln zu überprüfen. Der Landtag befasste sich mehrfach mit der
Reform des FAG und gab ein externes Gutachten in Auftrag.
## Kleine Verschiebungen
Am Ende erhielten die Kommunen mehr Geld: 2021 waren es rund 65 Millionen
Euro mehr, in den Jahren 2022 bis 2024 gibt es pro Jahr weitere fünf
Millionen Euro obendrauf. Zudem wurden die Verteilungsschlüssel zwischen
Gemeinden, Kreisen und Kreisfreien Städten sowie Zentralen Orten leicht
verändert. Insgesamt blieb das Land aber beim „bewährten System“, heißt …
auf der Homepage des Innenministeriums.
Den Gemeinden reichen die kleinen Verschiebungen nicht: Die Vorgaben des
Gerichts seien nicht erfüllt, der Rat des Gutachtens nicht umgesetzt
worden, stattdessen habe es „politische Kompromisse“ gegeben, sagt
Amtsdirektor Gunnar Bock. Die Entscheidung zu klagen, sei nicht überstürzt
gewesen: „Wir haben den Prozess lange begleitet, unsere Fragen wurden nie
sachgerecht beantwortet.“ Ewer kontert, das Land habe die Auflagen erfüllt,
die Kriterien für die Zentralen Orte seien objektiv.
Im Februar will das Gericht sein Urteil verkünden. Bürgermeister Fritz
Blaas hat zumindest ein gutes Gefühl: „Da bewegt sich was“, glaubt er.
6 Dec 2022
## LINKS
[1] /!390897/
[2] /Ein-Jahr-Jamaika-in-Schleswig-Holstein/!5504003
[3] https://www.schleswig-holstein.de/DE/fachinhalte/L/landesplanung/weitereThe…
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Kommunen
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Finanzpolitik
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