# taz.de -- Das Wirken der Blockade-FDP: Partei der Vermieter | |
> Immer wenn es um Mieterschutz geht, haben die Liberalen Bedenken, wittern | |
> zu viel Bürokratie oder spielen auf Zeit. Eine kleine Übersicht. | |
Bild: Die CO2-Abgabe für Öl- oder Erdgasheizungen zahlen Mieter*innen bislang… | |
Mietpreisbremse, Mietendeckel – wann immer es in der letzten Legislatur um | |
Mieterschutz ging, witterte die FDP sozialistisches Teufelszeug. [1][Eine | |
Umfrage] von 2016 kam zu dem Ergebnis, dass Wähler*innen von Union und | |
FDP, aber auch SPD überdurchschnittlich oft Immobilien besitzen. | |
Aber auch da gab es Unterschiede: In der Wählerschaft der FDP gab ein | |
großer Teil an, im Besitz von Mehrfamilienhäusern zu sein – die ja meist | |
nicht selbst bewohnt, sondern vermietet werden. Union und FDP sind im | |
Übrigen die Parteien, [2][die am meisten Spenden aus der Immobilienbranche | |
erhalten]. Nun aber sind die Liberalen mit SPD und Grünen in der Regierung. | |
Wie halten sie es da mit der Wohnungspolitik? | |
## Blockade 1: Aufteilung des CO2-Preises bei den Heizkosten | |
Seit 2021 wird beim Heizen mit Öl oder Erdgas eine CO2-Abgabe erhoben. | |
Bislang zahlen Mieter*innen die Kosten dieser Klimaabgabe ganz allein. | |
Dabei kann man sich in einer Mietwohnung meist nicht aussuchen, wie geheizt | |
wird und ob Wände und Fenster gut oder schlecht gedämmt sind. Im April 2022 | |
beschloss das Kabinett, die Kosten des CO2-Preises fairer zwischen | |
Vermieter*innen und Mieter*innen aufzuteilen. | |
Ab 2023 sollte ein Stufenmodell gelten, das Vermieter*innen an den | |
Kosten beteiligt. Ist der energetische Zustand eines Mietshauses sehr | |
schlecht, müssen Vermieter:innen den Großteil übernehmen. Ist der | |
Zustand sehr gut, tragen die Mieter*innen die Kosten allein. Doch die | |
FDP-Fraktion hat das geplante Gesetz vorerst gestoppt: Der | |
wohnungspolitische Sprecher Daniel Föst will noch mal diskutieren, „ob in | |
der aktuellen Ausnahmesituation Kleinst- und Kleinvermieter mit enormer | |
Bürokratie belastet werden müssen.“ Die FDP stelle aber nicht das Gesetz an | |
sich infrage, sondern nur den Zeitpunkt, ab wann es gelten solle. | |
„Das Gesetz wurde sehr konstruktiv verhandelt“, sagte Christina-Johanne | |
Schröder, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, und wertete die | |
FDP-Wende als Verzögerungstaktik. Auch ihr Kollege in der SPD-Fraktion, | |
Bernhard Daldrup, hat kein Verständnis: „Die FDP muss sich jetzt | |
entscheiden, ob sie in der Koalition gestalten oder verhindern will“, sagte | |
er. Daldrup geht davon aus, dass es in der nächsten Sitzungswoche im | |
November eine Einigung zum Stufenmodell geben wird. Falls nicht, ist für | |
ihn und Schröder klar, dass die Kosten hälftig zwischen Vermieter*innen | |
und Mieter*innen geteilt werden. So ist es auch im Koalitionsvertrag | |
festgehalten. | |
## Blockade 2: Senkung der Kappungsgrenze | |
Es ist kein Geheimnis: SPD und Grüne wollten Mieten stärker als bisher | |
deckeln, aber mit der FDP war das nicht zu machen. Zumindest darauf konnte | |
man sich im Koalitionsvertrag einigen: Die Mietpreisbremse soll bis zum | |
Jahr 2029 verlängert werden. Zudem soll die sogenannte Kappungsgrenze | |
gesenkt werden. Bisher gilt: In Lagen, in denen der Wohnungsmarkt als | |
angespannt gilt, dürfen Mieten maximal um 15 Prozent in drei Jahren | |
steigen. Diese Grenze soll nun auf 11 Prozent gesenkt werden. | |
Bislang ist allerdings noch nichts passiert. Dabei ist es nicht das | |
komplizierteste Vorhaben, eine Zahl im Gesetz zu ändern. Ein nicht | |
uninteressantes Detail: Die Ampelregierung hat zwar ein neues SPD-geführtes | |
Ministerium für Bauen und Wohnen, aber Mieterschutz ist im | |
Bundesjustizministerium angesiedelt – und das ist FDP-geführt. | |
„Das Justizministerium lässt sich viel zu lange Zeit“, kritisiert | |
SPD-Politiker Daldrup, „aber ich erwarte, dass es bis Ende des Jahres einen | |
Gesetzentwurf geben wird.“ Das Justizministerium erklärt auf Nachfrage, man | |
strebe an, „einen entsprechenden Gesetzentwurf noch in diesem Jahr | |
vorzulegen.“ Das Haus arbeite „mit Hochdruck an der Umsetzung der im | |
Koalitionsvertrag vereinbarten mietrechtlichen Vorhaben“. | |
## Blockade 3: Kommunales Vorkaufsrecht wiederherstellen | |
Im November 2021 kippte das Bundesverwaltungsgericht in weiten Teilen das | |
kommunale Vorkaufsrecht, ein wichtiges Instrument zum Mieter*innenschutz. | |
Wollten Investoren in Milieuschutzgebieten – Wohnvierteln also, die stark | |
von Verdrängung betroffen sind – Häuser kaufen, konnten die Kommunen bis | |
dahin diese Häuser entweder selbst kaufen oder Bedingungen für den Kauf | |
stellen. Nach dem Urteil kann das Vorkaufsrecht nur noch sehr eingeschränkt | |
angewandt werden, wenn ein Wohngebäude zum Beispiel leer steht oder droht | |
zu verfallen. Das Gericht wies aber darauf hin, dass eine Änderung des | |
Baugesetzbuchs möglich wäre. | |
Der Bundesrat, die Kommunen und Mieterinitiativen, SPD, Grüne und | |
Linkspartei pochen seither darauf, das Vorkaufsrecht zu reformieren. Im | |
April legte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) einen entsprechenden | |
Gesetzentwurf vor. Doch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist | |
nicht überzeugt. Die FDP sieht im Vorkaufsrecht traditionell ein | |
überteuertes Instrument und einen zu starken Eingriff in Eigentümerrechte. | |
Die Gespräche in der Bundesregierung dazu halten weiter an, heißt es aus | |
dem Justizministerium. Das Vorkaufsrecht könne je nach Ausgestaltung „zu | |
Zielkonflikten mit den Anliegen des Klimaschutzes und der Förderung | |
altersgerechten Wohnens führen; es kann die Bildung von Wohneigentum | |
erschweren; und es kann dazu führen, dass der Allgemeinheit | |
unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen, um günstiges Wohnen für einige | |
wenige Betroffenen zu sichern“, erklärte das Justizministerium. Auch die | |
FDP-Politikerin und Vorsitzende des Wohnungsausschusses Sandra Weeser | |
erklärt, sie habe zum Vorkaufsrecht noch viele Fragen. Zum Beispiel will | |
sie wissen, welche „wissenschaftlich erwiesenen Vorteile“ ein verschärftes | |
Vorkaufsrecht bringen würde. | |
SPD-Mann Bernhard Daldrup ärgert das. Tatsächlich steht im | |
Koalitionsvertrag nur, dass geprüft werden soll, ob sich aus dem Urteil | |
„gesetzgeberischer Handlungsbedarf“ ergibt. „Wir waren uns aber einig, da… | |
die jahrzehntelange Praxis des Vorkaufsrechts rechtssicher gemacht werden | |
muss. Daran sollte sich die FDP halten“, sagt Daldrup. Zu dem Zeitpunkt | |
habe die Urteilsbegründung des Gerichts noch nicht vorgelegen. | |
Grünenpolitikerin Schröder klingt ernüchtert: „Ich glaube, die | |
FDP-Kolleg*innen wollen das kommunale Vorkaufsrecht nicht wieder | |
rechtssicher herstellen.“ | |
## Blockade 4: Wo ist das Kündigungsmoratorium in der Krise? | |
Was passiert eigentlich, wenn Mieter*innen ihre Energiekosten nicht mehr | |
bezahlen können? Werden Sie dann auf die Straße gesetzt? Im Jahr 2020 gab | |
es wegen der Pandemie ein befristetes Kündigungsmoratorium. | |
Covid-19-bedingte Mietschulden der Monate April bis Juni 2020 mussten bis | |
spätestens 30. Juni 2022 zurückgezahlt werden. Auch Kleinvermieter*innen, | |
die durch den Mietausfall Darlehen nicht bedienen konnten, erhielten die | |
Möglichkeit zum Zahlungsaufschub. Eine solche Regelung gibt es in der | |
Energiekrise bisher nicht. Im Papier zum dritten Entlastungspaket heißt es | |
nur etwas vage, dass Mieter*innen, die durch erhöhte Betriebskosten | |
kurzfristig finanziell überfordert sind, „durch die Regelungen des sozialen | |
Mietrechts angemessen geschützt werden“. | |
Daldrup erklärt, Genaueres werde gegenwärtig noch verhandelt. Er und | |
Schröder befürworten ähnliche Maßnahmen wie das Kündigungsmoratorium im | |
Jahr 2020. FDP-Politikerin Sandra Weeser verweist hingegen lediglich auf | |
die Ausweitung des Wohngelds. Dieses helfe zielgenau denjenigen, „die | |
wirklich finanzielle Hilfe brauchen“. | |
Eigentlich hatten sich die Ampelparteien schon vor der Krise vorgenommen, | |
sich mit Schonfristzahlungen zu beschäftigen, um drohende Wohnungslosigkeit | |
besser bekämpfen zu können. Bisher ist es nur bei fristlosen Kündigungen | |
so, dass eine Nachzahlung der Mietrückstände die Kündigung noch abwenden | |
kann. Bei ordentlichen Kündigungen gilt das nicht. | |
Bereits Ende September dieses Jahres hatte sich ein breites Bündnis aus | |
Sozialverbänden, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, zahlreichen | |
Mietervereinen, Juristinnenverbänden sowie Trägern der Wohnungslosenhilfe | |
in einem offenen Brief an den amtierenden Justizminister Marco Buschmann | |
gewandt und ihn aufgefordert, das zu ändern. Auf Nachfrage erklärte das | |
Justizministerium in Berlin, dass es derzeit im Begriff sei zu prüfen, „ob | |
und gegebenenfalls welche gesetzlichen Regelungen zu Schonfristzahlungen | |
notwendig sind.“ | |
Fazit zum derzeitigen liberalen Mieterschutz: Im Zweifel setzt sich die FDP | |
für die Vermieter*innen ein. | |
28 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/immobilienbesitz-wie-waehler-wohnen-… | |
[2] https://www.linksfraktion.de/themen/nachrichten/detail/immobilienboom-bei-p… | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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