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# taz.de -- EuGH-Urteil: Umwelthilfe bekommt Klagerecht
> Der Gerichtshof spricht dem Umweltverband die Klagebefugnis zu. Das
> könnte zu millionenfachen Rückrufen von Diesel-Fahrzeugen führen.
Bild: Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, bei ein…
Berlin taz | Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kann auch gegen das
Kraftfahrt-Bundesamt klagen, wenn dieses EU-Umweltrecht verletzt. Das
entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH). Nach Ansicht des
DUH-Geschäftsführers Jürgen Resch wird das Urteil dazu führen, dass
deutsche Kfz-Hersteller bald fünf Millionen Diesel-Fahrzeuge zurückrufen
müssen.
Nach EU-Recht dürfen Anlagen zur Abgasreinigung in Pkw-Motoren nur
abgeschaltet werden, wenn dies notwendig ist, um den Motor vor Unfällen
oder Beschädigungen zu schützen. VW hat hiergegen nach DUH-Ansicht doppelt
verstoßen. Zum einen flog 2015 eine Betrugs-Software auf, die dafür sorgte,
dass die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand richtig funktionierte. Als
dies bekannt wurde, ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt den Rückruf und die
Nachrüstung von drei Millionen Diesel-Pkws an.
Das Flensburger Amt akzeptierte dann jedoch die sogenannten Thermofenster,
die dazu führten, dass die Abgasreinigung nur bei Temperaturen zwischen 15
und 33 Grad Celsius richtig funktioniert. Auch diese Abschalteinrichtungen
hält die DUH für rechtswidrig, doch die Behörde akzeptierte sie, weil damit
der Motor vor Beschädigung geschützt werde.
Schon im Juli dieses Jahres hat der EuGH jedoch entschieden, dass diese
Thermofenster unzulässig sind, wenn sie dazu führen, dass die
Abgasreinigung mehr als die Hälfte des Jahres nicht richtig funktioniert,
oder wenn es bei der Genehmigung andere Techniken gab, um den Motor zu
schützen. Beides ist nach Ansicht der DUH eindeutig der Fall.
## Auch Mercedes und Opel nutzen Thermofenster
Schon 2017 hat die DUH gegen Dutzende Bescheide des Kraftfahrt-Bundesamts
geklagt, mit denen Thermofenster als zulässige Abschalteinrichtungen
eingestuft wurden. Als Umweltverband kann die DUH aber nur klagen, wenn ihr
das deutsche Umweltrechtsbehelfsgesetz ausdrücklich eine Klagebefugnis
einräumte. Diese fehlte für Klagen gegen Kfz-Typengenehmigungen und
nachfolgende Freigabebescheide des Kraftfahrt-Bundesamts.
Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig legte deshalb 2019 die Sache dem EuGH
vor und dieser entschied nun, dass ein deutscher Umweltverband auch dann
klagen können muss, wenn deutsche Behörden bei der Pkw-Zulassung mutmaßlich
EU-Recht falsch anwenden. Dies ergebe sich aus der Aarhus-Konvention über
den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Die EuGH-Entscheidung
kommt nicht überraschend, weil Deutschland vom EuGH schon mehrfach wegen
Verletzung der Aarhus-Konvention verurteilt wurde und die Rechte der
Umweltverbände nachbessern musste.
Nun kann das Verfahren am VG Schleswig beginnen. DUH-Anwalt Remo Klinger
ist sicher, dass die Organisation gegen das Kraftfahrt-Bundesamt gewinnen
wird. Dann müssten alle Diesel-Pkws mit Thermofenstern zurückgerufen und
auf Kosten der Hersteller nachgebessert werden.
Das Kraftfahrt-Bundesamt betont inzwischen, dass es keinen generellen
Freibrief für Thermofenster gegeben habe, es komme auf den Einzelfall an.
Die Behörde benennt aber keinen Fall, bei dem je ein Thermofenster
beanstandet wurde. Solche temperaturbezogenen Abschalteinrichtungen werden
nicht nur von VW, sondern auch von anderen Herstellern wie Mercedes und
Opel genutzt.
Anwaltskanzleien, die sich auf den Diesel-Abgasskandal spezialisiert haben,
sehen nun Möglichkeiten für neue Klagewellen. Allerdings ist offen, ob es
hier auch Schadenersatzansprüche gibt. Die Kfz-Hersteller konnten sich
bisher darauf berufen, dass sie für die Thermofenster eine Freigabe des
Kraftfahrt-Bundesamts haben. Ob sie trotzdem Schadensersatz zahlen müssen,
wird der EuGH demnächst entscheiden. Der konkrete Termin steht noch aus.
8 Nov 2022
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
EuGH
Deutsche Umwelthilfe
Volkswagen
Diesel
Dieselskandal
Grüne Schleswig-Holstein
EU-Kommission
VW-Abgas-Skandal
Schwerpunkt Klimawandel
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