# taz.de -- Linken-Anfrage zu Racial Profiling: Kontrollen außer Kontrolle | |
> Praktiziert die Bundespolizei an der deutsch-tschechischen Grenze Racial | |
> Profiling? Die Bundesregierung will davon nichts wissen. | |
Bild: Hier treffen täglich mehrere EC-Züge aus Prag ein: der Hauptbahnhof Dre… | |
Berlin taz | Die Zahl der unerlaubten Einreisen an der | |
deutsch-tschechischen Grenze ist „erheblich angestiegen“. In der Folge | |
führt die Bundespolizei eine „intensivierte Binnengrenzfahndung“ durch. So | |
steht es in der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage | |
der Linksfraktion, die der taz exklusiv vorliegt. Doch bei der zentralen | |
Frage steht Aussage gegen Aussage: Gibt es auch immer wieder rechtswidriges | |
Racial Profiling? | |
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger, die sich selbst am Dresdner | |
Hauptbahnhof ein Bild von der Lage machte, geht als Fragestellerin fest | |
davon aus. Nach ihrer Darstellung werden seit Ende August in aus Prag | |
kommenden Zügen „augenscheinlich ausnahmslos People of Color und Schwarze | |
Menschen“ kontrolliert und dann in Dresden aus den Zügen geholt. | |
Das Bundesinnenministerium hält dagegen: Die Beamt:innen der | |
Bundespolizei, die zum Teil schon in Bad Schandau in den Zug steigen, seien | |
„angehalten, die Kontrollen nach objektiven Kriterien durchzuführen“. | |
Merkmale wie das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit „und vor allem die | |
Hautfarbe“ seien „[1][keine tragenden Kriterien bei Personenkontrollen der | |
Bundespolizei]“, betont die Behörde. | |
Was allerdings durchaus zähle, seien „Erkenntnisse“ etwa zu genutzten | |
Verkehrswegen, mitgeführtem Gepäck und Kleidung. „Ausschlaggebend für | |
weitere Maßnahmen ist die individuelle Dokumentenlage der jeweils | |
dokumentierten Person“, heißt es in der Regierungsantwort. | |
## Mehr Platz für Kontrollen | |
Die Zahl der Kontrollen erfasst die Bundespolizei nicht. Festgehalten aber | |
wurde die Zahl der „vollzogenen Zurückschiebungen“ an der | |
deutsch-tschechischen Grenze. Sie lag im Juli bei 134, darunter allein 103 | |
syrische Staatsangehörige. In den Vormonaten pendelte die Zahl zwischen 35 | |
und 63. | |
Verstärkt kontrolliert wird auch in den Zügen aus Prag nach München, meist | |
werden diese Züge in Furth im Wald für durchschnittlich 20 Minuten | |
außerfahrplanmäßig angehalten. Dresden allerdings steht mit täglich | |
mehreren aus Prag eintreffenden EC-Zügen besonders im Fokus. | |
Die Bundespolizei mietete im Hauptbahnhof zusätzliche Flächen für | |
„grenzpolizeiliche Maßnahmen“ an, da die bisherigen Räumlichkeiten der | |
Bundespolizeiinspektion nicht mehr ausreichten. Auch Personal aus anderen | |
Einheiten wird immer wieder eingesetzt. | |
Linken-Politikerin Bünger sagte der taz, anlasslose Personenkontrollen der | |
Bundespolizei würden „der Willkür Tür und Tor“ öffnen, „gestiegene | |
Einreisen von Geflüchteten rechtfertigen keine diskriminierenden | |
Maßnahmen“. Sie appelliert an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die | |
„rassistischen Schwerpunktkontrollen“ hinter der tschechischen Grenze zu | |
beenden. | |
## Racial Profiling ist belegt | |
Dass Racial Profiling bei der Bundespolizei ungeachtet der Beteuerungen des | |
Bundesinnenministeriums vorkommt, hatte Anfang des Jahres [2][ein Urteil | |
des Verwaltungsgerichts Dresden] belegt, erstritten von der Dresdner | |
Rechtsanwältin Kati Lang mit Unterstützung der Opferberatung RAA Sachsen. | |
Eine Schwarze Person hatte sich im März 2018 am Chemnitzer Hauptbahnhof | |
geweigert, sich gegenüber der Bundespolizei auszuweisen, der Asylbewerber | |
hielt die Kontrolle für rassistisch. Er wurde damals von Beamt:innen | |
gewaltsam zu Boden gebracht, fixiert und musste sich auf der Wache | |
entkleiden. Das sei „rechtswidrig“ gewesen, entschied das Dresdner Gericht | |
in dem inzwischen rechtskräftigen Urteil. | |
Dass die Regierung generell bei dem Thema nicht genug tue, schließt Bünger | |
auch aus einer [3][Rüge der Anti-Rassismus-Kommission des Europarats]. Laut | |
derer sind Empfehlungen zu Gegenmaßnahmen in Bezug auf Racial Profiling in | |
Deutschland nicht umgesetzt worden. Die Bundesregierung hatte Bünger dazu | |
auf Anfrage ausweichend geantwortet: Die Empfehlungen der Kommission seien | |
„völkerrechtlich nicht bindend, sie werden aber gleichwohl von der | |
Bundesregierung ernst genommen“. | |
3 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Schwarze-Gefluechtete-aus-der-Ukraine/!5834093 | |
[2] /Rassismus-bei-der-Polizei-Chemnitz/!5826081 | |
[3] https://rm.coe.int/ecri-conclusions-on-the-implementation-of-the-recommenda… | |
## AUTOREN | |
Matthias Meisner | |
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