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# taz.de -- Wohnungsbaupolitik des Senats: Das Bumerang-Bündnis
> Schnellere Planungsverfahren bedeuten weniger Sozialstandards: Giffeys
> Bündnis für Wohnraum erweist sich als immer problematischer.
Bild: Nicht schön und auch nicht billig: Neubauten, wie sie vor allem Investor…
Mit privaten Investoren sind soziale Mietverhältnisse nicht zu machen. Wie
oft muss man das eigentlich noch schreiben? Solange Wohnraum eine Ware ist,
werden börsennotierte Unternehmen versuchen, den maximalen Profit
herauszuholen. Und Überraschung: Das gilt auch für Neubauprojekte.
Wie eine [1][Anfrage der Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg] diese Woche
nahe gelegt hat, riskiert Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska
Giffey (SPD) bei ihrem ohnehin [2][verkorksten Neubau-Bündnis mit der
Immobilien-Lobby] nebenbei auch noch die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus.
Denn Giffey will für ihre ambitionierten Neubauziele die Privaten
einbeziehen und diese eigentlich auf Sozialwohnungsquoten festlegen. Das
heißt, ein gewisser Prozentsatz – 30 Prozent – der Wohnungen muss günstig,
also [3][im unteren Marktsegment sein]. Dass der Rest der Wohnungen dann
wohl nicht besonders günstig sein wird, versteht sich von selbst.
Aber darüber hinaus stellt sich nun heraus, dass die vom rot-grün-roten
Senat mit der Privatwirtschaft vereinbarte Beschleunigung der
Genehmigungsverfahren Probleme mit sich bringt. Denn damit gibt es keinen
normalen Bebauungsplan und, hupsi, auch keine rechtlich verbindliche
Sicherung des Sozialwohnungsbaus, wie es in der Senatsantwort auf eine
Linken-Anfrage heißt.
Sozialen Wohnungsbau gebe es hier nur auf „freiwilliger Basis“. Wie
zuverlässig dabei die Zusagen der beteiligten Wohnkonzerne sein dürften,
sieht man etwa an der Adler Group, die gerade [4][mit ihrem windigen
Geschäftsmodell abzustürzen droht]. Das Ergebnis davon dürfte bei
betroffenen Projekten sein: Im privaten Neubau gibt es keine 30 Prozent
günstige Wohnungen, sondern 0 Prozent. Oder anders gesagt: 100 Prozent
Yuppie-Prachtbauten, volle Aufwertung der Kieze, endlich noch mehr
Verdrängung, ploppende Champagnerkorken in der Chefetage.
## Abkehr von sozialer Stadtentwicklung
Selbst im besten Falle ist das gutgläubige Giffey-Mantra „Bauen, Bauen,
Bauen“ gegen die Wohnungsnot nicht nur gescheitert. Es wird auch zum
wohnungspolitischen Bumerang, der Mieter*innen dieser Stadt mit noch
mehr Aufwertung die Nase brechen wird. Nicht ganz abwegig ist deshalb die
Lesart der Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg, die sagte, dass man die
Folgen davon über die nächsten 100 Jahre spüren werde und dass dies einer
„Abkehr von sozialer Stadtentwicklung“ gleichkomme.
Und als wären das nicht genug Opfer dafür, dass man Handlungsfähigkeit
vorgaukeln kann und ein [5][paar PR-Fotos verbreitet], werden auch noch die
Eingriffsmöglichkeiten der Bezirke in Milieuschutzgebiete (bzw: sozialen
Erhaltungsgebiete) bei Luxusmodernisierungen beschnitten.
Kein Wunder also, dass der Berliner Mieterverein frühzeitig ausgestiegen
ist aus diesem Bündnis für angeblich bezahlbares Wohnen. Und das, was
Giffey mühsam für Mieter*innen herausgeschlagen hat, nämlich
Entlastungen – die beteiligten Konzerne haben sich formal verpflichtet, von
ärmeren Mieter*innen nicht mehr als 30 Prozent des
Haushaltsnettoeinkommens an Miete zu verlangen – wird in der Umsetzung
schwierig: Denn Mietende müssen sich im Zweifel wohl selbst darum kümmern,
dass die Grenze nicht überschritten wird.
Schließlich wissen die Vermieter in vielen Fällen nicht, wie viel die
Mieter verdienen und erhöhen die Miete sowieso. Gegen den Vermieter müsste
man dann deren im Bündnis gegebenes Versprechen einklagen. Daran ist schon
die Mietpreisbremse gescheitert. Um das zu verhindern, bräuchte es aktives
Verwaltungshandeln, um zumindest die Mieter*innen zu informieren.
Geschehen ist allerdings noch nichts.
Und so muss man es wohl doch wiederholen: „Bauen, Bauen, Bauen“ gegen die
Wohnungsnot funktioniert nicht mit privatwirtschaftlichen Konzernen. Was es
bräuchte, wäre [6][ein harter Einschnitt] für einen gemeinwohlorientierten
Wohnungsmarkt. Ach, gäbe es doch nur einen Vergesellschaftungsparagrafen im
Grundgesetz oder sogar einen [7][erfolgreichen Volksentscheid], in dem sich
eine [8][deutliche Mehrheit] der Berliner für eine Enteignung großer
Wohnkonzerne entschieden hat.
3 Sep 2022
## LINKS
[1] /Kritik-an-Giffeys-Wohnungsbuendnis/!5874972
[2] /Giffeys-Wohnungsbuendnis-in-Berlin/!5863237
[3] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2022/pressemitte…
[4] /Immobilienkonzern-in-Turbulenzen/!5861050
[5] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2022/pressemitte…
[6] /Neubau-ist-kein-Allheilmittel/!5868816
[7] /Enteignungs-Debatte-in-Berlin/!5829508
[8] https://www.wahlen-berlin.de/abstimmungen/VE2021/AFSPRAES/index.html
## AUTOREN
Gareth Joswig
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