# taz.de -- Labelgründer über die Liebe zum Krach: „Man muss ein dickes Fel… | |
> Seit 30 Jahren betreibt Bernd Kroschewski das Noiserock-Label Fidel | |
> Bastro. Ein Gespräch über Fan-Sein, Fanzines, Vinylkosten und | |
> Unbezahlbares. | |
Bild: Beständige Leidenschaft: Bernd Kroschewski (sitzend mit Trommel) mit Boy… | |
taz: Herr Kroschewski, herzlichen Glückwunsch zu [1][30 Jahren Fidel | |
Bastro]! Wie hält man das so lange durch? | |
Bernd Kroschewski: Naja, man darf keine Illusionen haben. Und muss ein | |
dickes Fell haben. Und einen Job, Großhandel für unter anderem technische | |
Gewebe. | |
Auch den Bands auf Fidel Bastro geht es nicht ums Geldverdienen. So was | |
geht nur ohne finanzielle Interessen, oder? | |
Ja, wenn man die Musik macht, die wir dann später rausbringen, weiß man von | |
vornherein, dass es nicht reicht, um davon zu leben. | |
Sie machen Platten überhaupt nur, weil Sie die Musik toll finden. Was macht | |
Musik denn toll? | |
Im Gegensatz zu vielen anderen Gleichaltrigen habe ich immer noch wirklich | |
großes Interesse an Musik. Gerade erst saßen wir abends beim Trommler | |
[2][der Hamburger Indie-Rock-Band Sport] und haben die neue Platte komplett | |
eingetütet. Alles Handarbeit, das Vinyl ins Cover stecken, Poster rein, | |
Aufkleber in Folie packen, Sticker drauf und so weiter. Das ist total DIY. | |
Und das macht mir immer noch Spaß, trotz des hohen Alters. Und ich entdecke | |
immer noch so viele tolle neue junge Bands, wo ich gleich weiß, da könnte | |
man eine Platte machen. Aber Vinyl ist in der Herstellung so teuer. Das | |
muss heute alles gut überlegt sein. So Gags wie früher wie in der | |
Anfangsphase von Fidel Bastro können wir uns überhaupt nicht mehr leisten | |
wegen dieser Preisentwicklung und auch das Käuferverhalten hat sich | |
verändert. | |
Und wenn Sie Miese machen, müssen Sie Geld aus dem Brotjob zuschießen? | |
Ganz genau so läuft das. Aber ich sage immer, Briefmarkensammeln kostet | |
auch Geld. Oder Münzen sammeln. Und das ist doch viel langweiliger, weil es | |
da nicht scheppert und es auch keine schönen Konzerte gibt. | |
Sie sind zwar unabhängig von Trends, weil die Musik sich aus anderen | |
Quellen speist, aus einer Hingabe, weil man Lust hat, mit Freund*innen | |
zusammen Krach zu machen. Trotzdem wird es immer schwieriger. | |
Ja, eine Entwicklung, die uns und wahrscheinlich alle kleinen, ich sage | |
wirklich immer noch Independent-Labels betrifft, ist der komplette Wegfall | |
der Fanzine-Landschaft. | |
Es gibt nicht mehr viele dieser von Fans für Fans auf eigene Kosten selbst | |
gemachten Magazine. Die spielten für Bands und Labels mal eine große Rolle. | |
[3][Es gibt noch eine Handvoll Fanzines], die es irgendwie doch | |
durchziehen. Aber früher hat man 20 Muster verschickt und hatte fünf bis | |
zehn Besprechungen. Und irgendwelche Leute sind drauf aufmerksam geworden. | |
Es gibt zwar viele Online-Fanzines, aber am Ende liest das eben auch fast | |
niemand. Da gibt es so ein paar Blogs, die sind super und die haben auch | |
Lust und Bock und Leidenschaft. Aber wie viele klicken das wirklich an? Da | |
kriegt man nie eine ehrliche Antwort. Das ist verheerend. | |
Freunde von mir haben gerade ihre Platte überall hingeschickt und niemand | |
hat drüber geschrieben. | |
Da vermisse ich dann auch die Hingabe. Wir haben vor Fidel Bastro ein | |
Fanzine gemacht und da viele, viele Platten besprochen, hatten da Spaß | |
dran, fanden das toll irgendwie, dass man so auch als Magazin ernst | |
genommen wird. Und dann war der nächste Schritt, gemeinsam mit meinem | |
Bruder Franco, Carsten Hellberg und Wolfgang Meinking das Label zu machen. | |
Also der Wegfall dieser ganzen Fanzines trifft uns. Kleine Bands und Labels | |
können keine Anzeigen kaufen in den großen Magazinen, das sprengt das | |
Budget für die ganze Produktion. Ich als kleiner Mann denke: Okay, auf der | |
ganzen Welt können die Leute unsere Platten günstig bestellen und das | |
irgendwo anhören. Aber es klappt eben nicht. Früher war das alles sehr viel | |
schwerfälliger und trotzdem hat das besser funktioniert. | |
[4][Sie bedienen mit Noiserock eine Nische], die nie groß war. Fidel Bastro | |
hat nie viel Platten verkauft und hatte immer ein sehr spezifisches | |
Publikum. Die sind über die 30 Jahre treu geblieben. | |
Das stimmt, aber auch so eine totale Nische wird immer kleiner. Mit 30, 40 | |
interessieren sich die Leute dann doch eher für ihren Job oder ihre Familie | |
und kaufen sich vielleicht zwei, drei Platten im Jahr. Bei vielen Freunden | |
hört zu Hause dann die Plattensammlung auf. Nur Nerds und Freaks wie ich | |
machen noch weiter. Aber das wird weniger und junge Leute erreichen wir | |
einfach nicht, weil wir eben nicht cool oder hip oder irgendwas sind. | |
Musik empfiehlt heute ein Algorithmus, früher waren das die Freund*innen. | |
Welche Rolle spielt Freundschaft heute? Für die | |
Fidel-Bastro-Geburtstagsgala [5][kommt die Band Eniac wieder zusammen], | |
weil die mit Ihnen befreundet sind und Sie sich das gewünscht haben. | |
Ich habe einfach erst den einen, dann den anderen angerufen, die haben die | |
beiden anderen angerufen und dann haben sie angefangen zu proben. Wir | |
kennen uns ja 1.000 Jahre, obwohl wir nie von ihnen etwas rausgebracht | |
haben, aber wir haben oft zusammen gespielt und ich bin totaler Fan, war | |
bei deren erster Release-Party von der ersten Platte schon da. Wenn man | |
sich so lange kennt, dann ist es ein Anruf und dann flutscht das irgendwie. | |
Von den Leuten, die jetzt an dieser Gala teilnehmen, hat nicht ein | |
Künstler, nicht eine Künstlerin, keine Band mal nach Gage gefragt. Alle | |
finden es einfach geil und haben Bock. Bei unseren Festivitäten wird das | |
Geld nachher fair aufgeteilt, aber es fragt niemand. Es ist wumpe, das ist | |
das Schöne daran. Darum weiß man ja auch, mit wem man das seit 1.000 Jahren | |
macht. | |
Wie feiern Sie das Jubiläum [6][morgen Abend auf der Gala]? | |
Es wird einen herrlich kruden Mix von Bands und Künstlerinnen geben, eine | |
Mixtur aus Postpunk und Hardcore und Singer/Songwriter- und derartigen | |
Klängen. Und das auch vergleichsweise günstig. Wir haben lange über die | |
Preise geredet. Wie teuer können wir es machen? Wir sind ja eigentlich | |
Freunde von sehr günstigen Eintrittspreisen. Aber Leute in Hotels | |
unterzubringen, die aus Berlin kommen, das kostet alles Kohle und ich kann | |
da nicht auch immer noch draufzahlen. Jedenfalls wird das knorke. Die | |
ersten Bands spielen alle 20 Minuten, dann 25 und meine heimlichen | |
Headliner spielen dann 40 Minuten. Es gibt ja keinen Headliner, aber | |
heimliche schon. | |
Wird es auch noch ein 40-jähriges Jubiläum geben? | |
Die Vinylpreise und dass die Industrie versucht, dass eine Schallplatte im | |
Laden 50 Euro kostet: Das mache ich nicht mit und da geht es gerade hin. | |
Das ist mir einfach zu blöd. Und ich finde auch den Trend Kassetten | |
rauszubringen irgendwie seltsam. Das machen ja viele Hardcore- und neue | |
Bands wieder. Ich weiß nicht, wie das weitergeht. Aber ich habe Lust, mit | |
meinen Bands auch wieder Singles zu machen. Nur wenn man eine Single für | |
zehn, zwölf Euro am Merchstand verkaufen muss, dann finde ich das | |
schwierig. Wir denken immer an die Endverbraucher, die es bezahlen müssen | |
und ich weiß nicht, wie lange das noch weitergeht. Ideen gibt es genug und | |
Leidenschaft und Motivation auch. Aber die Marktstrukturen ändern sich. Die | |
Produktion ist so kostenintensiv, was Energie betrifft, Gas und Kühlwasser | |
und so weiter. Das wird astronomisch teuer, das wird ein Luxusgut. Und dann | |
muss man das nicht mehr machen. | |
1 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Robert Matthies | |
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