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# taz.de -- Zufriedenheit in Sachsen: Krasse Kontraste
> Der Sachsenmonitor konstatiert eine zufriedene Bevölkerung – einerseits.
> Auf der anderen Seite werden etwa Aufstiegschancen mau gesehen.
Bild: Sachsen: Land der Zufriedenen und Unzufriedenen
Dresden taz | Auch nach der Vorstellung des Sachsen-Monitors 2022 bleibt es
eine unlösbare Aufgabe, das Wesen der sächsischen Nation zu verstehen. Oder
besteht zwischen der hohen Zufriedenheit von vier Fünfteln der Befragten
mit ihren persönlichen Lebensumständen und dem sprichwörtlichen
Sachsentrotz im Mutterland der schlechten Laune und seinen [1][blau
wählenden Wutbürgern] etwa kein Gegensatz?
[2][Vier Jahre lang] war die Befragung nicht mehr erschienen. Das
beauftragte Umfrageinstitut dimap legt Wert auf persönliche Interviews, die
in Corona-Zeiten sehr erschwert wurden. Gegenüber 2018 wurde die Stichprobe
außerdem auf 2.013 Personen verdoppelt. Dabei zeigt sich, dass die am
stärksten AfD wählende [3][Oberlausitz], also der Raum zwischen Hoyerswerda
und der Neiße, bei Kriterien wie Zufriedenheit, Optimismus und
Demokratieverankerung weit zurückliegt.
Teilweise entwertet wird die 210.000 Euro teure Umfrage durch ihren frühen
Schluss Mitte März. Nur bei 15 Prozent der Befragten spielten schon die
ersten Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine hinein. Die
verschlechterte Stimmungslage werde kaum wiedergegeben, räumte am Dienstag
bei der Vorstellung auch Staatskanzleichef Oliver Schenk ein. Dennoch
spricht er von einem „positiven Trend“: Die Sachsen hätten auch während d…
Pandemie ihren Optimismus nicht verloren.
## Drei Viertel der Befragten sind mit Einkommen zufrieden
Dieser Eindruck kann zunächst bei der Beurteilung der persönlichen
Lebensumstände und der Zukunftserwartungen entstehen. Drei Viertel der
Befragten sind mit ihrem Einkommen zufrieden, sogar 93 Prozent mit ihrer
Wohnsituation. Die Zukunftserwartungen haben zwar einen leichten Dämpfer
erhalten, aber etwa zwei Drittel der Befragten bekunden eine optimistische
Grundhaltung. Über 90 Prozent schreiben das ihrer eigenen Leistung zu und
bekunden den Willen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. „Wenn ich mich
anstrenge, werde ich auch Erfolg haben“, behaupten 83 Prozent.
Dieselbe Stichprobe ist aber zu 69 Prozent auch der Auffassung, „dass das,
was man im Leben bekommt, nicht so sehr von den eigenen Anstrengungen
abhängt“, sondern von externen Einflüssen des Marktes und der
Sozialpolitik. Die soziale Mobilität, also die Aufstiegschancen werden
entsprechend von jeweils einer knappen Hälfte als gut oder schlecht
bewertet. Ein wachsender Anteil fühlt sich aber der Mittelschicht
zugehörig.
Legt man weitere unvereinbare Befragungsergebnisse aus verschiedenen
Kapiteln übereinander, kommt zumindest der Verdacht der Schizophrenie auf.
Der Anteil derer, die die Erinnerung an das DDR-Revolutionsjahr 1989
hochhalten wollen, ist sogar leicht auf 88 Prozent gestiegen. Zugleich
fühlen sich mit 55 Prozent mehr Sachsen als Menschen zweiter Klasse als
2018, gehen auf Distanz zum Westen und rücken Osteuropa wieder näher.
Die Zuneigung zu einer Partei hat zwar um sagenhafte 24 Prozent zugenommen.
Den Parteien insgesamt aber vertrauen nur 22 Prozent. Auch das
Politikinteresse soll angeblich zugenommen haben. Die [4][Landrats- und
Bürgermeisterwahlen] im Mai aber zeigten eine alarmierend geringe
Wahlbeteiligung von teils unter 40 Prozent.
## Rückgang bei Rassismus und Islamfeindlichkeit
Glaubt man dem Sachsen-Monitor und nicht der alltäglichen Umgangserfahrung,
sind Ressentiments wie Islamfeindlichkeit und Rassismus zurückgegangen, der
Antisemitismus stagniert. Die Landtagsabgeordneten Frank Richter (SPD) und
Kerstin Köditz (Linke) warnten, dies als Entwarnung anzusehen.
Das Umgangsklima miteinander jedenfalls leidet. Fast zwei Drittel meinen,
man könne gegenüber anderen Menschen „nicht vorsichtig genug sein“. Vier
Fünftel sehen den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet, und noch mehre
sorgen sich wegen der zunehmenden Spaltung in Arm und Reich.
Sorgen bereitet auch der erstmals abgefragte Klimaschutz. Aber nicht einmal
die Hälfte der Teilnehmer ist bereit, dafür Gewohnheiten und Lebensweisen
zu ändern. Dennoch rutschte dimap-Studienleiter Reinhard Schlinkert bei der
Vorstellung unbeeindruckt ein „glückliches Sachsen“ heraus. Und
Staatskanzleichef Schenk kann in der Studie keine „Dagegen-Mentalität“
erkennen.
6 Sep 2022
## LINKS
[1] /Landratswahl-in-Sachsen/!5865215
[2] /Sachsen-wollen-keine-Muslime/!5462857/
[3] /Kommunalwahlen-in-Sachsen/!5860309
[4] /Landratswahlen-in-Sachsen/!5857971
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Sachsen
Umfrage
Lebensqualität
Vorurteile
Strukturhilfen
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Rechtsextremismus
Abschiebung
CDU/CSU
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