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# taz.de -- Motorisierte Gewalt im Straßenverkehr: Vermeidbarer Kulturkampf
> Bedrängen, Schneiden, Anfahren – immer wieder nutzen
> Autofahrer:innen ihr Gefährt als Waffe. Helfen würden baulich
> getrennte Radwege.
Bild: Wo Überholabstände gering sind, sind Konflikte vorprogrammiert
Ein Auto macht regelrecht Jagd auf einen Radfahrer – anders lässt sich die
Szene nicht beschreiben, die am Donnerstag [1][in einem Video] beim
Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht wurde. Der oder die Fahrerin
eines „VW Up“ drängt einen Lastenradfahrer von der Radspur – als dieser …
den Fußweg ausweicht, beschleunigt der VW, um dem Fahrradfahrer dort weiter
hinten den Weg abzuschneiden.
Dem Radfahrer passiert zum Glück nichts, wie Philipp Köster, der das Video
in der Danziger Straße in Prenzlauer Berg beim Vorbeifahren aufgenommen
hatte, auf Twitter berichtet.
Es ist schon der zweite Vorfall in dieser Woche, in dem lebensbedrohliches
Verhalten von Autofahrer:innen gegenüber Radfahrer:innen auf
Twitter die Runde macht. Bereits am Montag wurde der Radfahrer Bodo Tasche
in Friedrichshain mutwillig [2][von einem Free-Now-Taxi-Fahrer gerammt],
nachdem Tasche ihn aufgefordert hatte, nicht auf der Radspur zu parken.
Dieser habe sich davon unbeeindruckt gezeigt, wie Tasche gegenüber der taz
schildert. Daraufhin habe der Software-Entwickler den Seitenspiegel des
Taxis umgeklappt und sei weiter gefahren. Der Taxifahrer verfolgte Tasche
und rammte ihn mutwillig von hinten.
Die Folge: Schmerzen in Rücken und Kopf sowie ein komplett zerstörtes
Fahrrad. „Es hätte noch viel schlimmer kommen können“, sagt Tasche, der
infolge des Aufpralls mehrere Meter durch die Luft geschleudert wurde.
## Nehmen die Exzesse zu?
In beiden Fällen hat die Polizei Ermittlungsverfahren gegen den Autofahrer
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr eingeleitet. Im Falle
des Free-Now-Fahrers wurde bereits am selben Tag der Führerschein
eingezogen.
Ob solche Gewaltexzesse gegenüber Radfahrenden zunehmen, lässt sich,
abgesehen von der subjektiven Wahrnehmung, nur schwer objektiv belegen.
Weder die Polizei noch die Fahrrad-Interessenvertretung ADFC führen
gesonderte Statistiken über Vorfälle dieser Art.
Verkehrspsycholog:innen sprechen von einer „natürlichen
Konkurrenzsituation“, in der sich Verkehrteilnehmer:innen befinden
und die Aggressionen fördert. Hinzu kommt, dass die soziale Kontrolle durch
Mitmenschen in Autos meistens fehlt.
„Dadurch, dass immer mehr und immer größere und schwerere Autos auf den
Straßen unterwegs sind, steigt der Stress“, vermutet Solveig Selzer,
stellvertretende Pressesprecherin und politische Referentin des Berliner
ADFC. „Besonders dort, wo Mischverkehr herrscht, ist größte Rücksichtnahme
gefordert.“
Doch allein Appelle zu stärkerer gegenseitiger Rücksichtnahme sind im
harten Alltag auf den Berliner Straßen erfahrungsgemäß wenig fruchtbar.
Effektive Abhilfe schaffe letztendlich nur [3][eine Infrastruktur, in der
sich Radfahrende und Autofahrende gar nicht erst in die Quere kommen], so
der ADFC, also etwa durch baulich – mit Pollern oder Blumenkübeln –
abgetrennte Radspuren. „So können Konfliktsituationen von vornherein
vermieden werden“, sagt Selzer.
1 Sep 2022
## LINKS
[1] https://twitter.com/philippkoester/status/1564944376933109760
[2] https://twitter.com/bitboxer/status/1564518109658206209
[3] /Auf-Radtour-mit-Monika-Herrmann/!5793049
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
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